THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 12 - 2014   POLITIK 19.03.2014

 

Wer den Spot hat, braucht sich um Schaden nicht sorgen...

Eine Wahlposse aus Ungarn, das alles besser macht

"Anzeige im gesellschaftlichen Interesse" prangte auf den 50 Sekunden langen Regierungspots, die seit Wochen im Stundentakt über den Äther des zweitgrößten Privatsenders, TV2, flimmerten. Die Botschaft simpel, die Worte bekannt: "Ungarn macht´s besser!" - und das praktisch in allen Fachgebieten. Den gleichen Wortlaut führt auch die Regierungspartei Fidesz auf Plakaten, Wurfsendungen, Anzeigen, in Reden und auf der Stirn. Eine Dopplung, die das Oberste Gericht jetzt - auf Begehr der linken Opposition - als Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften erkannte und untersagte.

“Ungarn macht´s besser”, hier die Blüm-Variante, von wegen Rente sicher etc.

Doch Ungarn wäre nicht Ungarn, müsste für diesen Regelverstoß die Regierung bzw. die beauftragende Behörde oder gar die Regierungspartei, die sich auf diese Weise Parteienwerbung mit öffentlichen Geldern erschlich, gerade stehen, sondern: der übertragende TV-Kanal. Nach den gesetzlichen Wahlkampfregeln haftet nämlich der Broadcaster für die Inhalte von Werbespots hinsichtlich ihrer Gesetzeskonformität.

Das war, neben dem unangenehmen Umstand, dass sie kostenlos zu schalten gewesen wären, auch ein Grund, warum die großen privaten TV-Kanäle wie RTLKlub, TV2 und ATV die Ausstrahlung von Wahlwerbespots verweigerten. Man hatte schlicht Angst vor Rechtsstreitigkeiten mit entsprechenden Folgekosten, sei es für rassistische Propaganda der Jobbik oder nicht einhaltbare Wahlversprechen der Sozis sowie die landläufigen Korruptions- und Amtsmissbrauchsvorwürfe, mit denen sich alle Parteien gegenseitig überziehen. Es bräuchte eine Legion an Juristen, hier die Kontrolle zu behalten.

Hier die “Ungarn macht´s besser”-Version für die kommende 3. Welle der Energiepreissenkungen.

 

Dass nun ausgerechnet der Staat und die ihn heute führende Partei die ersten wurden, die gegen die selbst bestimmten Regeln verstießen, überrascht nur noch Ahnungslose. Denn der Vorgang hat noch eine zweite Ebene: TV2, der zweitgrößte Privatkanal des Landes, ging Anfang des Jahres von ProSiebenSat1 an das neue Management, wobei der Alteigentümer dem Neueigentümer einen Kredit für den Erwerb der Anteil gewährte.

Ungewöhnlich? Riskant? Nicht, wenn man wusste, dass die neuen Eigentümer beste Kontakte zur Regierungspartei pflegen und die Einschaltungen von Staatsbetrieben, Ministerien und öffentlichen Institutionen sich binnen zwei Monaten verfünfzigfachten. Auch die Regierungsspots waren Teil dieser Ratenzahlung aus Steuermitteln, denn im Unterschied zu Parteispots, werden diese bezahlt. Die Orbán-Regierung lässt sich die fortschreitende Gleichschaltung der Medienlandschaft von westlichen Multis kreditieren und vom Volk finanzieren. Das ist Ironie.

Ungarn machts blonder: Fidesz-Parteisprecherin Gabriella Selmeczi
mit dem Regierungsslogan neben dem Parteilogo

Laut Oberstem Gericht sieht die Gesetzeslage nun so aus, dass TV2 der Rechtsbrecher ist und für die "ungestzliche" Dopplung des Slogans gerade stehen muss. Man beließ es vorerst bei einem strengen Blick. Interessanterweise brauchte es hier das Höchstgericht, denn die Nationale Wahlkommission hatte die Beschwerde der Opposition rundweg abgewiesen, denn für den Rektor der Kaderuniversität des Öffentlichen Dienstes, der Chef der Wahlkomission ist, ist die Fusion von öffentlich und parteilich ja geradezu Teil seiner Jobbeschreibung.

TV2 fühlt sich nun ungerecht behandelt und beruft sich darauf, dass man zwar verpflichtet sei Parteiwerbung zu prüfen, nicht aber Einschaltungen im "öffentlichen Interesse". Auch das Regierungsamt gelobte, die Anzeige nun nicht mehr laufen lassen zu wollen. Die Opposition sieht den Betrug als erwiesen an: Fidesz setze Steuergelder ein, um die Wahlen zu manipulieren.

Hier wiederum Regierungschef Orbán mit dem Fidesz-Parteislogan bei seiner “Rede zur Lage der Nation”.

Die ungarische Sektion von Transparency International hat gestern eine Rechnung aufgemacht, wonach die Regierungspartei direkt und indirekt bereits mehr als das Doppelte der gesetzlich zulässigen Wahlkampfkosten ausgegeben habe. Zulässig ist für eine Partei, die mit einer Landesliste antritt, ein Maximum von 1 Mrd. Forint, also ca. 3,2 Mio. EUR. Bereits Ende Februar summierten sich die Kampagnen von Fidesz, laut TI auf diesen Betrag, hinzu kommen Plakataktionen und Kundgebungen der Vorfeldorganisation CÖF im Wert von rund 540 Mio. HUF. Das Präsidium und die maßgeblichen Funktionäre sind allesamt dem inneren Zirkel und dem Rechtsaußenspektrum des Fidesz zuzuornden.

TI rechnet dazu noch die Regierungskampagne unter dem Titel "Ungarn macht´s besser!" dem Fidesz zu, weil der Slogan deckungsgleich ist. Das Oberste Gericht bestätigte diese Annahme. Macht nochmals 600 Mio. Forint. Zum Vergleich: die bisherigen Ausgaben der Opposition werden auf 680 Mio. HUF beim Linsbündnis "Regierungswechsel", auf 650 Mio. bei der neonazistischen Kobbik sowie auf 310 Mio. bei der grünen LMP geschätzt.

 

Doch das Beste zum Schluss: Das genannte Bürgereinheitsforum CÖF, bekannt durch seine "Friedensmärsche" gegen alle Feinde Ungarns und so eine Art Schild und Schwert der Partei um den Nationalpoeten Zsolt Bayer und den Ex-Fidesz-Schatzmeister Csizmadia, wies in einer gestrigen Erklärung jede Fidesz-Affinität seiner Aktivitäten brüsk zurück, denn: man sei allein der Wahrheit und den Ungarn verpflichtet. Man genieße "moralische und finanzielle Unterstützung" allein von den Bürgern dieses Landes und werde im "Geist der Freiheit des Wortes" seine "faktenbasierte Aufkärungskampagne" fortsetzen. Mit Fidesz habe das aber alles nichts zu tun...

cs.sz.

Sogar die Tiefe des Grabens haben wir verdoppelt... Ungarn macht´s besser...

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