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(c) Pester Lloyd / 39 - 2013   TOURISMUS 23.09.2013

 

G`schichten aus dem Wienerwald
Neue und alte Orte zum Hinfahren, Nachdenken und Genießen (Teil 3)

Teil 1 Teil 2 Teil 3

Kaiserlicher Totenkult, Neu-Museales und tenoraler Genießer

Wo bettet man sein müdes Haupt nach einem oder mehreren Tagen so vieler Kultureindrücke und Genussstunden? Die Wahl geht nach Gusto und Geldbeutel: In den Städtchen Baden, Laxenburg oder Klosterneuburg lassen sich Hotels oder Pensionen finden, von denen man aus abends zu Fuß noch in ein Weinlokal schlendern kann. Oder aber, man vergräbt sich tiefer in das grüne Refugium des Wienerwaldes, z.B. in das Seminar- und Eventhotel Krainerhütte im Helenental.

Inspirierende Erholungs- und Arbeitsatmosphäre im Wienerwald:
das Seminar- und Eventhotel Krainerhütte im Helenental
http://www.krainerhuette.at

Ja ganz richtig, dort wo „das (Operetten)-Weger`l für alte Ehepaare viel zu schmal“ ist wird geheiratet, geschult und entspannt. Die jungen Wirtsleute setzen die Tradition der Eltern fort in einem modernen Haus mit Küche der Entschleunigung, Weingenuss und einem Riesenpark, wo 25 gestaltete Stationen einladen, die Seele aufzufrischen. Dabei hilft Susanne Kindler mit mystischer Kräuterkunde und ein wenig Medizin-Frau-Timbre. Da hinein kann man sich sacken lassen oder eben weiterziehen.

Nicht weit von hier, auf dem Weg nach Heiligenkreuz, liegt Mayerling (Abb.). Gut geschulte Hofberichterstatter wissen, was hier geschah: 1889 erschoss Kronprinz Rudolf (Sisis Sohn und österreichischer Thronfolger, erst seine Geliebte, Baroness Mary Vetsera) und dann sich selbst im Jagdschloß. Eine menschliche Tragödie, die das Kaiserhaus traf und auf das es sofort knallhart reagierte. Die tote Mary wird in der Kutsche sitzend abtransportiert, Rudolfs Selbstmord als Unfall deklariert, Zeugen mit Geld für ihr Schweigen bezahlt und schließlich gleich das Anwesen abgerissen.

Heute findet der Besucher ein Kloster mit Nonnen in Klausur, die immer noch für Rudolf beten, und eine Kirche mit einer von Ungarn gestiftetet Seitenkapelle. Alles eingebettet in die grünen Hügel einer wunderbaren Landschaft. Die Führerin weiß zu berichten, dass Rudolf in der Wiener Kapuzinergruft bei seinen Eltern ruhen darf, Mary aber mindestens dreimal von Grabräubern in ihre Totenruhe gestört wurde. Einen lädierten Sarg kann man ausgestellt sehen.

In der Nähe des Stiftes Klosterneuburg bietet das Museum Essl in einem nicht zu übersehenden, zunächst unspektakulären Neubau eine tolle Aussicht zurück auf das barocke Stift. Das Museum Essl widmet sich allerdings heutigen Sichten von KünstlerInnen auf deren Weltverständnis. Die Eigentümer der BauMaxx-Kette, Agnes und Karlheinz Essl, trugen seit den siebziger Jahre selbst, oder mit mehr oder weniger sachkundiger Beratung, Werke der österreichischen und internationalen Gegenwartskunst zusammen, die sich sehen lassen kann. Mehr als 7.000 Gemälde, Grafiken, Skulpturen, Objekte oder Medienwerke befinden sich im Depot (2.500 qm), in das Kurator Günther Oberhollenzer mit Sachverstand ausnahmsweise schauen ließ. Gegenwärtig war die Ausstellung Tim Eitel (neue Leipziger Malschule) zu sehen, der in meist dunklen Farben Fotos verfremdet, deren deutbare Bildsprache auf eine entfremdete Gesellschaft verweist, wie z.B. bei seinem Gemälde „Aufstieg“, wo sich die Personen mehr und mehr entkleiden... Ostdeutsche oder DDR-Kunst sei eher weniger vertreten, wurde auf Nachfrage bedauernd festgestellt.

Nach der politischen Wende stehen osteuropäische Künstler im Fokus, ebenso asiatische Protagonisten. Bei der Schau Kurt Kocherscheidt dürften, wie bei vielen anderen Bildern abstrakter Kunst, die Museumspädagogik oder Fachkunde bei den Führungen Sinn machen. Der Rundgang im Museum offenbarte die nach innen interessante und vielgestalte Architektur des Essl-Baus (3.500 qm Ausstellungsfläche), dessen Architekt beim Ausbau des Berliner Bodemueums mitwirkte: Lichtkästen auf dem Dach, die Tageslicht in die Räume leiten. Hof-Einsichten auf Skulpturen und Rasenflächen. Kunstinteressierte werden von der Albertina in Wien zum Essl-Museum mit einem Bus-Schattel gebracht. Große Namen wie Neo Rauch und Rosa Lloyd, Kappa, Wolfgang Herzig, Baselitz, Richter, Fuchs, Alex Katz, Hermann Nietzsch, Vasarely oder Maria Lassnig sind vertreten, um nur einige zu nennen... Selbstredend fördert man hier nicht etablierte Künstler und solche die schon als Aufsteiger gelten können mit Förderpreisen, - der Zukunft verpflichtet.

www.essl.museum

Und weil im übervollen Kunstland Österreich Platz für viel Individualität ist, auch solcher, die sich nicht selbst fördern und darstellen kann, sind wir noch ins Art Brut-Center und Künstlerhaus Gugging gefahren. Am Ort der Entstehung dieser Kunst ursprünglich geistig behinderter, in psychiatrischer Betreuung wohnender Menschen ist deren individuelle Kunst anzuschauen, zu bestaunen in der Kraft der Reflexion von Außenwelt und Gefühlsreichtum. Art Brut bedeutet soviel wie „nicht gelehrte, durch etablierte Kunstvorstellungen beeinflusste Kunstfertigkeit“. Zum ausgestellten Fundus zählen das Zimmer von August Walla (Foto), die im Künstlerhaus sich ständig verändernden Wände mit Bemalungen, das Museum mit erstaunlichen Bildserien, das Atelier, wo auch junge Gegenwartskünstler arbeiten. Bernadett Lietzow und Nina Ansperger-Vogt verstehen es, einfühlsam in die Bildwelten einzuführen, Formenvielfalt und Ausdruckskraft als individuelle Schaffensresultate zu zeigen. Hier verwischen denn auch tatsächlich sogenannte Qualitätsunterschiede zu etablierter, insbesondere phantastischer, surrealer oder gar abstrakter Kunst. Besonders berührend sind die Fülle politischer, gesellschaftlicher und humoriger Elemente in den Exponaten der Schau.

www.gugging.at

Der gastronomische Höhepunkt fand dann aber in den Privatgefilden von Kammersänger Herwig Pecoraro und seiner sympathischen Frau Waltraut in Klosterneuburg statt. Der bodenständige Operntenor mit einer Weltkarriere hatte „das Glück des Tüchtigen“ wie er selbst zum Besten gab. Er konnte in Modena beim Gesangslehrer eines Luciano Pavarotti und einer Mirella Freni Gesang studieren, wo er seinen berühmten Kollegen Pavarotti persönlich kennenlernen konnte, der, bekannt als Pasta-Koch und genialer Esskünstler, ihn in die Sphären und Profiwelten des aceto balsamico einführte. Mit jedem ersungenen Schilling von Gastauftritten kaufte er sich die Fässchen mit alter balsamico-Patina vor Ort stückweise zusammen. Seine Frau mit Familie unterstützten ihn zu Hause. Er kaufte Haus und Nachbar-Grundstücke auf Kredit, kämpfte mit Unwissenheit von Lebensmittelbehörden für die Anerkennung seines Wunder-aceto bis dieser in einigen Feinkostläden anwesend sein wurde. Den darf man nämlich keinesfalls mit „Essig“ verwechseln.

Frau Pecoraro vertiefte sich in Abwesenheit ihres Sänger-Gatten in diese Kunst, und beide perfektionierten die Verfahren in ihrer Acetaia Pecoraro. Anschaulich demonstrierte sie uns, wie die hier verwandten Veltliner Moste oder auch ein feiner Apfel-Most aus biologischem Anbau durch genaues Erhitzen bei 80°C, dem Lagern in Holzfässer-Familien einer Reduktion über Verdunsten und Vertrocknen unterzogen werden, die dann die köstlichen Tropfen zum Ergebnis haben. Mit ihnen kocht es sich meisterlich. Pecoraro, der in einem ersten Beruf Konditor gelernt hatte, weiß mit seinen Produkten trefflich zu hantieren. Jeder Gang, jede Unterlage bringt den aceto zum klingen: Am Salat, als Soßen, als Aromaspur auf einem Apfelparfait oder zu zartem Rinderbraten. In wunderbarer Atmosphäre sparte der Maestro nicht mit Körpereinsatz.

Nur eine Arie von ihm gesungen, so meinte er, könnten wir an diesem Orte nicht bezahlen. Es ertönten dann doch einige Elton-John-Duette von der Konserve mit seinem Sohn, wo man die in der Höhe großatrig sicher geführte Tenor-Stimme des Künstlers hören konnte. Als besonderer Gast aus dem Stift Klosterneuburg, woher zunächst auch die Weine für den aceto balsamico kamen, war Pater Benno Anderlitschka anwesend, der kennerhaft Speisen und Getränken zusprach. Wie aufwendig, mit wie viel Herzblut man sein zweites Standbein im Leben aufbauen kann und wie genußvoll es nach einer Sängerkarriere weitergeht, wurde bildhaft und vollmundig demonstriert. Bravo, bravissimo – ottimo tenore e balsamico...!

www.pecorarobalsamico.at

Wenn man denkt, es gäbe hier in der Welt von Kultur und Genuss im Wienerwald keine Steigerung mehr, der irrt gewaltig. Hatten wir doch am nächsten Tage das zweite Wochende d.J. erwischt, an dem die Wiener und Hiesigen sozusagen Wandern-Verkosten-Genießen, was zwischen Mödling und Gumpoldskirchen die Weinberge und -gärten so hergeben. Auf ca. 20 km arbeite man sich von Winzer zu Winzer fort und probiert Most, Sturm (dt.:F ederweißer) und die verschiedene Weine, viele prämierte darunter, direkt vom Erzeuger. Dazu bietet jeder seine selbstgemachten Speisen an, Schinken, Kürbiskernaufstriche, Brot, süße Gebäcke. Das hält keiner 20 km durch! Mir hat Gumpoldskirchen als Städtchen gefallen. Bei schönem Wetter wurde zudem geheiratet was das Zeug hielt, in und um die Deutschordensburg, in und um die Kirche beim hübschen Schloss. Deshalb braucht man keine Sorge haben, dass das schöne Leben in Österreich nicht weiter ginge... Zur Nachahmung empfohlen!

www.thermenregion-wienerwald.at/genussmeile

Eveline Figura

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