THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 26 - 2014 NACHRICHTEN 23.06.2014

 

Regierungsmitglied in Ungarn als Stasioffizier enttarnt: Bleibt als "Fachmann" im Amt

"Staatssekretär László Tasnádi führt im Innenministerium lediglich fachliche und keinerlei politische Tätigkeiten aus." Außerdem habe er auch in der Vergangenheit lediglich für "die Ordnungskräfte gearbeitet" so wie er "das heute auch macht." Daher sei jede Forderung nach einem Rücktritt "sachfern" und die Debatte darüber "überflüssig". Das ist die amtliche Erklärung der Regierungspartei Fidesz zur Enttarnung des Fidesz-Staatssekretärs im Innenministerium als ehemaliger Stasi-Führungsoffizier. Die Worte kamen am Freitag vom Parteisprecher Máté Kocsis und blieben sowohl vom Amt des Ministerpräsidenten als auch dem Innenministerium unwidersprochen.

László “Ich liebe Euch doch alle” Tasnádi rechtfertigt sich auf einer Pressekonferenz.

Der für die Polizei und den Strafvollzug zuständige Staatssekretär Tasnádi flog in der Vorwoche über öffentlich zugängliche Daten auf einer Webseite des Historischen Archivs der ungarischen Stasi auf, wonach er zumindest ab 1988 als Geheimdienstoffizier bei der Budapester Polizei eingesetzt war. Die Journalisten von HVG fanden ihn in der Datenbank als Hauptmann und Führer der Unterabteilung C bei der berüchtigten Division III-II-2, die sich vornehmlich der Unterwanderung und Aushorchung "subversiver" Elemente annahm, sprich der Ausforschung und Eliminierung politischer Opposition. Das besonders Abstruse an der Geschichte: Tasnádi soll noch am 16. Juni 1989, dem Tag der Umbettung Imre Nagys, bei der der damalige Studenteführer Viktor Orbán seine so epochale Rede hielt, zwei Informanten unter den Decknamen "Amur" und "Vera" abgeschöpft haben, die ihm telefonisch Situationsberichte durchgaben.

 

Tasnádi selbst rechtfertigte sich vor Journalisten mit der lapidaren Auskunft, dass er vor 1990 für die Terror- und Spionageabwehr, also einzig im Interesse des Landes und der Nation tätig war, mit dem Nagy-Begräbnis habe er nichts zu tun gehabt. Auch Tasnádis Chef, Innenminister Sándor Pintér, heute - zumindest offiziell - das wohlhabendste Kabinettsmitglied, war früher Mitglied der Staatspartei und einer der führenden (Kriminal)-Polizisten des Landes. Karrieren im Vorwendeungarn haben nicht wenige Regierungsmitglieder vorzuweisen, was einer von mehreren Gründen ist, warum sich Fidesz - im Verbund mit der MSZP-Opposition - derart gegen den Zugang zu den Stasiakten wehrt und dafür gesorgt hat, dass ein von der Regierungspartei dominiertes Parlamentskomitee dauerhaft ein Veto bei der Freigabe von Akten behält. Ein Thema übrigens, dass Bundespräsident Gauck bei seinem kürzlichen Besuch in Budapest, der eben dieser Aufarbeitung der Vorwendevergangenheit gewidmet war, ebenfalls ausließ.

Auch regierungsnahe Medien berichteten den Verbleib Tasnádis im Amte zumindest verwundert, eines wagte sogar die Frage aufzuwerfen, wie man diese Entscheidung in Einklang mit der von Orbán postulierten "Ausmerzung des Kommunismus" und der "Vollendung der Wende" in Einklang bringen könnte. Wir empfehlen, die Frage an Fidesz-Sprecher Máté "Ich erklär alles" Kocsics weiterzuleiten.

Hier mehr zum Umgang mit Stasiakten in Ungarn.

red.

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