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(c) Pester Lloyd / 39 - 2013   GESELLSCHAFT   27.09.2013

 

Unterschreib oder geh!

Lehrer in Ungarn müssen sich Parteilinie unterwerfen

Dieser Vorwurf klingt martialisch und wie aus einer vergangen gehofften Zeit, zitiert aber lediglich Lehrer, die ungarischen Medien über die Umsetzung der sogenannten Karrieremodelle in den Pflichtschulen berichten. Wer die Vereinbarung, die auch mit Gehaltseinbußen verbunden sein kann, nicht prompt und ohne Denkpause unterschreibt, wird entweder gefeuert oder amtlich gemobbt. Das Chaos in den Pflichtschulen dauert nun schon seit Jahresbeginn an, Staatssekretärin Rózsa Hoffmann sieht natürlich kein Problem.

Seit Schuljahresbeginn werden sämtliche Lehrer in die Direktorenzimmer beordert, um einer entsprechenden Vereinbarung mit dem KLIK, dem Klebelsberg-Institut, der zentralstaatlichen Schulverwaltungsbehörde zu unterzeichnen. Offiziell dient das Papier dazu, die angekündigten Gehaltserhöhungen durch eine entsprechende Einstufung in das Karrieremodell mit allfälligen Weiterbildungsplänen zu verküpfen.
Wir berichteten hier.

Rózsa Hoffmann, Staatssekretärin für die Pflichtschulen und Kindergärten

Doch viele Lehrer wundern sich, dass sie nun plötzlich weniger verdienen werden als bisher, anonym reichen Lehrer Beispielrechnungen an die Medien weiter, dabei handelt es sich um Einbußen von bis zu 25%, weil ihre Berufsjahre einfach gestrichen wurden oder sie nun plötzlich viel mehr Stunden für das gleiche Geld unterrichten müssen. Von dieser Basis dann sollen sie - so sie alle Anforderungen erfüllen - stufenweise ihre Gehaltserhöhungen erhalten, was natürlich mehr als ein Etikettenschwindel, ein glatter Betrug ist.

Aber es geht noch weiter: die Unterschrift unter das Papier bedeutet den automatischen Beitritt zur "Nationalen Lehrerfakultät", einer zentralstaatlich gegründeten und geführten Berufsorganisation, der alle Lehrkräfte und Kindergärtner angehören sollen und die die Rolle der Gewerkschaften übernehmen wird, sprich: sie ausschalten. Wer sich dann noch dem "Ethikkodex" einschl. medialen Schweigegelübde, dem nationalen Rahmenlehrplan samt seiner völkischen Verwerfungen unterordnet wird sozusagen offiziell zum Neulehrer gemacht.

Wer das nicht will, Zweifel und Fragen hat und die Herabstufung in der Gehaltsskala nicht hinnehmen mochte, hatte in vielen Fällen vor zwei herbeigerufenen Zeugen einen Wisch zu unterzeichnen, dass er die Unterschrift unter die KLIK-Vereinbarung verweigerte. Die Konsequenzen? Die Kündigung wegen eines nicht näher zu begründenen "Vertrauensverlustes" ist bisher die gängige und rechtlich mittlerweile unanfechtbare Standarvariante im öffentlichen Dienst.

Zurück in die Zukunft...

Viele Lehrer, das geht aus Schreiben an die Redaktionen hervor, fühlen sich verschaukelt, erpresst, gedemütigt. In den Schulen bekamen sie nicht mal die Zeit die Vereinbarung, die über ihre gesamte Karriere bestimmen wird, in Ruhe zu lesen und zu prüfen, sie sollten sie sofort unterschreiben, ein eigens angereister KLIK-Kommissar hatte es dabei immer sehr eilig. Eine Kindergätnerin wagte es sogar, eine Vorbehaltsanmerkung an den Rand der Vereinbarung zu schreiben, weil sie einen Sachverhalt erst noch überprüfen wollte. Mit einem Kopfschütteln sagte ihr Vorgesetzter, dass er nun noch einmal ein Exemplar besorgt, dass sie bitte "schön ordentlich unterschreibt, so wie es sein soll". Noch toller trieb es eine Direktorin an einer Grundschule, sie informierte die Lehrerschaft per Memo über die Existenz der neuen Vereinbarung und meldete dem KLIK sogleich Vollzug. Die Lehrer erfuhren: das Dokument ist auch ohne ihre Unterschrift gültig, denn wer dagegen ist, fliegt sowieso raus.

Eine andere Direktorin machte ebenfalls wenig Umstände, sie überreichte einer unterschriftsverweigernden Lehrerin umgehend die Kündigung. Sie könne da gar nichts machen, das sei eine "Anweisung von oben". Wie zu hören, gibt es bereits eine Dienstanweisung aus dem KLIK, die den Direktoren nahe legt, die Lehrer dahingehend zu informieren, dass, wer nicht unterschreibt "im nächsten Monat sein Gehalt nicht bekommt.". Das ist zwar illegal, aber das ist der Regierung sozusagen sch...egal.

Die Lehrer der Pflichtschulen kommen aus dem Chaos nicht mehr raus, das anhält, seit zum 1. Januar rund 3.000 ehedem kommunal geführte Schulen unter die KLIK-Zentralverwaltung gerieten. Zuständigkeitsfragen, Stunden- und Urlaubsplanungen, Dienstwege, Schulfinanzen, Schulspeisung, Lerhbuchbeschaffung etc., praktisch kein Bereich des schulischen Lebens wurde nicht über den Haufen geworfen. Auch die neue Vereinbarung, das Karrieremodell passt zu diesem Wust an Wollen ohne Können, es stiftet Unruhe, Missgunst, Angst, bringt aber keinerlei pädagogischen oder organistaorischen Mehrwert.

 

Die zuständige Staatssekretärin, Rózsa Hoffmann, die wegen Unfähigkeit bereits die Agenden der Hochschulbildung abgeben musste, sieht alles entspannt. Das KLIK und "das neue System" sorgt dafür, dass die "Pädagogen des Landes zuverlässige Unterstützung erhalten, ein sicheres Leben führen können und höhere Gehälter bekommen." käut sie die Parolen wider. Und diese Puszta-Margot (Honecker) glaubt offenbar wirklich daran. Hört man ihr länger und öfter zu, kommt viel Verachtung für die Bildung an sich und die Lehrerschaft im Speziellen hoch. Sie sagt, dass bei der Bewertung der Leistung von Lehrern hinfort nicht nur das Dienstalter zähle, man bekomme sein Geld nicht nur für das Ableisten einer bestimmten Stundenzahl. Das mag unter ziviliserten Umständen ein vernünftiger Ansatz sein, in Ungarn 2013 heißt die Übersetzung nur: unbedinger Gehorsam der Lehrerschaft unter die Agenda zur nationalen Umprogrammierung der Jugend.

Auf die chaotischen Umstände in ihrer Verwaltung angesprochen, entschlägt sich die Staatssekretärin aus der KDNP-Anhängselpartei, sie werde demnächst eine Aussendung machen, in der "häufig gestellte Fragen" beantwortet werden sollen: F.A.Q.

Mehr zur Bildungs- und Hochschulpolitik auf der Themenseite.

al.

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