THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 06 - 2014   WIRTSCHAFT 03.02.2014

 

Alter Wein für neue Könige

Ungarische Regierung pumpt Milliarden in "ihre" Tokajer Weinberge. Orbán: Nichts wird uns aufhalten!

Zuerst schanzen sich die Fidesz-Kumpels großflächig Land und öffentliche Aufträge zu, um sich eine stabile finanzielle Basis zu schaffen. Dann wurden treue Parteisoldaten für ihre legislative Blindheit mit Tabakhandelslizenzen abgefunden und die großen Herren bauen sich gigantische Fußballstadien mit entsprechender Peripherie. Nun schenken sie ihren Damen, damit die auch ein Hobby pflegen können und weit genug weg sind, Weinberge im Tokaj mit feudalem "Investitionskapital" obendrauf. Alles läuft wie geschmiert in Kleptorbánien...

Na dann, Prosit.

"Höhere Lebensqualität" durch mehr Zwangsarbeit,
finanziert an Lázárs EU-Resterampe

Wie aus einer Mitteilung der Nationalen Entwicklungsbehörde NFÜ, die im August 2013 direkt dem Leiter des Amtes des Ministerpräsidenten, János Lázár unterstellt wurde und für die Vergabe der EU-Milliarden zuständig ist, hervorgeht, plant die Regierung die ausschreibungsfreie Vergabe von "Restbeträgen" aus der abgelaufenen EU-Budgetperiode an die Kommunen der Weinregion Tokaj. Dabei handelt es sich um eine Summe von 100 Milliarden Forint, umgerechnet rund 300 Mio. EUR.

Lázár erklärte auf einer Regionalversammlung des Komitates Borsod-Abaúj-Zemplén, in dem die berühmte, historische Weinregion Tokaj gelegen ist, dass 27 Kommunen mit jeweils mindestens rund 6 Mio. EUR in diesem Jahr rechnen dürfen. Die Vergabe erfolgt unter dem Label des "einvernehmlichen Beschlusses unter der Ägide des Premierminister". Kein Witz. Diesen Wortsalat verkaufte Lázár den Anwesenden tatsächlich als gültigen Verwaltungsrechtstitel. Zunächst werden jedoch im Februar ca. 15 Mio. EUR für "Infrastrukturmaßnahmen" überwiesen. Lázár sagte aber nicht, wohin.

In der zweiten Phase sollen dann die Beträge an die Einzelkommunen gehen, die Gelder sind, so Lázár, aus den für die Tourismusentwicklung gedachten EU-Fonds übrig geblieben, wurden aber schonmal pauschal abgerufen (also offenbar an Fake-Projekte gekoppelt und dann später "umgeschichte"). Als finanzierungswürdige Projekte nannte er: die Schaffung von Arbeitsplätzen, den Schutz historischer Monumente, die Entwicklung ländlicher Gemeinschaften, die Schaffung neuer Projekte der verufenen "Kommunalen Beschäftigungsprogramme". Das Ziel: "eine signifikante Erhöhung der Lebensqualität in der Region".

Weingut im Tokaj? Da war doch mal was...

Auch das staatliche Weingut Tokaj Kereskedöház Zrt. (von dem seit 2005 bekannt ist, dass die “Familie” Orbán dort Interessen pflegt) kann vermutlich mit ca. 7-10 Mrd. Forint Beihilfen rechnen. Inwiefern sich das mit dem EU-Verbot der wettbewerbsverzerrenden Beihilfen verträgt, sagt Lázár nicht. Die übliche Phrase lautet: dass wir uns von den Brüsseler Bürokraten nicht vorschreiben lassen, wie wir unser Land entwickeln. Nur finanzieren lässt man sich den Spaß eben aus Brüssel. Lázár kündigte an, dass weitere Finanzpsritzen, speziell für "kleine und mittelständische" Betriebe der Region, sprich für Weingüter, in der 2. Hälfte 2014 fließen sollen.

So wertvoll die Kultur- und Weinregion Tokaj (Der Wein der Könige - der König der Weine) selbst und so wichtig ihre Entwicklung ist, muss man dazu etwas wissen: neben sehr engagierten und professionellen Privatwinzern, dem Staatsbetrieb und einigen großen Playern (Versicherungsgesellschaften, Banken), gehören immer mehr Weinberge des Tokaj Familien und Unternehmen aus dem Fidesz- und Regierungsumfeld. Auch die Frau des Ministerpräsidenten besitzt (offiziell besaß..., naja) hier ein Weingut. Die Umstände des Erwerbs und des Ausbaus sorgten bereits während der ersten Orbán-Regierung vor 14 Jahren für viele Schlagzeilen und einen schalen Beigeschmack.

Alles läuft wie geschmiert in Kleptorbánien

 

Es ist daher kein Wunder, dass die großzügigen Zuwendungen aus EU-Mitteln Fragen aufwerfen. Tenor in den unabhängigen Medien (in den Regierungsmedien kommen nur die Sünden der Vorgänger zum Tragen, die sich mittlerweile wie Kleinbubenstreiche ausnehmen): zuerst schanzt man sich bei der Regierungspartei großflächig Land (allein Lázár "besorgte" kürzlich seiner "Familie" erst wieder 1.300 ha Staatsland) und öffentliche (meist EU-finanzierte) Aufträge zu, um sich eine ökonomische Basis zu schaffen.

Während die einfachen Parteisoldaten, die den Raubzug im Parlament durch entsprechende Gesetze legalisieren, mit Tabakhandelslizenzen samt Gewinngarantie abgefunden werden, bauen sich die großen Herren gigantische Fußballstadien samt opulenter Peripherie (mehr dazu) - und damit die Damen auch ein Hobby bekommen, aber nicht gar so nahe an den Lustzentren der neuen Könige sein müssen, schenkt man ihnen Weinberge mit dem notwendigen "Investitionskapital" darauf. Zu allem Überflüss darf die Armada der Sozialhilfeempfänger dann noch die Straßen fegen, während ein (wegen anderer Gründe ehemaliger) Fidesz-Staatssekretär sogar schon Häftlinge in seinem Weinberg schuften ließ.

Rechts das Anwesen der Familie Orbán in Felcsút, dahinter - in Wurfweite - die Baustelle des neuen Stadions der Puskás Fußballakademie, einer Stiftung der Familie: Orbán...

Orbán: Kritik ist nur eine "dumme Angewohnheit"

Alter Wein in neuen Schläuchen für neureiche Könige im neuen Reich "Kleptorbánien"? Oder alles nur Übertreibung, Oppositionspropaganda? Orbán selbst macht sich nicht einmal mehr die Mühe seinen Beutezug zu kaschieren oder gar zu leugnen. Am Samstag trat er im nigelnagelneuen Gemeindezentrum in seinem Heimat- und Wohnort Felcsút auf und schwadronierte darüber, wie er "das Land aufbaut", "was immer die Kritiker auch sagen mögen", selbst "wenn sie uns angreifen", wir werden "Felcsút und den Rest Ungarns (!, Anm.) weiter entwickeln." Die Kritik an "Dingen, die in Felcsút passieren" nannte er eine "dumme Angewohnheit der Opposition", die "sowieso zu nichts führen wird.".

Wie Orbán und sein Freund, der Bürgermeister Mészáros, gemeinsam Felcsút "aufbauen",
dazu hier mehr Infos. Inzwischen kamen noch ein Hotel, eine Schule (mit 500 Mio. HUF Direktförderung aus dem Ministerium), eine Schmalspureisenbahn, ein Herrenhaus, eine Public-Viewing-Anlage hinzu. Alles mehrheitlich öffentlich finanziert. Mehr zum Stadienwahn hier. Und als bisheriges Highlight der Entwicklung: die Lizenzerteilung für einen Airport in Orbáns 1.800-Einwohner-Heimatdorf.

Aktuelle Wahlumfrage: Fidesz = 50%, Oppositionsblock = 30%. Beliebtester Politiker: Viktor Orbán mit 18 Punkten Vorsprung.

a.l.

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