THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 49 - 2013   NACHRICHTEN   03.12.2013

 

Mein Name ist Bond, Baby Bond

Aktuelle Parlaments- und Regierungsbeschlüsse in Ungarn

Vergünstigte "Babyanleihen" werden Geburtenrate steigern - Nur umweltfreundliche Gruppentransporte zum Wahllokal erlaubt  - Gesetzlicher Mindestlohn 2014 auf sensationelle 0,92 EUR netto pro Stunde erhöht - Verfassungsrichter bleiben auch mit 100 Jahren im Amt - EU-Ausländer dürfen maximal 1 Hektar Land erwerben - MOL erkämpfte sich 120 Mio. EUR Steuergelder gegen die EU zurück.

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"Babyanleihen" sollen Geburtenrate steigern - (und das Geld der Bürger 18 Jahre an den Staat binden)

Die "Babyanleihe" ist die neueste Maßnahme der Regierung Orbán, einen Babyboom auszulösen und den demographischen Untergang des Magyarentums aufzuhalten. Wir berichteten bereits über Schuldenbefreiung für studentische Dreifach-Eltern, staatliche Kuppelei in subventionierten "Tanzhäusern" sowie weitere Maßnahmen und moralische Appelle, aber auch die Androhung von indirekten Geldstrafen für Kinderlose, z.B. durch gekürzte Renten. Eine Zusammenfassung hier in: Verhütungsmittel FIDESZ. Ein Fidesz-Politiker will mit mehr Babys auch gleich noch das Problem häuslicher Gewalt eindämmen, denn mehr Kinder bedeuten “mehr Respekt für die Mütter”, wobei sich “das Gewaltproblem dann von allein erledigt.”

Nun aber wird alles noch besser: die nochmals aufgepeppten Baby-Bonds können von jungen Eltern gezeichnet werden, der Staat gibt beim Start eine "Wurfprämie" von 42.500 Forint (140 EUR) dazu und Wirtschaftsminister Varga, der mit seinem eigenen Baby zur Pressekonferenz anrückte (ebenso sein Staatssekretär, Foto: MTI, historische Bebilderung Caravaggio und Sergej Tichonow), erläuterte, dass, wenn die Eltern monatlich nur 1.000 Forint (also 3,30 EUR) einzahlten, das Kind, Dank besonders guter Verzinsung und Inflationsausgleichen sowie weiteren steuerlichen Vorteilen für die Eltern, zu seinem 19. Geburtstag bereits 600.000 Forint (1980.- EUR) zur Verfügung haben wird. Zahlen die Eltern 5.000 HUF monatlich ein, können es schon 2,5 Mio. HUF sein. Das sind heute 8.500 EUR, doch schon in fünf Jahren wird es ein Viertel, dann ein Fünftel und irgendwann sogar ein Achtel davon sein!

Ganz so uneigennützig wie dargestellt, stiftet Vater Staat aber dann doch nicht, denn die Zinsen-, Inflationsanpassungen und zusätzlichen Steuererleichterungen gibt es nur, wenn die Eltern die gesamte Laufzeit über durchhalten, ein vorzeitiger Abbruch (des Fondsparens) führt zum Verlust der Benefite. Wie schon durch die Niedrigzinspolitik, die kurzfristige Staatsanleihen zu 3% Zinsen plötzlich attraktiver machen als Bankeinlagen, versucht der Staat auch auf diese Weise Gelder seiner Bürger für den eigenen Schuldendienst zu binden, bei den Babybonds geht es speziell darum, die für das Wahljahr zugesagten zusätzlichen Steuerfreibeträge für Familien, mit Kindern, die man sich eigentlich nicht leisten kann, möglichst wieder hereinzuholen, durch die vergünstigte Anlageform also zu verhindern, dass das Geld "verschwindet". Hier geht es immerhin um 70 Milliarden Forint extra.

Um noch mehr Eltern von den Baby-Anleihen zu überzeugen, hat man den Verwaltungsaufwand gesenkt, es genügt nun angeblich ein einziger Gang zur örtlichen ÁKK-Dienststelle, außerdem wurden die Bezugsbedingungen - sowohl für die Anleihe als auch für die neuen Familienfreibeträge auf Mütter, die nach dem 1. Geburtstag ihres Kinders wie Vollzeit (!) arbeiten erweitert, ebenso auf Studentinnen-Mütter, die nur den Mindestlohn beziehen, der Freibetrag kann außerdem mit jedem weiteren Kind potenziert werden, was bisher nicht möglich war.

 

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Zum “Friedensmarsch” sind Bustransporte erlaubt, zum Wahllokal nicht.

Wahlkampfordnung: Gruppentransporte zum Wahllokal ja, aber nicht mit dem Bus, Wahlwerbezeiten im TV festgeschrieben

Der in der neuen Wahlkampfordnung aufgehobene, verpflichtende "Wahlfrieden" 24 Stunden vor und während des Wahltages, wird im Hinblick auf den organsierten Gruppentransport von Wahlberechtigten revidiert, wird also möglich. Allerdings bleibt der Transport in Bussen verboten. (Mit Jeeps oder Eisenbahnen jedoch nicht, was eine Einsatzmöglichkeit der gerade restaurierten Orbánschen Schmalspurbahn in Felcsút darstellt.) Sowohl bei den kürzlich gehaltenen Zwischenwahlen in Baja wie in Fót kam es darüber zu Beschwerden bei der Wahlkommission - über beide politische Lager - die zu einer Wiederholung der Wahl führten.

Festgelegt wurden außerdem die Sendezeiten und Austrahlmodi für Wahlwerbespots im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Danach müssen sich alle Parteien, die mit einer Landesliste bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2014 antreten werden, 470 Minuten pro Sender (MTV. Duna TV und Magyar Rádió) paritätisch teilen, gesendet wird dreimal am Tag in Blöcken von 6-8, 12-14 und 18-20 Minuten, in denen jeweils jede Partei ins Bild kommen soll, um Ungerechtigkeiten bei den Ausstrahlungszeiten zu vermeiden. Entsprechend wird auch die Reihenfolge der Werbespots geändert. Für die Europawahlen und die im Herbst anstehenden Kommunalwahlen stehen den Parteien zusammen je 5 Stunden Sendezeit im Staatsfunk zu, also mehr als zu den nationalen Wahlen. Vertreter nationaler Minderheiten, die zur Wahl antreten, können sich weitere 140 Minuten Sendezeit teilen. Bereits im September wurde nach EU-Kritik beschlossen, das ursprünglich verhängte Verbot von Wahlwerbung in privaten TV- und Radiosendern zu kippen. Dies ist nun wieder erlaubt, kostenfrei und ebenfalls zeitparitätisch. Der Versuch, Wahlwerbung auf Internetportalen zu verbieten, ging im allgemeinen Gelächter der Internetgemeinde unter.

Mehr zu neuen Wahlkampfregeln und Streitpunkten im neuen Wahlrecht:
Betreutes Wählen: Sind in Ungarn noch freie Wahlen möglich?
Wahlverbot für Personen mit mangelnder "notwendiger Einsichtsfähigkeit" geplant
Grundrechtsbeauftrager verhindert Verfassungsprüfung zum Wahlrecht für im Ausland
Neue Wahlarithmetik: 42% sind ab nächstem Jahr zwei Drittel
Angst vor Wahlbetrug: Opposition setzt 2014 eigene Wahlkommission ein

THEMENSEITE WAHLEN UNGARN 2014

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Virtuelle Lohnerhöhung: gesetzlicher Mindestlohn wird 2014 angehoben

Der gesetzliche Mindestlohn wird ab 2014 um 3,57% und damit ca. 1,5% über der offiziellen Teuerungsrate angehoben. Für ungelernte Tätigkeiten gilt dann ein Mindestlohn von 101.500 (334 EUR, HUF/EUR bei 303,33, Dienstag, 9:10 Uhr), bisher 98.000 Forint brutto, monatlich. Für qualifizierte Arbeiter und Angestellte gibt es 118.000 HUF, statt bisher 114.000.

Held der Arbeit. Orden aus Zeiten, da man sich aus Überzeugung nicht aus Gier anstrengte. Vielleicht kommen sie bald wieder, diese Zeiten und die Orden...

Durch die Einführung der Flat tax von 16% entfielen die Steuerfreibeträge für Geringverdiener (außer Familien mit Kindern), abzüglich auch der Sozialversicherungsabgaben erhalten Mindestlohnempfänger netto monatlich ab 2014 etwa 67.000 Forint (220.- EUR), ca. 12.-15.000 weniger als unter der alten Regierung oder - umgerechnet auf einen Vollzeitjob: 92 Cents pro Stunde. Die 20% Bestverdiener konnten sich hingegen seit 2010 jährlich über rund 40% Mehreinkommen freuen. - Aufgrund der ebenfalls gestiegenen arbeitgeberseitigen Abgaben, werden viele Menschen nur noch auf Mindestlohn-Teilzeitbasis eingestellt, die Anstellung auf Mindestlohn + "der Rest schwarz" ist in Ungarn weit verbreitet, mit allen seinen Nachteilen für die Sozialkassen und die Absicherung der Angestellten. Die Anhebung eines Mindestlohnes, von dem niemand das Minimum bestreiten kann, ist also eher ein symbolischer Akt und der Versuch die Schwarzarbeit wenigstens einzudämmen.

Reallohn und Realität: Neue Zahlen zum Einkommen in Ungarn
Versteuert: Wahlkampf-Debatte um Reparatur des "gescheiterten" Steuersystems

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Dass diese Truppe in ihrer Freizeit als “Die echten Don(au)kosaken” durch Europa tingelt, um ihr Salär aufzubessern, ist wieder nur ein Gerücht bösartiger “liberaler” Volksfeinde.

Verfassungsrichter in Ungarn dürfen auch mit 100 Jahren im Amt bleiben

Das kürzlich verhängte Gesetz über den verpflichtenden Ruhestand von Verfassungsrichtern, die das 70. Lebensjahr vollenden, wurde am Montag gekippt. Bisher waren Verfassungsrichter für 12 Jahre berufen worden, schieden aber automatisch mit 70 aus. Das neue Gesetz hebt diese Regelung, wie z.B. auch in den USA auf, wird aber bereits auch auf die bereits im Amt befindlichen Richter, also rückwirkend angewendet. Wer schon 70 ist, kann jedoch nicht mehr zum Verfassungsrichter ernannt werden.

Die Opposition ortet in dieser juristisch und strukturell als unnötig anzusehenden Maßnahme den Versuch, den Einfluss der mittlerweile 5 (von 11) durch die Fidesz-Regierung bestimmten Richter weit über mögliche Regierungsperioden auszudehnen. Bei Richtern der normalen Gerichte befleißigte sich die Regierung des umgekehrten Ansatzes und senkte hier das Zwangspensionierungsalters auf 62, um so schnell wie möglich so viel wie möglich "neue" Richter einsetzen zu können. Auf EU-Druck nahm man die Regelung dann zwar zurück, stufte die zurückkehrenden Richter, die sich nicht mit einer Abfindung draußen halten ließen, in niedere Tätigkeiten ein und erreichte auch so sein Ziel, hunderte Richter wurden, nach einem entsprechenden Auswahlverfahren der fidesztrreu gemachten Richterkammer, auf diese Weise ausgetautscht. (
siehe Fall 3 in diesem Beitrag)

Mehr zum Thema:
Verfassungsgeriatrie: Altersgrenze für Verfassungsrichter in Ungarn wird gekippt
http://www.pesterlloyd.net/html/1345vfgderaltensaecke.html

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Nachbesserungen am Bodengesetz: EU-Ausländer können sich ab 2014 in Ungarn 1 Hektar Land kaufen

Die übliche legislative Gangart der Orbán-Regierung sieht vor, durch gestzliche Schnellschüsse zunächst die politischen Grundforderungen in den Boden des Gesetzes zu rammen, um danach mit allerlei Gesetzesanpassungen das Handling einzustellen. So auch beim kürzlich verabschiedeten Bodengesetz, das zwar die "Entwicklung des ländlichen Raumes" und die "Förderung des ungarischen Landmannes" formuliert, aber im wesentlichen zwei Ziele beinhaltet: die Verhinderung der Veräußerung von Agrarflächen an Ausländer, auch über die letzte von der EU akzetpierte Deadline (Mai 2014) hinaus sowie die intransparente Verpachtung staatliche Flächen über den Nationalen Bodenfonds an regierungsnahe Kreise, allgemein bekannt unter
Fidesz-Landnahme. (unsere Abb. zeigt ein Historiengemälde mit dem Titel “Landnahme” von Mihály Munkácsy).

Um mit der EU nicht sofort in einen Frontalkonflikt zu steuern, gesteht man EU-Ausländern ab Mai das Recht auf den Erwerb von Flächen zu, begrenzt sie allerdings auf 1 Hektar pro Person. Größere Flächen dürfen dann nur an EU-Ausländer gehen, die wenigstens drei Jahre aktiv in Ungarn in der Landwirtschaft tätig waren bzw. sind oder mindestens 25% an einer Landwirtschaftskooperative halten sowie die berufliche Qualifikation (also Agar- oder Forstwirtschaft, Tierhaltung etc.) vorweisen können. So ähnlich sah schon die bisherige Qualifizierungsregelung aus, allerdings stellte sich heraus, dass die zuständigen Zulassungskommission diese immer restriktiver handhabten, so dass es seit 2010 darüber kaum noch Neuberechtigte gab. Die jetzige Regelung benachteiligt EU-Ausländer also weiterhin, womit die Kommission weiterhin Arbeit bekommt. Die Regierung versprach bereits, dafür zu sorgen, dass Ausländer auch nach 2014 sich "niemals ungarische Erde" aneignen dürfen.

Zusätzlich wurde die maximale vom Nationalen Bodenfonds für Einzelpersonen oder -unternehmen zu verpachtende Landfläche für Saatgutproduzenten und Nutztierhalter von 1.200 auf 1.800 Hektar angehoben (die Flächen, die sich Orbán und der Felcsút-Bürgermeister Mészáros ergattert haben, werden z.B. - zumindest offiziell - dafür genutzt), für normale Landwirtschaft liegt die Obergrenze bei 400 Hektar, wurde aber bereits mehrfach in den "völlig korrekten" (Chef des Bodenfonds) Ausschreibungen überschritten.

Das neue Bodengesetz Gesetz enthält u.a. schwammigste Interpretationen des Themas "Taschenverträgte", die u.a. dazu führen, dass Richter künftig genötigt sind, auf Zuruf eines Staatsanwaltes Enteignungen vorzunehmen und zu legalisieren, ohne eine materielle Prüfung vornehmen zu können (dafür sind dann andere Gerichte zuständig). Mehr dazu hier.

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MOL erhält 120 Mio. EUR Staatsbeihilfe zurückgezahlt

Die Regierung zahlt dem Energiekonzern umgerechnet knapp 120 Mio. EUR Staatshilfen zurück, die MOL 2010, nach einem EU-Kommissionsbescheid als "ungerechtfertigte Subventionen" an den Staatshaushalt zurückzahlen musste. Der Europäische Gerichtshof überstimmte die Kommission kürzlich und konnte keine maßgeblichen Wettbewerbsvorteile erkennen, die die MOL durch diese Zahlung (2005) gegenüber Mitbewerbern erlangt hätte. Damals seien praktisch alle sich um Grabungs- bzw. Bohrlizenzen bewerbenden Unternehmen zum Zuge gekommen.

Seit 2011 ist der ungarische Staat wieder mit rund 25% an der MOL beteiligt. Derzeit schlägt sich das Unternehmen mit seiner scheiternden Beteiligung an der kroatischen INA herum, der MOL-Vorstandschef wird per Interpol-Haftbefehl gesucht. Dazu hier mehr.

Da der Vergabezweck der damaligen Subvention mittlerweile “verjährt” ist, böte sich ein freiwilliger Verzicht der MOL auf diese andernorts dringend benötigten Steuermittel oder eine karitative Umwidmung an. Davon ist allerdings nichts zu hören gewesen.

red.

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