THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 14 - 2014   POLITIK 03.04.2014

 

Neonazis auf Platz 2?

Aktuellste Umfrage zu den Wahlen in Ungarn

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Zum letzten Mal vor der Wahl widmen wir uns der Kaffeesatzleserei der Wahlumfragen: Schon lange ist ja die Frage nicht mehr, ob die Regierungspartei die Wahlen gewinnt, sondern nur noch wie hoch. Nach den aktuellsten Umfragen baut das demokratische Oppositionsbündnis weiter ab, könnte die neonazistische Jobbik sogar den 2. Platz erringen, die LMP verschwinden. Doch selbst die Demoskopie ist in Ungarn eine Glaubensfrage.

Das als relativ unabhängig einzuschätzende Umfrageinstitut Medián gibt Fidesz-KDNP in seiner jüngsten Sonntagsfrage (letzte Märzwoche) 47% (-6 Punkte gegenüber 2010) der abgegebenen Stimmen, die - je nach Konstellation bei den Direktmandaten - sogar für eine erneute 2/3-Mehrheit reichen sollten. Die Oppositionsalliaz "Regierungswechsel" (MSZP, DK, Gemeinsam 2014-Dialog für Ungarn, Liberale) kommt danach auf höchstens 23%, die neonazistische Jobbik auf 21%, ein neuer Rekord.

Jobbik-Chef und Garden-Gründer Gábor Vona. Führer der neonazistischen Bewegung in Ungarn. Parteienportraits und mehr auf der Themenseite

Schwankungsbreiten, Fehlerfaktoren und Präferenzen unter den Unentschlossenen hineingerechnet, könnten die Rechtsextremisten sogar stärkste Oppositionskraft werden. Bei allen Institute legte Jobbik in den letzten Monaten zu, Parteichef Vona drohte bereits mit einer "Überraschung" am Wahltag und mit der Machtergreifung spätestens in vier Jahren. Seine Strategie des "Familienwahlkampfes" eines Wolfs im Schafspelz und die Warnung vor einer "großen Koalition" zwischen "Sozialisten und Konservativen", geht auf, treibt ihm von Links wir Rechts gequätes Wahlvolk zu. Offen neonazistische Ideologie und Programmpunkte sowie die militanten SA-ähnlichen Garden werden aus taktischen Gründen derzeit an der kurzen Leine gehalten. Doch wehe...

Immer düsterer sieht es hingegen für die womöglich einzig relevante Kraft der Mitte, die "Rest-Grünen", die nach einer Spaltung geschwächte LMP aus, die mit Prognosen zwischen 3-5% um den Wiedereinzug ins Parlament bangen muss. Sie durften sich gestern nochmal von Ex-Premier Bajnai vom Bündnis "Regierungswechsel" anfauchen lassen, dass ihr Eigensinn, sich unbedingt abgrenzen zu müssen, das Land den Macht- und Politikwechsel kosten könnte. So gesehen wäre das Verschwinden in der Versekung nur die gerechte Strafe, allerdings Zigtausende Stimmen mit sich reißend.

Im Schnitt aller Institute pendelt sich Fidesz knapp unter der 50%-Marke der abgegebenen Stimmen ein, das Oppositionsbündnis liegt dort bei 25-30%, Tendenz eher fallend, die LMP bei 3-8%, Jobbik hat die größte Schwankungsbreite und pendelt mittlerweile zwischen 14 und 23%! Die Wahlbeteiligung dürfte mit 70% ungefähr den Wert von 2010 wiederholen, die Aktivierung vor allem im Regierungslager ist stark, noch vor zwei Jahren wollte nichtmal jeder Zweite zur Wahl gehen.

Der Vollständigkeit halber hier noch die Ergebnisse der Wahlen 2010: Fidesz-KDNP 52,7% und 68% der Mandate, MSZP 19,3%, Jobbik 16,7%, LMP 7,5.

 

Rund 7 Prozentpunkte verteilen sich bei Medián aktuell auf weitere rund zwei Dutzend Parteien auf dem Wahlzettel, von denen einige auffällige Namensgleichheiten mit linken Oppositionsparteien bzw. Bündnissen (z.B. Összefogás, Együtt) aufweisen und - so meint das Bündnis "Regierungswechsel" - nur wegen der unvermittelt großzügigen Parteienförderung aus dem Boden geschossen sind, um die Wahlzettel unübersichtlicher zu machen und die Stimmen der Opposition zu zersplittern. Immerhin hatten diese Kleinparteien zusammen vor gut zwei Monaten noch gerade 2% auf dem Konto, ihren Stimmenanteil also mit zunehmender Bekanntheit durch den Wahlkampf mehr als verdreifacht.

Die demokratische Opposition hält die Regierungsparteien aber dennoch nach wie vor für "schlagbar", denn ein Teil der Institute sei gekauft (Századvég, Nézöpont) und die Ungarn ohnehin unzuverlässige Umfragenteilnehmer, die sich am Telefon entweder bedeckt hielten oder gerne auch mal mit Absicht Unfug ablieferten. Wer heute links wählt, habe gute Gründe, das nicht öffentlich bekannt zu geben, außerdem sei das große Potential an Unentschlossenen kaum statistisch einzuschätzen. Diese Argumente in Betracht gezogen und in ihrer Wirkung verdoppelt, würden dennoch kaum einen seriösen Politologen einen Sieg der Opposition in Betracht ziehen lassen. Diese versucht nun mit dem Slogan “Eine Stimme gegen Jobbik” das Allerschlimmste zu verhindern und so vielleicht doch noch den Mobilisierungsgrad den man mit der Contra-Orbán-Polemik nicht schaffte.

red.
 

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