THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 30 - 2014 BUDAPEST 22.07.2014

 

Budapester Bezirk will Kameras mit Gesichtserkennung installieren

Auf den Straßen und Plätzen des VIII. Bezirks von Budapest, der Josefstadt, soll erstmals in Ungarn ein kameragestütztes Gesichtserkennungssystem eingesetzt werden. Ein ähnliches System wurde bereits an Autobahnen installiert, ist dort aber ausschließlich auf die Erkennung von Nummernschildern ausgerichtet. Bedenken zu Datenschutz und Persönlichkeitsrechten werden vom Tisch gewischt.

Der zuständige Bezirksbürgermeister, Máté Kocsis, der gleichzeitig Parteisprecher des Fidesz ist, hat in der Vorwoche den dafür nötigen Finanzrahmen genehmigen lassen, nun steht noch die Zustimmung des Parlamentskomitees für Nationale Sicherheit aus, das aus Gründen ebendieser die für solche Projekte EU-weit gültige Ausschreibungspflicht umgehen soll. Die Installation und der Betrieb der Anlage soll in mehreren Phasen von Statten gehen und von einer Unterabteilung des Inlandsgeheimdienstes vorgenommen werden, weil diese, so die Begründung, über das nötige Know how dafür verfügt.

In der ersten "experimentellen" Phase sollen 12 bis 15 der Spezialkameras an nicht näher benannten Straßen und Plätzen der Józsefváros angebracht werden. Eine Software würde die Bilder direkt mit Datenbanken der Polizei und von "Spezialeinsatzkräften" (lies: Antiterrokommando TÉK, Verfassungschutz) koppeln. Diese erste Phase soll Kosten von 294 Mio. Forint, also rund 900.000 EUR verursachen. Datenschutzbedenken, die u.a. von den Grünen eingebracht wurden, wischte der Bürgermeister mit der Begründung vom Tisch, dass die "Kameras ausschließlich mit der Datenbank für gesuchte Kriminelle" verbunden werde.

 

Auf die Frage, wie man eine darüber hinausgehende Nutzung, also auch die denkbare Speicherung von Daten von unbefleckten Bürgern, ergo Missbrauch zu verhindern gedenkt und wie überhaupt die Aufsicht und Kontrolle des Einsatzes von Statten gehen soll, gab es keine Antwort. Sowohl die Grünen als auch die MSZP haben nun Anfragen an den Datenschutzbeauftragten sowie den Ombudsmann für Grundrechte gerichtet, um eine Klärung der Lage und eine juristische Einordnung zu erhalten. Neben dem Datenschutz geht es dabei vor allem auch um das Grundrecht jedes Bürgers auf Privatsphäre. Ein solches System könne ein weiterer Schritt in einen "Big Brother"-Staat sein, so die Bedenken. Noch in dieser Woche, will sich der Präsident der unter Fidesz neu installierten Datenschutzbehörde dazu äußern. Eine gerichtliche Beiinspruchung hielten sich die Oppositionsparteien offen.

Dass dieses Pilotprojekt ausgerechnet im VIII. Bezirk startet, ist kein Zufall, gilt dieser aufgrund des hohen Romaanteils und der sozialen Lage vieler Bewohner als prädistiniert für die nächste Law-and-Order-Offensive der Regierung. Auch die später in der Verfassung verankerte pauschale Kriminalisierung von Obdachlosen nahm hier ihren Anfang.

red.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.

 

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.