THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 09 - 2014   MEDIEN 25.02.2014

 

Propaganda als Wachstumsgarant

TV-Werbemarkt in Ungarn weiter im Minus und am Staatstropf + Mediennews

Wie aus einer aktuellen Studie der "Vereinigung der Elektronischen Dienstanbieter" sowie der Wirtschaftsanalysten von Ernst & Young hervorgeht, ist der Fernsehwerbemarkt in Ungarn auch 2013 weiter geschrumpft, entgegen dem Trend auf dem Gesamtwerbemarkt. Danach betrugen die Umsätze der 56 größten, kommerziell in Ungarn agierenden TV-Sender 2013 noch 45,6 Mrd. Forint (147 Mio. EUR), nach 54,9 Mrd. HUF (170 Mio. EUR) im Jahr zuvor. Der Rückgang markierte den fünften in Folge.

Vor allem die etablierten Sender, also die staatlichen M1, M2, Duna TV etc., die zusammen gerade einen Marktanteil im Werbemarkt von 15% erreichen sowie die führenden Privatsender: RTL Klub, TV2, ATV mussten weitere starke Einbußen hinnehmen, während sich Spartensender im Kabelangebot über ganz leichte Zuwächse von rund 4% freuen konnten und Online-TV und Mobildienste um 18% zulegten. Dass die Regierungspartei keine finanziell aufwendigen Werbeanstrengungen mehr im Staatsfernsehen unternimmt, liegt daran, dass man dort für Zustände gesorgt hat, die kostenlose Propaganda rund um die Uhr ermöglichen.

Dabei flimmern trotz sinkender Umsätze auch bei den Privaten immer mehr Spots über die Bildschirme: im Vorjahr waren es in Summe 12.000 pro Tag bzw. 4,5 Mio. über das ganze Jahr, ca. 23 Minuten der 4,5 Stunden, die Ungarn im Schnitt pro Tag Fernsehen, sehen sie Werbespots. Zumindest hoffen das die Werbeleute. Der Rundfunkmarkt ist nach Branchenbeobachtern weitgehend unterbewertet. Dort wurden im Vorjahr nur rund 7 Milliarden Forint umgesetzt, obwohl täglich rund 6 Millionen Ungarn Radio hören.

Kein Geschäft ohne "gute Freunde"

In den Einzelauflistungen wird auch deutlich, dass der Werbemarkt noch stärker einbrechen würde, wenn nicht staatliche Behörden und Unternehmen immer mehr in Werbung investierten, die kommt allerdings unverhältnismäßig häufig Medien zu Gute, die als der Regierung nahe stehend gelten. Manche Radiosender, z.B. Lánchíd, leben fast ausschließlich von öffentlichen Aufträgen bzw. von Unternehmen aus dem Umkreis des Fidesz-Netzwerks, auch HírTV gäbe es ohne "gute Freunde" längst nicht mehr. Im Gegensatz dazu lässt man auf diese Weise die Oppositionspresse immer mehr austrocknen. Am Beispiel der seit Jahren schwer schwimmenden Népszava, die gerade ihr 140jähriges Bestehen feierte, lässt sich dieser Trend in Zahlen ablesen (Link unter dem Text).

Westliche Medienkonzerne schmelzen Ungarn-Geschäft zusammen, Regierungspartei füllt die Lücken

Der unattraktive und zudem noch parteilich verzerrte Werbemarkt in Ungarn zeitigt Folgen: die Pro7Sat1-Tochter TV2 wurde Ende 2013 wegen fortgesetzter Verluste kürzlich an das "Management" verkauft, wofür man ihm einen Kredit einräumte, der womöglich aus amtlichen Einschaltungen bzw. Aufträgen aus Fidesz-Oligarchenkreisen zurückgezahlt wird. Dieses Vorgehen wird von der Opposition heftig kritisiert, der Medienrat, der in Ungarn über alles wacht, hat hier allerdings keine Einwände. Nazis als Nazis zu bezeichnen, dafür wird allerdings schon einmal ein Bußgeld fällig.

 

Die angesehende Wirtschaftszeitung Napi Gazdaság wurde ebenfalls von einem Regierungsinstitut übernommen und wird sich daher in Kürze journalistisch erledigen, Springer und Ringier verkauften einen Teil ihrer Ungarn-Beteiligungen, darunter auch den Mehrheitsanteil der wichtigsten Oppositionszeitung Népszabadság (die knappe Hälfte ist indirekt in MSZP-Besitz) und auch die Nemzeti Sport an einen Wiener Hedgefonds, vor allem um Wettbewerbsauflagen für eine "Ost-Holding" erfüllen zu können. Die Zukunft der "ausgelagerten" Titel steht dennoch auf dem Spiel.

Plakatwerbung mit sprunghaften Auftragsanstiegen

Sprunghafte Entwicklungen gibt es hingegen im Außen- und Plakatwerbemarkt. Nachdem hier ca. Dreiviertel der relevanten Flächen unter Kontrolle von Fidesz-Kumpels gebracht wurden, schossen die Umsätze durch die Decke. Die Warnungen vor der "linken Mafia", der Kampf gegen die Kolonialisierungsbestrebungen des IWF, gegen die Brüsseler Bürokraten, die ungarische Familien angreifen (alles O-Ton) und erst Recht die Multis, die "ungerechtfertigte Gewinne aus dem Land bringen" und die Dauermeldungen darüber, dass es "Ungarn (trotzdem, Anm.) besser macht" und die “Wohnnebenkosten verteidigt”, bescheren den Plakteklebern Traumumsätze. Im Unterschied zu den TV-Anstalten dürfen sie auch im Wahlkampf Geld von den Parteien nehmen.

Das Wichtigste aus der ungarischen Medienszene 2013/2014:

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red.

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