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(c) Pester Lloyd / 30 - 2013   GESELLSCHAFT 23.07.2013

 

Verhütungsmittel FIDESZ

Der hilflose Kampf gegen den Geburtenrückgang in Ungarn

Alle Jahre wieder macht sich die ungarische Regierung Gedanken, wie man dem Bevölkerungsschwund im Lande entgegenwirken könnte. Jedes Jahr verkennt sie dabei die eigentliche Ursachen und tut so, als sei die Fertilitätsverweigerung ein Problem der Motivation der Frauen. Doch die sind unbestechlich, es ist es eher das Versagen der Männer, die eine Politik zum Weglaufen betreiben. Anstatt sich um die lebenden Generationen zu kümmern, versucht man einen Babyboom zu erkaufen.

Immer mehr Ungarn, immer weniger in Ungarn

Die aktuellen Zahlen des Statistischen Zentralamtes weisen für die ersten fünf Monate des Jahres 34.451 Geburten aus, nochmals 5,5% weniger als vor einem Jahr als man bereits ein 10-Jahres-Tief markierte. Der Rückgang hat sich seit 2004 damit mehr als verdopplet. Mittlerweile sinkt die Bevölkerungszahl in Ungarn seit 30 Jahren ununterbrochen und durchbrach vor knapp zwei Jahren sogar die 10 Millionenmarke, in Ungarn leben heute 7% weniger Menschen als Anfang der Achtziger Jahre.

Dank der neuen doppelten Staatsbürgerschaft für Auslandsungarn gibt es zwar wieder eine halbe Million ungarische Staatsbürger mehr auf der Welt, doch die Fluchtbewegung aus dem Kernland, deren Ursache in den mangelnden wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven für die einfache Bevölkerung liegt, erreichte mittlerweile Ausmaße einer Völkerwanderung. Rund 400.000 Menschen verließen seit 2010 die Heimat, nur rund halb so viele kommen auch zurücl. Die Neuungarn hingegen bleiben in Rumänien, der Slowakei und Serbien, ihrer Heimat (!), während die "Kernungarn" nach Deutschland, Österreich und Großbritannien "fliehen". Somit gibt es immer mehr Ungarn, aber immer weniger Einwohner in Ungarn, obwohl die Statistiker sogar die im Ausland geborenen Babys von Auswanderern mit in die heimische Statistik rechnen müssen.

Hoffnung auf den "neuen Menschen"?

Der logischste Schluss für eine Regierung von Verantwortung wäre es, sich um die heute lebende Bevölkerung zu kümmern, deren Lebens- und Arbeitsumstände so zu verbessern, dass sie bleiben können und in der Heimat ein vernünftiges Auskommen finden sowie ein Gefühl von sozialer Sicherheit aufbauen, die Geburtenrate wird sich dann zumindest wieder einpendeln. Doch dazu bräuchte es auf Seiten der Verantwortlichen das Eingeständnis, dass die bisherige Politik falsch war und nur einer Minderheit zu Gute kam und die Masse des Volkes ausschloss: ausgeschlossen! Nicht ganz nebenbei ist der Geburtenrückgang ein allgemeines Phänomen in Europa und nicht immer unmittelbar an die ökonomischen Bedingungen gebunden, sondern ein zivilisatorischer Trend auf dem Kontinent, der sich nur schwer durch die Politik steuern lässt.

Doch unsere glorreichen Nationalstrategen glauben, alles steuern zu können und verfolgen einen anderen Ansatz als den der Selbstkritik und -beschränkunt: Anstatt sich um die "alte", offenbar liberal verdorbenen Generationen zu kümmern, will man lieber neue heranzüchten, wohl in der Hoffnung, sie durch die Indoktrinationen des zentralisierten Pflichtschulsystems (einschließlich Folichtkindergarten ab 3 Jahren) auf Linie, zumindest aber zum Bleiben bringen zu können. Dieser Traum vom "neuen Menschen" galt schon als Albtraum ausgeträumt, in Ungarn erlebt er eine Auferstehung.

Frauen sollen lieber Leihmütter für den Staat werden, als Schwangerschaftsabbrüche vornehmen lassen, so die EU-finanzierte Botschaft der Regierung an “die Damen”.

Seit Jahren brüten Expertenkommissionen darüber, wie man die Geburtenrate nach oben bringen kann, viel mehr als Steuererleichterungen für Familien mit drei Kindern und billigere Kredite für den Hausbau bietet der Staat derzeit aber nicht an, d.h. nur, wer die Selbstreproduktionsrate von 2 Stück übertrifft, wird gefördert, mit den ersten beiden Kindern bleibt man in Ungarn sich selbst überlassen.

Das Ende des Magyarentums naht...

Dann versuchte man es, wie man es auch von anderen Politfeldern gewohnt ist, mit Zwang und Druck. Orbán und seine Minister
verfertigten im Vorjahr ein Paket mit Steuererhöhungen für Singles, einer Art Zwangsrente für Omis, damit die auf ihre Enkel aufpassen, so dass die Eltern zur Arbeit gehen können, die sie aber gar nicht haben; Rentenabzüge für Kinderlose, Hetze gegen Abtreibungsregelungen, Beschwörung aller Heiligen und des magyarischen Pflichtbewußtseins. Bis auf die Lex Großmutter, wurde nichts umgesetzt.

Dann malten Regierungsoffizielle das Aussterben des "Ungarntums" als mögliches Szenario an die Wand. Die Jobbik-Nazis schoben nach, dass die “vielwerfenden Zigeuner” zudem noch die rassischen Gewichte verschieben und forderten "Geburtenkontrolle", sprich Zwangssterilisationen. Allein, alles zetern und drohen, locken und bitten half nichts. Die Gebärtätigkeit ließ weiter nach, mittlerweile bleiben ein Viertel der Frauen ganz kinderlos.

Abschreckende Lebensrealität, Dominanz der Hungaromachos

Dass das auch an den ungarischen Männern liegen könnte, hinterfragt der Hungaromacho, diese schwer fassbare Mischung aus verklemmtem Chauvinisten und schmeichelndem Lügner freilich nicht, stellt nur bedauernd fest, dass das Alter der Mutterschaften ständig zu- und der “Gehorsam” der Frauen abnimmt. Ein Fidesz-Abgeordneter (das ist die Regierungspartei) mahnte im Zusammenhang mit einer Debatte über häusliche Gewalt die Frauen allen Ernstes zu mehr Kindern an. Diese Art der "Pflichterfüllung" würde ihre Stellung und ihr Ansehen, wörtlich “ihren Respekt” in der Familie derart erhöhen, dass die Schläge von allein weniger werden,
sagte er im Parlament. Ein Parteikollege prügelte seine Frau kurz darauf krankenhausreif (ist über die Hunde gestolpert), erst Monate später gab er sein Mandat auf - und das war nur einer der bekanntgewordenen Fälle. Der Fraktionschef nannte die letztlich vorgenommene Aufnahme häuslicher Gewalt als gesonderte Straftat ins StGB ein "Zugeständnis an die Damen".

Im Vatikan arbeiten mehr Frauen: die aktuelle Fidesz-Fraktion im ungarischen Parlament

Eine mit EU-Geldern finanzierte Plakatkampagne, die Frauen dazu aufforderte, anstatt abzutreiben, die Kinder auszutragen und zur Adoption freizugeben, war der Höhepunkt der staatlichen Menschenverachtung. Dass sich unsere Frauen, so sie bei Sinnen, einem solchen Umfeld verweigern, ist ein reines Zeichen ihrer überlegenen Vernunft. Politiker als Liebestöter, sind nichts Neues, doch die Familien- und Frauenpolitik des Fidesz, deren Familienbild laut Premier Orbán "4000 Jahre alt ist", zusammen mit der allgemeinen Lebensrealität steigender Kosten und Unsicherheiten ist die effizienteste Schwangerschaftsverhütung, die man sich denken kann.

Weitere Steuergeschenke von der Reichshebamme

 

Und was hat die Regierung jetzt zu bieten? Stückprämien für Akkordgeburten oder noch mehr staatlich finanzierte "Tanzhäuser" für die Anbahnung von Partnerschaften? Máriusz Révész, der "Berater des Ministerpräsidenten in Familienangelegenheiten", also unsere Reichshebamme, will die Steuerfreibeträge für Familien mit drei und mehr Kindern ausbauen. Studenten, die eine "Familie gründen wollen", sollen teilweise von Studiengebühren befreit werden, bzw. bei den Studienkrediten noch günstigere Zinsen bekommen. Ein Arbeitsförderungsprogramm, soll die Reintegration von Müttern in den Arbeitsmarkt durch Lohnzuschüsse an die Arbeitgeber verbessern. Das war´s auch schon. Bis sich im kommenden Jahr die Expertenkommission wieder trifft, um einen weiteren Rückgang der Geburten zu bedauern...

a.l., red.

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