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(c) Pester Lloyd / 36 - 2013   WIRTSCHAFT 04.09.2013

 

Oligarchensorgen

OTP-Chef und Großunternehmer Csányi zu aktuellen Fragen von Wirtschaft und Politik in Ungarn

Einblicke in ein sonst eher im Dunst liegendes ungarisches Machtzentrum gab am Montagabend der Chef der größten ungarischen Bank OTP Sándor Csányi, der auch außerhalb seines Hauptjobs als einer der einflussreichsten Personen der ungarischen Politik und Wirtschaft gesehen werden darf und sich mit ersterer in den letzten Wochen teilweise überworfen hatte. Hauptbotschaft: beim Forex-Umtausch könnten einige Banken auf der Strecke bleiben...

Beim Privatsender ATV bezifferte er die möglichen Kosten eines von der Politik
zu erzwingenden Umtauschs von Forex- in Forintkredite auf mehr als 3 Milliarden EUR, für sein Institut allein auf rund 300 Milliarden Forint (ca. 1 Mrd. EUR) und bestätigte damit die Berechnung des Chefs der Bankenvereinigung der von "mehreren hundert Milliarden Forint über mehrere Jahre" sprach. Dennoch würde seine Bank "diesen Sturm überleben", was er nicht für alle Institute prognostizieren kann (und was offenbar auch nicht das Ziel ist und seine Position stärken würde) und findet ansonsten, dass die Sache von Schuldnern und Politik viel zu hysterisch angegangen wird. Eine Aussage, die angesichts 20% Ausfallquoten, Zwangsversteigerungen und -räumungen nicht wenig zynisch erscheint. Csányis Kalkulation ist ein Insider-Hinweis darauf, dass sich offenbar doch das radikalere Modell des Forex-Umtausches durchsetzen wird.

Interessant war dabei auch seine Anmerkung, dass 73% der Parlamentsabgeordneten, die Forex-Kredite laufen hatten, von der Möglichkeit der Ablöse auf einen Schlag und zu einem bevorzugten Umtauschkurs Gebrauch gemacht "und profitiert" hätten, was zeigt, "wie die moralische Situation in Ungarns öffentlichem Leben" ist. Er erwähnte nicht, dass die OTP-Bank aufgrund ihrer lokalen Vernetzung bei den Panikverkäufen von Wohneigentum ebenfalls prächtig mitschnitt, also nicht nur unter den Entscheidungen der Politik leidet.

 

Zu dem neuen Großplayer am ungarischen Bankenmarkt, der Takarékbank, die durch die gesetzliche Eingliederung der Spargenossenschaften mit über einer Million Mitgliedern - und samt deren Aktiva - und der staatlichen Übernahme der Bank durch eine Erhöhung des Anteils der Magyar Posta, plötzlich bei den Großen mitmischt, gab sich der OTP-Chef gelassen. Laut Gesetz dürfe diese Art des Eigentums nur temporär aufrecht erhalten werden, die OTP wäre sicher an Aktien der Takarék interessiert, sollten diese angeboten werden, was bedeuten soll, man beargwöhnt zwar den Vorgang, möchte aber lieber am Kuchen mitnaschen als sich allzusehr über den Eingriff in Eigentums- und Geschäftsrechte zu protestieren. Dass die Änderung von Gesetzen unter dieser Regierung keine größeren Umstände macht, dürfte indes auch Csányi bekannt sein, allerdings kann er sich als "ungarische" Bank sicher sein, nicht das Haupttarget, sondern eher Verbündeter in Orbáns Befreiungskampf gegen das "internationale Großkapital" zu sein.

Den
plötzlichen Verkauf eines großen Teils seiner eigenen OTP-Aktien vor wenigen Wochen, der an der Börse doch einigen Eindruck hinterlassen hatte, begründete er mit dem Wunsch auf Erwerb neuer Beteiligungen im Lebensmittel- und Landwirtschaftsbereich (Csányi besitzt zusammen mit seinem Sohn u.a. die Salamimarken Herz und Pick, Fleischbetriebe wie Délhús, Futtermittelbetriebe, eine Milch- und Joghurtfirma, Mizo, den Kultriegel Túró Rudi, viel Land und Weinberge u.a. mit dem Label Teleki).

Möglicherweise hätte er anders agiert, wenn die Politik der Regierung gegenüber den Banken eine andere wäre, sagte der Regionaloligarch, der oft und häufig mit Orbán verkehrt, aber auch schon bei den Vorgängerregierungen einen sehr kurzen Draht zur Macht hatte. Mit dem heutigen Premier teilt er die Fußballleidenschaft, nicht umsonst ist Csányi auch Präsident des Nationalen Fußballverbandes.

Bei dem TV-Gespräch beklagte Csányi, die stümperhaften Rettungsaktionen der Regierung vor allem bei notleidenden Lebensmittelherstellern (konkret einige teils traditionsreiche Wurst- und Fleischverarbeiter), was den Wettbewerb verzerren würde, aber - das sagte er nicht, vor allem seine Unternehmen beeinträchtigt, denn nur allzu gerne bediente sich Csányi bisher billig aus Konkursmassen.

Hinsichtlich seines Streits mit dem Orbán-Vertrauten und Staatssekretär Lázár, der Csányi u.a. öffentlich als "den größten Abzocker in Ungarn" bezeichnete, sagte der Angegriffene, dass er nicht länger auf diesem Niveau grundeln wolle, die Gerichte werden über seine Klagen wegen Diffamierung und übler Nachrede entscheiden, Lázár sei auch nicht die Welt, mit vielen anderen Regierungsmitgliedern komme er schließlich bestens klar und darauf kommt es dem umtriebigen Patriarchen an, denn letztlich braucht ihn die Politik genauso wie er die Politik...

Zum Thema:

Orbán im Krieg mit Magnaten?
OTP-Chef lässt eigene Bankaktie fallen
http://www.pesterlloyd.net/html/1330magnatenkrieg.html

red.

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