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(c) Pester Lloyd / 37 - 2013   NACHRICHTEN 10.09.2013

 

"Unabhängigkeitserklärung"

Premier Orbán beschwört wieder die "Entkolonialisierung" Ungarns

Zur Eröffnung der Herbstperiode des ungarischen Parlamentes wiederholte Premier Orbán seine hinlänglich bekannten Stehsätze vom "Ende der Kolonialzeit" für Ungarn, das alles irgendwie "besser macht". Die Opposition widersprach diametral und wirft ihm eine ständische, arbeitnehmer- und unternehmerfeindliche Politik vor, von der nur seine Partei und Besserverdiener profitieren. Orbán will "nicht zurückweichen", erwartet aber "weitere Angriffe" von politischen Feinden und Konzernen.

Die ungarische Wirtschaft ist "zurück auf dem Weg dees Wachstums" und steht endlich wieder "auf eigenen Beinen", nachdem man den seit 2008 anhängigen IWF-Kredit, vorzeitig, zurückgezahlt hat. Für das kommende Jahr kündigte der Premier bei seiner Eröffnungsrede vor dem Plenum ein Wachstum von 2% an, er sei damit vorsichtiger selbst als die Londoner Analysten, die heute eine Rolle spielen "wie damals sowjetische Wissenschaftler" (?). Mit der Rückzahlung habe man den "ständigen Druck" von "internationalen Finanzorganisationen" auf das Land beendet, die versucht hätten, Ungarn "Sparpakete aufzuzwingen", die "gegen die nationalen Interssen" seien.

Möglich sei das alles nur durch eine "stabile Regierung und die erarbeiteten Reserven" gewesen, die "Menschen haben zusammengehalten, die Budgetdisziplin wurde eingehalten". Es folgte die Aufzählung der vermeintlichen Errungenschaften seiner Regierungszeit: die Beschäftigung steige, die Inflation sinkt, das Wirtschaftswachstum "hat begonnen", Lehrern und Gesundheitspersonal konnte man "wegen der Erfolge der letzten Monate" die Gehälter erhöhen.

Gebetsmühlenartig wiederholte Orbán, dass seine Regierung "weitere Kritik und Angriffe" erwarte, auch hinsichtlich ihrer Errungenschaften bei der Hilfe für in Not geratene Forex-Kreditschuldner und bei der Senkung der Wohnnebenkosten: "aber, wir werden nicht zurückweichen", so Orbán. "Wir sind bereit, den Streit anzunehmen und für das zu kämpfen, was wir für das Richtige halten". Anders als "unter den sozialistischen Regierungen müssen Banken und Monopolisten sich an eine neue Situation gewöhnen". Damals "waren sie stärker als die Regierung" und konnten ihnen die Politik diktieren, nun "sind wir stärker" und werden "es niemals wieder zulassen, dass Irgendjemand Extraprofite auf Kosten des ungarischen Volkes" machen kann. Ungarn ist nun "ein unabhängiges, souveränes Land, die Ära der Kolonisation ist vorbei."

Die oppositionellen Sozialisten fühlten sich durch die Rede des Premiers an einen "Parteitag im Geiste der 50er und 60er Jahre" erinnert. Es würden hier Dinge als Fakten verkauft, die der einfachsten Prüfung nicht Stand hielten. Als Beispiel führte MSZP-Chef Mesterházy in seiner Erwiderung an, dass Ungarn heute in London eher Jobs fänden als in Budapest. Hinsichtlich des "Wahlgeschenks" weiterer Ernergiepreissenkungen vermerkte er, dass "die Familien das Mehrfache dieser Ersparnis in Form höherer Steuern wieder an den Staatshaushalt zurückzahlen" müssten. Mesterházy schloss sich dem
Argument von Ex-Premier Bajnai an, dass die Kostensenkungen auch in sich unsozial seien, da sie alle gleichermaßen entlasten, unabhängig von ihrer Bedürftigkeit, während die wirklichen Probleme der unteren Einkommensschichten ignoriert werden (Mehrwertsteuersätze auf Grundnahrungsmittel, Einkommensverluste durch Wegfall der Freibeträge in der Flat tax). Kurz: die Regierung Orbán sei eine Regierung für Besseerverdiener, nicht die des ungarischen Volkes.

 

Auch die grün-liberale LMP kann sich dem Regierungsslogan "Ungarn macht´s besser!" nicht anschließen. Die Einzigen, denen es besser geht, seien die Unternehmen, die mit der Regierungspartei verbunden sind. Diese werden immer reicher, während der Mittelstand und kleinere Unternehmen immer mehr von EU-finanzierten Entwicklungsprojekten ausgeschlossen werden. In gleichem Maße wie die "Oligarchen" gewinnen, schrumpfen die KMU im Lande. Fraktionschef Schiffer kritisierte, dass die Regierung an den Beschäftigungszahlen "herumdokter", diese wüchsen nur durch die Hinzuzählung der steuerfinanzierten Kommunalen Beschäftigungsprogramme, eine perspektivlose, unter dem Mindestlohn vergütete Ersatzarbeit, der bald mehr als 200.000 Menschen nachgehen müssten. Schiffer machte den Vertrauensverlust in die Regierung auch daran fest, dass - nach Angaben der Nationalbank - 2012 rund 2.000 Milliarden Forint (ca. 6,6 Mrd. EUR) Guthaben von Unternehmen und Privaten ins Ausland abgezogen wurden, 2009 lag diese Summe lediglich halb so hoch.

Die neonazistische Jobbik beklagte, dass eben nicht, wie von Orbán gepredigt, die Abhängigkeit von den internationalen Finanzmärkten zurückgegangen sei, die frühere IWF-Kreditrückzahlung sei nur möglich gewesen, in dem man Anleihen am internationalen Markt platziere, man also einen neuen, teureren Kredit aufgenommen haben, um einen alten abzubezahlen.

red.

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