(c) Pester Lloyd / 37 - 2013 KULTUR 13.09.2013
"Langjährige Freundschaft"
Türkei eröffnete Kulturzentrum in Ungarn
Die Türkei hat am Donnerstag ein Kulturzentrum in Budapest eröffnet, dies sei ein "Meilenstein" in der Kooperation beider Länder und ein Symbol der Freundschaft, betonten gleichermaßen der türkische Minister für Kultur und Tourismus, Omer Celik und der ungarische Minister für Humanressourcen, dem auch die Kultur untersteht, Zoltán Balog.
Balog (auf dme Foto links) begab sich in seiner Ansprache in die Historie und behauptete, dass die Freundschaft beider Länder eine "lange Geschichte" habe, als Beispiel dafür nannte er "Ungarns Unterstützung der Türkei im türkisch-russischen (richtig: osmanisch, Anm.) Krieg 1876-78. Da die "Welt der Politik zerbrechlich ist", fuße die "Stabilität der Beziehungen in der Kultur".
Die über 20 türkischen Kulturzentren in der Welt wurden nach dem Poeten Yunus Emre aus dem 14. Jh. benannt und gehen auf eine Initiative Premier Erdogans von 2007 zurück, es wird auch in Budapest eine Mischung aus Konferenzen, Konzerten, Ausstellungen präsentieren, auch Sprachunterricht wird es geben. Als erste Veranstaltung wurde eine "Präsentation der türkisch-ungarischen Freundschaft durch Dokumente von 1562 bis 1918" angekündigt. Ob darin auch die osmanischen Besetzungen (in Südungarn immerhin bis 1720) eine Rolle spielen, die die zwar auf einigen Gebieten orientalisches Know how nach Ungarn, vor allem aber Krieg und Verheerung brachten und nicht gerade als "Freundschaftsbeweis" herhalten können, ist nicht bekannt.
Die Türkei zählt laut offizieller Regierungspolitik mit zu den "neuen strategischen Partnern" im Rahmen der explizit gegen "die Abhängigkeit von der EU" installierten "Ostöffnung". Mehr dazu. Die ungarische Regierung wünscht sich einen baldigen EU-Beitritt der Türkei. Mehr dazu. Ein ungarischer Regierungsvertreter fand die Prügeleinsätze der türkischen Polizei gegen Demonstranten in Istanbul und anderen Städten (mit mehreren Toten) legitim. Mehr dazu.
red.
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Der wunde Punkt: die Türkein in Europa - so riskant wie venrünftig, Kommentar - 2012 http://www.pesterlloyd.net/html/1250kommentarturkei.html
Man wolle andererseits aber "den Diskurs über die Entwicklung der Kulturpolitik in Ungarn fortsetzen und eine differenzierte Diskussion ermöglichen". Aber, "Das geht zur Zeit besser in Wien als in Budapest." Das Burgtheater erwägt, ein Theaterfestival mit aktuellen Aufführungen aus Ungarn zu organisieren, "sofern die finanziellen Mittel aufgebracht werden können." Bei diesem Festival "soll eine unterschiedliche Auswahl ungarischer Inszenierungen gezeigt werden. Sowohl unabhängige Theatergruppen, die sich durch die Kulturpolitik der Regierung geschädigt fühlen, als auch das Budapester Nationaltheater, das nach der neuen Besetzung dem nationalkonservativen Lager zugerechnet werden muss, sollen dort zu sehen sein."
Im Februar 2013 schloss sich das Burgtheater, unter Intendanz des Deutschen Mathias Hartmann, einem Protestbrief gegen die Orbánsche Kulturpolitik an. Dieser wurde von Ungarn als Einmischung in innere Angelegenheiten scharf zurückgewiesen. In einem am 1. Februar vor den Vorstellungen auf Wiener und anderen europäischen Bühnen wurde ein Memorandum verlesen, das zu Toleranz, Vielfalt und Solidarität für die Schwächeren im eigenen Umfeld aufruft. "Wenn 200 Kilometer von Wien Kultureinrichtungen ins Mittelalter geführt werden, müssen auch bei uns die Alarmglocken läuten", warnte damals der Kultursprecher der Grünen Wien, Klaus Werner-Lobo.
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red.
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