THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 28 - 2014 BOULEVARD 07.07.2014

 

Der braune Jude Jakab: Ein “Halbjude” kandidiert für Neonazi-Partei in Ungarn

Die ungarischen Neonazis von Jobbik sind scheinbar auch nicht mehr das, was sie nie gewesen sein wollen. Nachdem 2012 der Jobbik-Vorstand und EU-Abgeordnete Csanád Szegedi, dem man "jüdische Vorfahren nachwies", noch standesgemäß mit Schimpf und Rassenschande davongejagt wurde, darf 2014 sogar ein Halbjude für die Partei der "Besseren" als Bürgermeisterkandidat in der "Zigeunerhauptstadt" Miskolc auflaufen. Was ist da los?

Péter Jakab. Das jüngste Beispiel für Völkerverständigung und Toleranz bei der Partei Jobbik in Ungarn.

Péter Jakab (wie kam der mit dem Namen überhaupt bei Jobbik rein?), ein  "praktizierender Katholik" (wer hatte bei denen bitte einen theoretisierenden erwartet?), will vor einiger Zeit herausgefunden haben, dass er mütterlicherseits (auch das noch!) "jüdische Vorfahren habe".

Allerdings hat er - anders als Szegedi - daraus gegenüber seinen Führern nie einen Hehl gemacht. "Die Bewegung" also "nicht irregeleitet", wie Oberführer Gábor Vona 2013 beim Fall Szegedi beklagte und ergänzte, dass er "sofort zurücktreten werde, wenn jemand herausfindet, dass ich jüdische Vorfahren habe". Szegedi bearbeitet noch immer - mit Rabbis Hilfe - und in spiritueller Selbstfindung seinen herkunftsbedingten Karriereknick, doch Jakab hatte Glück im Jahr 1 der Jobbik-Charme-Offensive mit dem Arbeitstitel "Mit Jobbik zum nationalen Familienglück!".

Die Ehrlichkeit von "Rabbi Jakab" findet Vona irgendwie rührend, weshalb er diesmal eine Ausnahme macht, wie er - sichtlich unter Schmerzen - in einem Interview erkärte, zumal er so "ein weiteres Mal" dem unverständlicherweise weit verbreiteten Vorurteil entgegentreten knn, Jobbik habe irgendetwas gegen Juden - oder sei gar antisemitisch. Allerdings steht das endgültige Rechtsgutachten vom Chefideologen,
Judenlistenforderer und sozusagen dem Großayatollah des reinen Magyarentums, Martón Gyöngyösi noch aus, dem sich letztlich auch der Parteichef beugen müsste. Denn was bitte kommt als nächstes: ein schwuler Kommunist als Jobbik-Fraktionschef? Ein Zigeunerlager im Vorgarten des Parteichefs?

Es ist auch denkbar, dass Jobbik erkannt hat, dass die Luft rechts in Miskolc zu dünn - eigentlich zu dick - geworden ist. Da balgen sich schließlich die Fidesz-Mainstreamer (Wegzieh- und Abrissprämie fürs Zigeuner-Ghetto) mit dem gemeinsamen Kandidaten der “Linken”, einem ehemaligen Polizeichef, der meint, dass “Ungarn vielleicht mal eine Bank oder eine Tankstelle ausrauben, Zigeuner aber alle anderen Straftaten begehen.” Was bitte will da Jobbik anderes konstruktiv beitragen als den moderaten Kandidaten der Mitte zu stellen?

Oberrabbi Slomó Köves, ein Vertreter des weitgefächerten konservativ-orthodoxen Spektrums, warnte das Jobbik-Jüngele in einem offenen Brief, er möge "seine jüdische Abstammung nicht missbrauchen". Denn hinsichtlich der Abstammung verstehen manche Juden genausowenig Spaß wie unsere rechten Recken. Immerhin ist die Geschichte mit der mütterlichen Linie auch eine Rassenlehre, zumal, wenn man sie bei einem “praktizierenden Katholiken” anwendet, der gar kein Jude sein will - oder bisher sein wollte. Wie auch immer, Köves warnte ihn öffentlich, dass es dessen eigene Partei sein wird, die auch ihn - ohne mit der Wimper zu zucken - auf Listen schreiben und in Lager verfachten würde, wenn sie es denn könnte und man sie ließe.

Stimmt nicht, meinte Jakab in seiner Erwiderung, Jobbik wolle nur Listen über "doppelte Staatsbürgerschaften" von Parlamentariern erstellen, um "Doppelloyalitäten" und den Ausverkauf der Heimat auszuschließen und was die Zigeuner sowie die Juden allgemein betrifft, so sei Jobbik schließlich DIE Partei überhaupt, die "Kollektivschuld" verabscheue. Es sind halt alles Einzelfälle, bei den Roma und Juden eben massenhaftere, die dann zwangsläufig - und aus rein praktischen Erwägungen - zu so Lagerideen und ähnlichem führen.

Das Letzte sagte Bürgermeisterkandidat Jakab natürlich nicht, aber wie sonst bringen wir das alles mit dem Parteiprogramm und den Tiraden der lokalen Jobbik-Frontkämpfer zusammen, die sich schließlich als lebendiges Erbe der Pfeilkreuzler-Nazis verstehen, Städtepartnerschaften mit Iran arrangieren und wie mit dem Umstand, dass selbst Koryphäen der - naja - "neuen" Rechten wie Frau Le Pen und Herr Wilders, denen man wohl kaum vorwerfen kann, Opfer der jüdisch-liberalen Kampfpresse zu sein, Jobbik zu judenfeindlich und zu schmuddelig ist, um mit denen eine Fraktionsgemeinschaft in Brüssel einzugehen? Zu rechts für Le Pen. Das müssen Sie einmal schaffen?!

 

Unser brauner Jude Jakab hat seinen Frieden mit den ganzen vermeintlichen Widersprüchen gemacht. Er schreibt: "Mein Urgroßvater wurde nicht von der ungarischen Nation ermordet, sondern von ganz bestimmten Menschen, die ihr Urteil vor dem Jüngsten Gericht entgegennehmen werden." Amen. Rabbi Slomó verschlug es die Sprache. Einem Rabbi!

Dass Jobbik nicht neonazistisch ist, sondern auch dort alles nur eine Ansammlung von Einzelfällen, das wusste schon im Vorjahr ein ungarisches Gericht und verbot kurzerhand das Attribut "rechtsextrem" für diese Partei anzuwenden. Die Unfehlbarkeit der ungarischen Judikative ist mit Jakabs Auftritt nur wiederum bestätigt. Der Vollständigkeit halber haben wir
in diesem Beitrag auch ein paar Gegenargumente des freimaurerischen Mainstreams aufgeführt...

red. / ms.

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