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(c) Pester Lloyd / 44 - 2013   POLITIK   31.10.2013

 

Erst Freispruch, dann Verurteilung

Opposition in Ungarn vermutet Politjustiz gegen Ex-MSZP-Bürgermeister

Das Budapester Berufungsgericht hat gestern Gyula Molnár, für die MSZP bis 2010 Bezirksbürgermeister des XI. Bezirkes von Budapest, wegen Amtsmissbrauchs zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Die erste Instanz sprach Molnár und die Mitangeklagten jedoch frei. Die Opposition spricht nun von “Schandurteil” und politisch motivierter Rechtsbeugung. Doch eindeutig ist der Fall in keine Richtung.

Molnárs damaliger SZDSZ-Stellvertreter, Imre Lakos (auf dem Foto rechts neben Molnár), fasste sechs Monate, ausgesetzt auf eine Bewährungsfrist auf, Molnár selbst muss acht Monate absitzen. Das Gericht folgte damit dem Berufungsantrag der Staatsanwaltschaft, die den erstinstanzlichen Freispruch nicht akzeptierte. Das Berufungsgericht erkannte nun, bei gleicher Beweismittellage, auf Amtsmissbrauch und verhängte neben den Haftstrafen auch eine Geldstrafe in Höhe von mehreren Millionen Forint (1 Mio. HUF = 3.500 EUR) sowie das Verbot der Ausübung von öffentlichen Ämtern für die kommenden zwei Jahre.

Beide werden dafür verantwortlich gemacht, 2006 ein bezirkseigenes Grundstück ohne öffentliche Ausschreibung an ein Privatunternehmen verkauft zu haben, weswegen dem Bezirk möglicherweise höhere Einnahmen verwehrt wurden. Solche Modelle waren (und sind) die übliche Vorgehensweise, um mit Verkäufen unter Wert an "befreundete" Unternehmen, Geschäfte auf Kosten der Kommune zu machen. Derartige Vorgänge, die unter den sozial-liberalen Vorgängerregierungen praktisch an der Tagesordnung waren, wurden bereits in etlichen Verfahren aufgearbeitet und abgeurteilt. Der prominenteste hier
http://www.pesterlloyd.net/html/1341hunvaldrechtskraeftig.html

Hier liegt die Sache jedoch etwas anders, denn beiden Angeklagten konnte keine Verbindung bzw. ein Nahverhältnis zu der Firma nachgewiesen werden, die das Grundstück erwarb, dessen Schätz-Wert auch unter der Schwelle lag, für die öffentliche Ausschreibungen verbindlich notwendig werden. Beide Angeklagten erklärten daher, dass sie im Einklang mit den damaligen Gesetzen gehandelt hätten und weder Schaden für den Bezirk entstanden sei, noch sie sich persönlich bereichert hätten. Das hat die erste Instanz auch so festgestellt. Sie werden daher das Urteil dese Berufungsgerichts beeinspruchen, was bedeutet, dass die "Kurie", also der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hat.

 

Der Fall ist auch daher sensibel, da Molnár - im Unterschied zu den meisten anderen Delinquenten - heute noch in der MSZP und in gewählter Funktion ist, derzeit Vizefraktionschef der Sozialisten im Budapester Stadtrat. Die MSZP wundert sich denn auch über den richterlichen Sinneswandel, es habe schon einen Beigeschmack, wenn ein Gericht zunächst einen klaren Freispruch formuliert, ein anderes plötzlich "klare Beweise" erkennen will. Man sei daher "neugierig" auf das endgültige Urteil der Kurie. Die MSZP-Abspaltung DK von Ex-Premier Gyurcsány kommentierte den Vorgang noch direkter sprach von einerm "Schandurteil", das für "Demokraten inakzeptabel" sei. Der jetzige Bürgermeister des XI., Tamás Hoffmann, Fidesz, schien sich über das Urteil zu freuen, denn "es scheint jetzt belegt", dass die "Sozis bis zum Kinn in Korruption" standen und dem Bezirk geschadet hätten. Wie "vorbildlich" sich seine Bezirkskollegen u.a. aufführen, können SIe hier nachlesen http://www.pesterlloyd.net/html/1339mr20prozent.html

Während viele andere Urteile und Verfahren gegen ehemalige Funktionsträger der MSZP/SZDSZ-Koalition widerspruchslos hingenommen werden, auch weil die Beweislage klar ist, sind in weiteren Fälle Verdachtsmomente für eine Politjustiz der Fidesz-Administration zu erkennen. Konkret sorgt der Fall des ehemaligen Vize-OB von Budapest, Miklós Hagyó, damals MSZP, für Aufregung, der bereits Unterstützung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bekam und bei dem es einige Unklarheiten hinsichtlich der rechtsstaatlichen Durchführung gibt (überlange U-Haft, übertriebene Haftbedingungen, Delegation des Falles an einen Fidesz-nahen Richter etc.), Zweifel an seiner grundsätzlichen Verwicklung in Milliarden-Forint-schwere Korruptionsskandale gibt es hingegen kaum. Hier mehr: http://www.pesterlloyd.net/html/1225hagyoprozess.html

red.

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