THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 14 - 2014   NACHRICHTEN 04.04.2014

 

Oligarch als Wahlkampffinanzier:
Telefonmitschnitt bringt Fidesz-Politiker in Erklärungsnot

Um eine lange Geschichte kurz zu machen: der Fidesz-Bürgermeister von Siófok und ein Fidesz-Parlamentarier unterhalten sich in zwei mitgeschnittenen Telefonaten darüber, ob und wie die Firma Közgép (bzw. eine Tochter davon), also das bekannteste Oligarchenkonsortium rund um die Regierungspartei, in die Wahlkampagne einsteigen (finanzieren) könnte und wie die Firma dafür zu entlohnen sei (öffentliche Aufträge). Übersetzt nennt sich das: versuchte Vorteilsnahme, Amtsmissbrauch und gemeinschaftlich verübte Korruption und gehört von einem Gericht behandelt, sofortige Rücktritte wären die demokratische Folge.

Abgeordneter Witzmann und Siófok-Bürgermeister Balázs sind die Protagonisten der geleakten Telefonmitschnitte. Sie verstehen sich, wie man hier sieht, auch persönlich “ausgezeichnet”... Foto: fidesz.hu

Die sonst so aufdeckungsfreudige "Magyar Nemzet" aber schweigt zunächst, das Staatsfernsehen sowieso, so ist es an den unabhängigen Medien den aktuellsten Korruptionsskandal der Regierungspartei an die Öffentlichkeit zu bringen. Der Chef der Grünen, LMP, Schiffer hat am Donnerstag bereits Anzeige erstattet. Witzigerweise fand auch dieses Gespräch am Balaton statt, dem gleichen See, an dem auch Gyurcsánys legendäre Lügenrede aufgezeichnet wurde. Die weinseligen Orte entlang des Plattensees wirken offenbar zungenlösend.

Die Überführten wehrten sich umgehend mit der heute üblichen "Erdogan-Taktik", nein, nicht mit dem Abschalten des Internets, sondern dem Teilgeständnis, dass die Stimmen zwar echt seien, der Inhalt freilich manipuliert und sinnentstellt, ja, geradezu bösartig irreführend. "Niemals" würde man so etwas tun. Sogleich drehte man den Spieß um und will mit juristischen Mitteln die Aufdeckung der Quelle erzwingen, für die Regierenden mit der heutigen Gesetzeslage ein Kinderspiel.

Die Verifizierung der Aussagen ist nun entscheidend, sowohl für die Strafverfolgung wie auch für das Schicksal der aufdeckenden Medien, denn schon einmal hatte ein Newsportal, hvg.hu,
im Falle eines Videos, das Fidesz-Wahlbetrug in Baja belegen sollte, der Versicherung des Überbringers, in diesem Falle des Kommunikationschefs der MSZP vertraut und sich damit blamiert, denn es handelte sich um eine Fälschung. Der Chefredakteur musste gehen, der MSZP-PR-Chef auch. Im Anschluss wurde ein Gesetz verschärft, dass Medien, aber auch Medienmacher, die ohne Evidenzen solche Geschichten verbreiten, stärker haften lassen, was nicht nur hinsichtlich Fälschungen abschreckend wirken sollte, sondern überhaupt gegen investigativen Journalismus gerichtet ist.

 

Interessant wird zu beobachten sein, wie der Siófok-Fall im Vergleich zum Simon-Welsz-Skandal behandelt werden wird, politisch wie juristisch. Der Ex-MSZP-Vize hat alle Ämter verloren, sein Mandat abgegeben und sitzt wegen falscher Vermögensdeklaration sowie dem Verdacht auf Dokumentnfälschung und versuchten Betruges in U-Haft. Sein Komplize kam auf mysteriöse Weise ums Leben. Ist man bei Fidesz eben so gründlich, sollten in den kommenden Tagen eine Reihe Köpfe rollen, wenn auch nur im übertragenen Sinne. Ob es die richtigen sein werden, darf bezweifelt werden, denn Leute wie Fraktionschef Rogán und Wirtschaftsminister Varga, die offensichtlich auch falsche Vermögensdeklarationen führten, sind in Ungarn offenbar Unantastbare.

red.

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