THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 08 - 2014   POLITIK 19.02.2014

 

Rettet die Ungkraine!

Was Ungarn mit der Ukraine und Orbán mit Klitschko gemeinsam haben - GLOSSE

Es geht bei den kommenden Wahlen in Ungarn nicht mehr um die Einhaltung von ein paar beiläufigen Grundwerten, EU-Regeln und ähnlichem Wohlstandsfirlefanz. Es geht um Gut und Böse, den Westen oder Russland. Daher kann die von EVP-Chef Daul ausgesprochene "Solidarität" mit Orbán nur von Europafeinden missverstanden werden. Einer muss die Julia Timoschenko des Karpathenbeckens doch vor dem Kreml beschützen.

Der aktuelle Chef der Europäischen Volksparteien (EVP), der Franzose Joseph Daul (UMP), der Orbán schon immer als "großen Europäer" verehrte, auch, als sogar Elmar Brok, Angela Merkel und andere Großkaliber der Konservativen über zuviel Übermut und Demokratievandalismus in Budapest die Stirn sanft runzelten, hat Orbán rechtzeitig vor den Wahlen "der uneingeschränkten Unterstützung der EVP für die kommenden Wahlen in Ungarn" versichert!

Dafür reiste der Mann extra nach Budapest, denn, der erwartbare überwältigende Sieg der Orbán-Truppe Anfang April könnte, so das Kalkül, auch auf die Ende Mai anstehende Europawahl ausstrahlen, bei der die EVP um ihre relative Mehrheit im Europaparlament bangt und wo es also auch um Dauls Posten und Einflüsse geht. Daul ließ gleich noch einen Sager hinterher, der ein wenig nachdenklich machen sollte. Er stimme mit seinen Freunden von der "Mitte-Rechts-Partei" Fidesz überein, dass "Ungarns Erneuerung ein Beispiel für den ganzen Kontinent werden sollte".

"Erneuerung" aus dem Munde eines "Konservativen" bedeutet logischerweise "Restauration", so viel sei klar und geschenkt, aber "Beispiel für den ganzen Kontinent?" Nun, Daul und den Konservativen ist, im Unterschied zu den leichtlebigen Liberalen und Linken in Europa, die historische Dimension des 6. April bewusst. Sie haben ihre "historische Lehre" verinnerlicht und auch in der praktischen Politik immer die Notbremse gezogen, wenn sie es für erforderlich hielten. Wir oder Moskau. Lieber tot als rot! Von Papen, Dollfuß, Horthy, Franco, Pinochet, - Schall und Rauch, vergessen und vergeben.

Bis heute werden unsere europäischen Konservativen, viele davon stramme Kalte Krieger, gefangen im Korsett freiheitlich-demokratischer Grundwerte, immer noch ein bisschen feucht im Schritt, wenn sie einmal absolute Macht wenigstens wieder riechen dürfen. Und in Budapest duftet es gar verführerisch zur Zeit! Ein bisschen stinkt es aber auch.

Und an dieser Stelle kommt die Ukraine ins Spiel, wird Ungarn von einem Fleckchen auf der Landkarte, zur Spielkarte im globalen Poker: Adenauer-"Stipendiat" Klitschko ist in der Ukraine die Hoffnung der "Freiheit" und Timoschenkos Entourage weiß nicht einmal, wie man das Wort Korruption schreibt. Die Opposition in Kiew ist "proeuropäisch", weil sie "antirussisch" ist. Logisch oder? Dafür darf sie auch ein bisschen rechts sein. Das ist Realpolitik. Die Frage, ob die westlichen Unterstützer der Kiewer Opposition sich mit ihrer kritiklosen Unterstützung der heterogenen und Teils offen nazistischen Oppositionsbewegeung nicht selbst von europäischen Grundwerten entfernen, stellt sich nicht, das höhere Ziel bestimmt den Weg.

Sie stellt sich ja nicht einmal mehr in Europa selbst: ob in Griechenland, Italien oder Ungarn. Um für Ruhe im verarschten Volk zu sorgen und die althergebrachten Interessenssphären zu schützen, ist heute wieder fast alles erlaubt. Das hat man übrigens mit Russland gemeinsam, nur die Methoden sind im Westen (noch) subtiler. Ein Dank hier auch an die "Sozialdemokratie"! Man muss eben Prioritäten setzen.

Ungarn ist im Lichte dieser Entwicklungen, sagen wir es mal so: spezifisch. Zwar sind die weichgeklopften Birnen im Unterschid zu Kiew schon an der Macht, aber sie öffnen sich jetzt doch zu sehr den Russen. Das ist irgendwie zu "Schröder", das ist nicht schön. Mit 10 Milliarden Euro für ein AKW und bevorzugten Gaspreisen sowie ein paar Nebenabsprachen hat Putin schon einen Fuß in der Tür und - ganz nebenbei - Orbán die EU an den Weichteilen.

 

Die westlichen Demokratieverteidiger müssen sich da ganz schön strecken, um Orbán im Boot zu behalten. Die Freiheit Europas wird auch an der Donau verteidigt, dem gleichen Ort an dem damals das Christentum vor den Osmanen. Da sage man noch, die historischen Parallelen der Geschichtsprofessoren in Ungarn seien an den Haaren herbeigezogen... Nichts gegen ein bisschen Horthy-Nostalgie, ein paar aufgescheuchte Obdachlose, ein paar Orden für Rechtsradikale - ein bisschen mehr Mafia und Totalkontrolle hier und ein bisschen weniger Rechtsstaat da. Aber Russland?

Mehr als einen Topf Honig ums Maul hat Daul derzeit nicht anzubieten, denn Orbán nimmt sich von der Solidargemeinschaft EU schon selbst, was er braucht. So uneitel ist er indes nicht, dass ihm das Gezerre um "sein" Land, also ihn, nicht imponieren würde. Sein Ungarn, die Ukraine der EU! Er, Orbán: die Julia Timoschenko des Karpathenbeckens! Und einem geschenkten Daul, .... Sie wissen schon.

ms.

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