THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 24 - 2014 POLITIK 11.06.2014

 

Norwegen - die bessere EU? Die "Wikinger" zeigen den "Magyaren", wo der Hammer hängt

Im norwegisch-ungarischen Schlagabtausch um die Suspendierung von rund 150 Mio. EUR aus den Kohäsionsfonds geht es einen Tag vor ersten offiziellen Sondierungen in Budapest nochmals heiß her. Anfang der Woche überbrachte Vidar Helgesen, Europaminister und Osloer Amtskollege von Orbáns Amtschef und NGO-Jäger Lázár eine sehr deutliche Botschaft: Unser Geld, unsere Regeln. Das ist für Fidesz ein völlig unbekannter Ansatz.

Die Norwegen-Fonds als Spielball der Politik

Helgesen erklärte sich im Namen der norwegischen Regierung "tief beunruhigt von den Handlungen der ungarischen Autoritäten gegen die Zivilgesellschaft und die Versuche zur Einschränkung der Meinungsfreiheit." Die Fonds seien nämlich gerade dazu gedacht die "fundamentalen, europäischen Werte zu stärken", doch die Verletzungen der Vereinbarung bedeuten einen "Bruch dieser Werte".

Die Reaktion aus Budapest: der neue Außenminister Navracsics bestellte den norwegischen Botschafter zum Rapport ins Außenamt ein, was als kleinmütige diplomatische Racheaktion für die Einbestellung des ungarischen Botschafters in Oslo
in der Vorwoche zu werten ist.

Inhaltlich liefert Budapest seit Wochen nichts Neues. Man will weiterhin die totale Kontrolle über die Vergabe und Kontrolle der Fonds und unterstellt allen nichtregierungsnahen NGO´s, die im ministeriellen Vergabegremium sitzen - das übrigens vertragsgemäß wiederum nur der gemeinsam zwischen den Geberländern und der EU geführten Fonds-Verwaltung in Brüssel rechenschaftspflichtig ist - sie würden als U-Boote oppositioneller Parteien agieren, kurz: Norwegen über die Fonds "politischen Einfluss" auf "innere Angelegenheiten" Ungarns ausüben.

Norwegen ist sichtlich nicht bereit, sich auf ein derartig politisierendes Diskussionsniveau zu begeben, hält schlicht und ergreifend am Vertragswerk fest und zeigt der ungarischen Regierung ihre Grenzen auf. Diese hat - und das ist ein Bruch der bilateralen Vereinbarung, wie Oslo betont - über die Regierungsbehörde KEHI die Herausgabe der Ausschreibungsunterlagen und anderer Dokumente von den drei beauftragten Organisationen für die NGO-Projekte gefordert, darunter von der Ökotárs Stiftung, die der grünen LMP nahesteht so wie die anderen Projektträger anderen, auch den Regierungsparteien nahestehen. Hinzu kommt, dass Lázár - wiederum vertragswidrig - die Anonymität der beteiligten Personen durch "Blacklists" aufgehoben hat, die eben gerade deshalb gewahrt werden sollte, damit sie eben nicht durch Fremdinteressen gestört werden. Dass er dabei gleich
gegen die gesamte NGO-Szene zu Felde zog, ist ein Thema für sich.

Norwegen kontert unmissverständlich: 1. Wenn die Regierung in Ungarn Einblick in die Unterlagen der Projekte der Fonds haben will, dann habe sie sich gefälligst an die Projektleitung zu wenden, die sitzt - das steht auch im Vertrag - in Brüssel, so Vidar Helgesen in seinem jüngsten Statement an die Adresse Lázárs. 2. Wenn die Regierung von Ungarn Interesse an einer Weiterführung der Projekte hat, solle sie sich an die Verträge halten, wozu auch die Rücknahme bisheriger Maßnahmen und weitergehender Drohungen gehört, wie z.B. der Warnung, bestimmte Vereine könnten ihren Status der Gemeinnützigkeit einbüßen.

 

Am Donnerstag nun soll es die ersten Sondierungen in Budapest geben, Unterstaatssekretär Csepreghy glaubt, er kann so weitermachen, wie Lázár begonnen hat und will "die Aufsicht über die drei Projektträger erweitern" und "die gesamte Projektstruktur neu verhandeln". So lautet die Umschreibung für die gewünschte totale Fidesz-Kontrolle über die Gelder und Strukturen, die man bei den EU-Mitteln ja bereits hergestellt hat, was Brüssel ein wenig "besorgt", aber nicht zu Konsequenzen führt. Gerade macht ein prototypisches Fallbeispiel die Runde, bei dem ein einziges Fachlbaor für eine Mittelschule in Szekszárd mit fast 500.000 EUR EU-Geldern zu Buche schlug, mehr als 2/3 gingen dabei für “Projektstudien”, “Softwareanpassungen”, “Präsentationen”, allein 60.000 EUR für die Eröffnungsfeier und 40.000 für Büromaterialien drauf...

Norwegen weiß bestimmt Besseres mit seinem Geld anzustellen als es einer nimmersatten und größenwahnsinnigen Partei in den Rachen zu werfen und hat dies durch seine vielfältigen Programme bereits bewiesen. Bei der Einhaltung von demokratischen Grundnormen ist das Land - im Unterschied zur EU - auch nicht vom Goodwill oder dem Veto mächtiger Regierungschef und parteipolitischer Kameraderie und Tektonik abhängig. Es gibt Länder auf der Welt, die mit 150 Millionen Euro eine Menge Nützliches für ihre Bürger anstellen und sich dabei an die Regeln der Geldgeber halten wollen, zumal die nichts weiter als Unabhängigkeit von der Regierungspolitik einfordern.

red.

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