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(c) Pester Lloyd / 50 - 2013 POLITIK 10.12.2013

 

Zirkusdirektor mit Peitsche

"Unnötige Debatten": Parlamentspräsident in Ungarn will Parlamentsrechte weiter beschneiden

Mit der Ankündigung neuer "Hausregeln" nach den kommenden Parlamentswahlen, hat Parlamentspräsident László Kövér, Fidesz, ein weiteres Mal Zeugnis über seine Verachtung des Parlamentarismus abgelegt. Er werde durch eine neue Hausordnung dafür sorgen, dass "weniger Zeit für unnötige Diskussionen verschwendet" wird. Was wichtig und nötig ist, will der Herr Präsident selbst entscheiden.

Er wolle dafür sorgen, dass die "Wähler das nächste Parlament nicht mehr als einen Flohzirkus wahrnehmen". "Äußerungen und irreguläres Verhalten" hätten das Ansehen des Hauses in den letzten dreieinhalb Jahren "am tiefsten Punkt seit der politischen Wende vor 25 Jahren" ankommen lassen. An anderer Stelle meinte Kövér bereits, dass das Parlament "zu viele Gesetze" verabschiede und damit "die Regierungsarbeit behindert". Er plädiere dafür, dass mehr mit "Dekreten" regiert wird, anstatt "jede Kleinigkeit in Gesetzen" zu verankern.

Das kommende Parlament, das nur noch 199 statt 386 Abgeordnete haben wird, soll sich nach Kövérs Vorstellungen nur noch "einmal alle drei Wochen" treffen, anstatt, wie bisher jede Woche (zumindest in den Sitzungsperioden). Die Mandatare könnten so "eine Woche in ihrem Wahlkreis, eine Woche in ihren Parlamentsausschüssen und eine Woche im Plenum" tätig sein, denn die geringere Zahl der Abgeordneten bedeutete auch doppelt so große Wahlbezirke, mithin doppelt so viel Arbeit.

Beschlossen werden sollen die neuen Regeln im Februar, die Opposition, hier die grün-liberale LMP, bezeichnen die bisher bekannten Vorschläge als ungeeignet, die notwendige Transparenz der Arbeit zu gewährleisten. Es sei, im Gegenteil, dann leichter möglich, dass "wirtschaftliche Interessensgruppen" "Manipulationen" an Gesetzgebungsverfahren vornehmen könnten, so LMP-Chef András Schiffer. Denn, so Schiffer, was Kövér vorlegt, erleichtert nicht die Arbeit der Parlamentarier, sondern macht sie praktisch unmöglich.

Als Beispiel nannte Schiffer die Bestimmung, nach der die einfache Mehrheit jedes Gesetzgebungsverfahren als "dringlich" einstufen darf, um so Redezeiten zu verkürzen und Abstimmungen binnen einer Sitzung herbeizuführen. Auch sei es ein Unding, Last-Minute-Gesetzesänderungen bis eine Stunde vor Sitzungsbeginn einreichen zu dürfen. Schiffer fordert, dass alles was mit Kardinalsgesetzen (mit 2/3-Mehrheit besicherte Folgegesetze der Verfassung), Strafgesetzänderungen, Steuer- und Haushaltsgesetze immer ausführlich zu debattieren sind.

Die Geschäftsordnung des Parlamentes wurde unter der Fidesz-Regierung bereits mehrfach geändert, wobei die Minderheitenrechte immer weiter eingeschränkt worden sind. Kövérs Einschätzung von einem Zirkus trifft zu, denn das Parlament ist - abseits der lauten und oft primitiv geführten Debatten - zu einer reinen Abstimmungsmaschine verkommen (siehe: ein Tag im Parlament). Kövérs neue Hausregeln sind also nur die konsequente Umsetzung des Demokratiebildes der Regierungspartei in der parlametnarischen Praxis.

 

Kövér macht außerdem reichlich einseitig Gebrauch von einem Bußgeldsystem für unbotmäßiges Verhalten. Während verbale Ausfälle von Regierungsabgeordneten "überhört" oder höchstens mit Ermahnungen gehandet werden, wurden linke wie rechte Oppositionelle für Zwischenrufe, Plakataktionen u.ä. bereits mehrfach mit der Höchststrafe (rund 500.- EUR) belegt. Auch der Sitzungsausschluss, sogar ein temporäres Hausverbot liegen in seiner Vollmacht. Kövér untersteht seit einigen Monaten auch eine 400köpfige, bewaffnete Parlamentsgarde, die auf seinen Befehl hin, Abgeordnete notfalls auch unter Gewaltanwendung des Saales verweisen kann.

Lászlo Kövér, Gründungsmitglied des Fidesz und enger Vertrauter von Premier Orbán, leitet übrigens auch den Wahlkampf für die Regierungspartei, fiel bereits mehrfach durch revanchistische Injurien, z.B. gegenüber der Slowakei auf und wurde, aufgrund der öffentlichen Ehrung eines ehemaligen Pfeilkreuzler-Politikers und Blut-und-Boden-Schriftstellers in Rumänien vom israelischen Parlament zur Persona non grata erklärt.

red/ms.

 

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