THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 25 - 2014 NACHRICHTEN 16.06.2014

 

Rache am "roten" Budapest: Orbán-Regierung will Hauptstadt Verkehrsprojekte zusammenstreichen

Der Rachfeldzug der Regierungspartei FIDESZ gegen das bei den nationalen Wahlen politisch widerborstige Budapest geht weiter. Nachdem in der ungarischen Hauptstadt fast die Hälfte der Direktwahlbezirke an linke Oppositionskandidaten gingen, ließ Orbán die Direktwahl der Stadtversammlung für die Kommunalwahlen im Herbst faktisch abschaffen und setzte stattdessen eine Art Rat der Bezirksbürgermeister an deren Stelle. Auch mehrere Ministerien, darunter jene für Verteidigung, Landwirtschaft und Nationale Entwicklung sollen aus Budapest abgezogen werden.

Orbán und Budapests OB Tarlós vor einer gemeinsam Busfahrt. Der Premier fährt mit dem OB aber am liebsten Schlitten.

Orbáns Kanzleramtsminister Lázár, der seit Wochen einen entfesselten Machtrausch ausleben kann, will nun - als Oberaufseher über die EU-Milliarden - Budapest auch finanziellen Schaden zufügen, in dem wichtige, bereits geplante Infrastruktur- und Verkehrsprojekte abgesagt, verschoben oder zusammengeschmolzen werden sollen.

Lázár soll die Verkehrsentwicklungsstrategie derart revidiert haben, dass Budapest in den kommenden sechs Jahren keinerlei Zugang mehr zu EU-Geldern für öffentliche Verkehrsprojekte haben wird. Bei einer Finanzierungsquote von 70-90% wären damit nicht nur wichtige Instandhaltungsprojekte gefährdet, sondern auch der längst geplante Ausbau der Metrolinie 3, denn OB Tarlós wäre dann gezwungen, die dafür bereitstehenden Mittel umzuleiten, um den Zusammenbruch der desolaten Verkehrsbetriebe BKK zu verhindern. Insgesamt geht es um mehrere Milliarden Euro, die Budapest in den Ausbau seiner öffentlichen Verkehrsbetriebe stecken wollte, darunter auch Ausbauten bei den in die Jahre gekommenen Vorortzügen und -strecken der HÉV.

Orbáns Superminister Lázár begründet die Sache anders: Budapest sei jahrelang über Gebühr bevorzugt worden, während die Provinz unterentwickelt sei. Nach der
Eröffnung der Metrolinie 4 sollten die zur Verfügung stehenden Mittel jetzt mehr in den "ländlichen Bereich" fließen. Im Gespräch ist dabei u.a. eine Straßenbahnlinie zwischen Szeged und dem rund 26 Kilometer entfernten Hódmezövásárhely, der Stadt, in der Lázár bis vor kurzem Oberbürgermeister war und wo er bis heute weiter großen Einfluss ausübt. Ein Staatssekretär behauptet gar, Brüssel hätte "verboten, Budapest weiter zu fördern", was natürlich völliger Unsinn ist. Entschieden sei indes "noch nichts", man stehe zum M3-Ausbau, müsse die anderen Projekte aber "prüfen", so Nandor Csepreghy.

 

Kommentatoren der unabhängigen Medien sind sich einig darin, dass die Orbán-Regierung Budapest abstrafen und die Wähler in die Knie zwingen will. Die Botschaft: wenn ihr im Herbst "richtig" wählt, kommen auch die Gelder zurück. Selbst die sonst regierungstreue "Magyar Nemzet", die wegen der Werbesteuer derzeit nicht sonderlich gut auf Lázár zu sprechen ist, bezeichnet die Idee als "übereilt und auf falschen Berechnungen fußend" und warnt zumindest vor einem Verkehrskollaps in Budapest sowie dem denkbaren Totalverlust von Mitteln, die in Brüssel bereits für bestimmte Projekte gewidmet sind und eben nicht einfach umgeleitet werden könnten.

red.

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