THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 42 - 2013   POLITIK   18.10.2013

 

Gründerzeit und Kaffesudlesen

Noch eine Links-Partei in Ungarn - Umfragen sehen 2/3-Mehrheit des Fidesz kippen

Die Zersplitterung der linken Oppositionskräfte in Ungarn schreitet weiter voran. Am Donnerstag kündigte die ehemalige Parlamentspräsidentin Katalin Szili, damals MSZP, die Gründung einer "Partei der Gemeinschaft für Soziale Gerechtigkeit" an (KTI). Sie will die "Mutti" der Armen werden. - Aktuelle Umfragen bestätigen zwar die klare Führung des Regierungslagers, bei einem leichten Rückgang, die Unschärfen bei den Erhebungen der Politinstitute sind aber zu groß, um ein verlässliches Stimmungsbild zu bekommen.

Sieht so der Aufbruch in ein soziales Ungarn aus?
Eher wie das letzte Abendmahl, nur mit Maria statt Jesus. Und ohne Essen. Foto: MTI

Katalin Szili galt lange als parteiinterner Gegenspieler des damaligen Premiers Gyurcsány, seilte sich aber noch zu "Lebzeiten" der MSZP-SZDSZ-Koalition aus Fraktion und Partei ab, auch, nach dem ihre Niederlage gegen den Fidesz-Kandidaten um das Bürgermeisteramt in Pécs ihre parteiinterne Stellung schwächte. Szili war immerhin eine der Wenigen, die das Augenmerk ihrer Parteikollegen damals noch auf die eigentlich sozial-demokratischen Aufgaben lenken wollte und dem Parteichef zuweilen offen widersprach.

Partei für die "verarmten Massen", eine linke Mutti der Nation

Mit diesem Duktus tritt sie jetzt auch mit der KTI an, die eine Allianz aus elf Kleinstparteien und Bürgerrechtsgruppen darstellt. Man wolle, "denen eine Chance geben, die unter den bestehenden Parteien keine passende finden, einschließlich der fast 4 Millionen Armen im Lande, um die sich niemand kümmert." so Szili. Alle Parteien seien nur miteinander im Streit, dabei bleiben die Probleme der "verarmten Massen ungelöst". Sie wolle dazu eine Alternative auf "demokratischer und nationaler Basis" anbieten und zwar mit einem "anderen Stil, neuen Leuten, Glaubwürdigkeit, Gerechtigkeit und Solidarität." Das sagten so ziemlich alle bei ihren Neugründungen, Szili versucht sich mit einer Art Mutter-Nimbus ein Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten, in der Männerwelt der ungarischen Politik vielleicht eine kleine Chance. Das erste Ziel der KTI nach gerichtlicher Registrierung sei die Aufstelllung von bis zu 160 Kandidaten für die Wahlen 2014.

Links der Mitte wird die Lage unübersichtlich

Szilis Partei fragmentiert die demokratische Opposition, die sich derzeit mühsam um Allianzen durchringt, weiter. Die Lage wird immer unübersichtlicher: nach dem Machtverlust der MSZP spaltete sich von selbiger Ex-Premier Gyurcsány mit seiner DK ab. Es gründeten sich - neben den existierenden - weitere Kleinparteien wie SZEMA und 4K!. Von den Grünen, LMP, spaltete sich "Dialog für Ungarn ab" (PM), das wiederum der neuen Allianz "Gemeinsam 2014" (E2014) von Ex-Premier Bajnai beitrat, gemeinsam mit den Bürgerbewegungen Szolidaritás und Milla. Ex-SZDSZ-Chef Fodor formierte eine neue Liberale Partei, Ex-Finanzminister und Halb-MDFler Bokros eine angeblich "bürgerliche" Alternative. Von den letzten beiden hat man seit der Gründungspressekonferenz eigentlich nichts mehr gehört.

 

Nach jetzigem Stand werden MSZP und E2014 gemeinsame Direktkandidaten, aber getrennte Parteilisten aufstellen, LMP und 4K! wollen ebenfalls eine Wahlallianz bilden, die DK wird eigene Kandidaten stellen, Szilis KTI auch. Selbst wenn die letzten drei Bewerber zusammen nur einige wenige Prozent der Stimmen absorbieren sollten, könnten genau diese in vielen Wahlkreisen den Ausschlag für den Fidesz-Kandidaten geben, sollte es durch entsprechende Stimmung und Mobilisierung überhaupt knapp werden. Durch das veränderte Wahlrecht genügt in dem einen Wahlgang nämlich bereits die relative Mehrheit zum Erringen des Mandats. Nach jetzigem Umfragestand haben DK und LMP zudem kaum Chancen, die 5%-Hürde zu überspringen, auch für E2014/PM wird es eng, nach jetzigem Stand müssten sie als Parteienwahlbündnis nämlich 10% überspringen, ihnen werden bisher maximal 7% zugetraut, wobei die Umfragen durch den großen Anteil der Unentschlossenen nur sehr begrenzt aussagekräftig sind.

So sieht die Mandatsverteilung nach der aktuellen Projektion von Nezöpont aus. Damit wäre die 2/3-Mehrheit des Fidesz passé. Kann aber nächste Woche schon wieder alles anders sein.

Leichter Rückgang der Fidesz-Dominanz

Sowohl bei dem Institut Ipsos wie auch bei Nezöpont ergaben die Wahlumfragen in der ersten Oktoberwoche eine leichte "Schwäche" des Regierungslagers. Von den zur Wahl Entschlossenen mit einer klaren Parteipräferenz (Sonntagsfrage) entschieden sich danach 49% (Ipsos) bzw. 44% (Nezöpont) für das Regierungslager, während das MSZP/E2014/PM-Lager auf 33 bis 36% aufholen konnte, wobei allerdings die beiden kleinen MSZP-Partner um die Wahlhürde bangen müssten.

Die neonazistische Jobbik schwankt zwischen 7 und 11%, wobei die potentiellen Wähler dieser Partei sich erfahrungsgemäß auch bei anonymen Umfragen bedeckter halten, hier also am Wahltag immer mit "Überraschungen" zu rechnen ist. DK und LMP wären bei beiden Instituten raus, alle anderen spielen ohnehin keine messbare Rolle. Das Ipsos-Ergebnis genügte Fidesz übrigens für eine erneute 2/3-Mehrheit der Mandate, bei Nezöpont reicht es für eine sehr stabile Absolute.

Sehr unterschiedlich fallen die Angaben über das mögliche Verhalten der rund 42% bis 45% Unentschlossenen aus. Ispos meint, dass 44% in dieser Gruppe einen Regierungswechsel wünschen, während Nezöpont glaubt, herausgefunden zu haben, dass zwei Drittel der Unentschlossenen die Regierung lieber behalten wollen. Ja, was denn nun? Diese Angaben sind derart entgegengesetzt, dass sich eine tiefere Interpretation verbietet.

Rund ein Viertel der Wahlberechtigten werden von beiden Instituten als "politisch vollständig passiv" bezeichnet, es geht also um die Mobilisierung und Verteilung der Stimmen von 20-25 Prozentpunkten aus dem Lager der Unentschiedenen, die die Wahl entscheiden können.

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red. / m.s.

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