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(c) Pester Lloyd / 30 - 2013   WIRTSCHAFT 28.07.2013

 

Gesetzlicher Schuldenschnitt für Private?

Ungarn will Fremdwährungskredite "eliminieren". Aber wer zahlt die Zeche?

Auf seiner jüngsten Kabinettsitzung hat die ungarische Regierung grundsätzlich beschlossen, "Forex-Kredite aus dem ungarischen Finanzsystem zu eliminieren". Einschränkend hieß es danach gleich wieder, dass per Gesetz nur die in Fremdwährungen notierten Hypothekenkredite für Wohnraum zum Eigenbedarf umgewandelt werden sollen. Natürlich sollen die Banken die Hauptlast dieser Transaktion bezahlen, die Frage ist nur noch wann und wie.

 

Das zum Umtausch von Forex- in Forintkredite bisher existierende Modell auf freiwilliger Basis wurde bisher nur von rund einem Viertel der Berechtigten wahrgenommen, weil es eine deutlich verlängerte Laufzeit für den umgewandelten Kredit bedeutet. Die Zusatzkosten für den vergünstigten Umtausch teilten sich auf diese Weise der Schuldner, die Bank und der Staat (über einen Abschlag auf die Bankensondersteuer), der Kredit verbilligt sich in Summe aber nicht. Allerdings besteht die Möglichkeit für Teilnehmer an dem Hilfsprogramm ihre Ratenzahlungen für eine Weile auszusetzen, bis wieder ausreichend Einkommen generiert werden kann (maximal bis zu 5 Jahre). Ein weiteres, zeitweise umgesetztes Modell, das die Ablöse der Forex-Kredite durch eine Einmalzahlung zum bevorzugten Umtauschkurs ermöglichte, stellte sich als völlig ungeeignet für zahlungsschwache Schuldner dar und diente nur einer bestimmten Schicht zur Entlastung.

Rund 1,5 Millionen Ungarn haben derzeit Belastungen mit Fremdwährungskrediten, nur rund 45% davon können ihren Zahlungspverpflichtungen regelmäßig nachkommen, immerhin haben sich Forex-Kredite seit 2008 im Schnitt um 50% verteuert. Der Anteil fauler Kredite in den Portfolios der in Ungarn tätigen Banken erreichte zuletzt im Hypothekenbereich einen neuen Rekordwert von 26%, bei anhaltend steigender Tendenz. In den letzten Monaten nahm der soziale Druck durch Zwangsversteigerungen und -räumungen weiter zu, von denen aktuell bis zu 170.000 Menschen bedroht sind.

Mehr zum Thema:
Finanzieller Amoklauf & Ökonomische Irrfahrt
Was tun gegen die Massenverschuldung der Bürger in Ungarn?
http://www.pesterlloyd.net/html/1326finanzielleramoklauf.html
darin auch Links zur Räumungsproblematik und Anti-Forex-Protesten

Eine eher nationalistisch ausgerichtete Protestbewegung warf der Regierung zunehmend Untätigkeit vor, daher sah sie nun gezwungen, eine pauschalere Lösung, diesmal auch für die sozial schwächeren Gruppen anzustoßen, was auch deshalb keine leichte Aufgabe ist, weil man die Banken durch Sondersteuern bereits bis hart an die Schmerzgrenze abschöpft. Orbán ließ ausrichten, dass man "die Details", sprich die Aufteilung der Kosten, für die nun geplante Aktion "in einer ruhigeren Athmophäre mit den Banken verhandeln will als bisher", als "das Land in einer deutlich schwächeren Position war".

Dass die Zinsen für Forintkredite ätzend hoch waren und sind, ist nichts Neues, aber die Entwicklung des Forintkurses gegenüber Franken, Euro und Yen stellte sich als noch unberechenbareres Risiko heraus. Hier die Entwicklung der letzten 8 Jahre.

Der harte oder der weiche Weg?

Nach Insiderberichten kursieren zwei Modelle auf dem Kabinettstisch. Beide sehen einen Zwangsumtausch der Forex-Kredite in Forint vor. Das sanftere Modell orientiert sich an dem derzeit laufenden, bei dem die Kosten für den Umtausch geteilt, ein großer Teil dem Schuldner an den Altkredit als Neukredit angehängt wird. Der radikalere Vorschlag sieht einen Schuldenschnitt von rund 30% vor, der allein zu Lasten der Banken gehen soll, einschließlich des "nachträglichen Eingriffs in die Kreditverträge". Bei dieser Version, die aus dem Hause Matolcsy (Zentralbank) stammen soll, spielt auch der Hintergedanke mit, damit einige Institute gänzlich vom ungarischen Markt zu vertreiben und so dem Ziel, 50% des ungarischen Bankenmarktes unter staatliche Kontrolle zu bekommen, deutlich näher zu kommen.

Dass man mit dieser Art finanzpolitischen Rowdytums das Vertrauen von Investoren weiter unterminiert und die Kreditklemme für den klammen Mittelstand weiter verschärft, spielt bei den vordergründig machtpolitisch und ideologisch gesteuerten Überlegungen eine untergeordnete Rolle. Ohnehin zahlen am Ende die Bankkunden die Zeche, ob in Form erhöhter Gebühren, verhindertem Zugang zu Kapital oder letztlich über Steuererhöhungen. Denn dass die Banken die legislativ eingehobenen Mehrkosten an die Kunden weitergeben, gestand sogar der Staat - indirekt ein, indem er seinen -dienern
Rückerstattungen für die Belastungen aus der Bankensonder- und Transaktionssteuer auszahlt.

Banken konsultieren, so lange sie das gleiche wollen...

Orbán mochte sich auf die Art und Weise des "Schuldenschnitts" (der eigentlich nur eine Umverlagerung ist) bei den Privaten noch nicht festlegen, deutete für die bevorstehenden Verhandlungen mit der Bankenvereinigung nur patengerecht an, dass "dem Wirtschaftsministerium eine große Palette an Möglichkeiten und Instrumenten zur Verfügung steht, einschließlich einiger konstitutioneller Optionen, sogar die der Modifizierung von Verträgen." Orbán meinte, nicht nur die damaligen Regierungen seien ihren Verpflichtungen zur staatlichen Obacht nicht nachgekommen, auch die Banken hätten praktisch sittenwidrig agiert, was solche Eingriffe möglich und legitim mache, zumal das Verschuldungsproblem der Wirtschaft und den Bürgern gleichermaßen schade. Allerdings hat Orbán keinerlei Spielraum von Seiten des Staatshaushaltes, schon jetzt bleiben die Steuereinnahmen (trotz sieben Zusatzpaketen) deutlich hinter den Projektionen zurück, jede Zusatzbelastung müsste die mit der EU vereinbarten Defizitziele sprengen.

Wirtschaftsminister Varga schob in Ulbrichtschem Schönsprech nach, dass "niemand die Absicht habe, Banken zu ruinieren", daher werde man in Ruhe verhandeln, Mutmaßungen, wonach die Banken mehr als 3 Milliarden Euro zusätzliche Verluste zu fürchten hätten, seien "übertrieben", zumal die Umwandlungen über Jahre gestreckt werden könnten. Das Ziel sei es, einen unkalkulierbaren Risikofaktor aus dem Finanzsystem zu entfernen und dafür zu sorgen, dass Forex-Schuldner nicht schlechtere Bedingungen vorfinden wie Forintschuldner. Dem entgegen steht die Ambition Orbáns, der von einer "schnellen Lösung" sprach sowie die Äußerung von Fidesz-Fraktionschef Rogán, der meinte, man "werde die passenden Schritte mit oder ohne einen Deal mit den Banken ergreifen". Die Verhandlungen werden also so lange geführt, so lange die Banken die gleiche Meinung haben wie die Regierung.

Ex-Premier Bajnai, Chef der Oppositionsbewegung "Gemeinsam 2014," schlug vor, dass die Regierung die Einnahmen aus der Banken"sonder"steuer für die Entlastung der Forex-Schuldner nutzen sollte, um die "Zeitbombe" zu entschärfen, dann hätte sie auch einen Sinn, statt nur der verfehlten Wirtschaftspolitik der Regierung als Budgetlückenstopfer zu dienen. In den Augen der Regierungspartei hat sich Bajnai damit einmal wieder als Anwalt "der Finanzwirtschaft" entblößt.

red., cs.sz.

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