THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 30 - 2014 GESELLSCHAFT 21.07.2014

 

U19-EM in Ungarn: Leere Ränge, volle Kassen...

Derzeit findet in Ungarn die UEFA-Fußballeuropameisterschaft der U19 statt. Die Ränge blieben in den ersten Begegnungen weitgehend leer, dabei ist dies die internationale Turnierpremiere für Orbáns Lieblingskind, sein Privatstadion im Dorf Felcsút und soll nur der Testlauf für eine gloriose magyarische Fußballzukunft sein. Zu allem Überfluss bekam auch noch Orbáns Fußballakademie ein miserables Zeugnis ausgestellt...

Zunächst der Sport:  Zur U19-EM schafften es nach zwei Qualifikationsrunden (Vorrunde, Eliterunde) acht Teams, wobei im Vorfeld, ganz ähnlich den großen Vorbildern, namhafte Fußballnationen bereits ausgeschieden waren. Nicht für jeden Verband hat die U19 allerdings die gleiche strategische Bedeutung, daher ist die Aussagekraft des Turniers nur begrenzt, immerhin qualifizieren sich die besten sechs auch für die U20-WM im kommenden Jahr in Neuseeland und nicht zuletzt werden hier Kader geformt, die bereits bei einer EM 2016, mehr noch bei der WM 2018 eine tragende Rolle spielen können und werden - sofern sich die “Großen” später überhaupt qualifizieren.

Im ersten Gruppenspiel der Gruppe A unterlag Gastgeber Ungarn am Samstag mit 1:3 gegen Österreich, Portugal schlug Israel mit 3:0. Einen gleichhohen Auftaktsieg fuhr Deutschland gegen Bulgarien in Gruppe B ein (vor offiziell 500 vor 16.000 möglichen Zuschauern in Györ), Serbien und die Ukraine trennten sich 1:1. Nach der Gruppenphase (2. Spiel am 22.7, 3. Spiel am 25.7.) geht es sofort ins Halbfinale (28.7.).

 

Gespielt wird - und damit wechseln wir allmählich ins Wirtschafts- und Politikressort - in den Stadien von Györ, Pápa, Budapest (Finale am 31.7.) - und Felcsút, dem 1.700-Einwohner-Heimatort von Premier Orbán mit seinem nagelneuen 3.500-Plätze-Stadion "Pancho Arena" (benannt nach dem Spitznamen von Legende Ferenc Puskás bei Real Madrid), das der Puskás Fußballakademie gehört, die wiederum von Orbáns Privatstiftung betrieben wird.

Das erste internationale Pflichtspiel in dem neuem Stadion, Orbáns ganzer Stolz, fand am 19.7. statt, Portugal - Israel, 3:0, - vor völlig leeren Rängen (siehe offizielles Foto vom Spiel) und einer nur mäßig besetzten VIP-Tribüne. Nun mag das auch an der Urlaubszeit liegen, aber dass der von einem einschlägig bekannten Oligarchen geleitete ungarische Fußballverband oder die sonst alles organisierende Regierungspartei nicht in der Lage oder Willens sind, fußballbegeisterte Kinder und Jugendliche in die Stadien einzuladen, um für eine angemessene Stimmung bei einem der wenigen internationalen Ereignisse im Lande zu sorgen, während man für nationalistische Regierungsjubeldemos tausende Busse zusammenzieht und keinerlei Kosten scheut, ist ein Armutszeugnis und ein Beispiel von Ignoranz ganz spezieller Güte.

Über Felcsút und die Pancho-Arena, dieses "Monument des neuen Ungarn" (das nur eines von 3 Dutzend (!!!) Stadionneubauten ist) erfahren Sie im Beitrag über die kürzliche Einweihung mehr.

Aktuell ist Feuer unter dem dortigen Holzdach: Orbán hatte nämlich geplant und dies auch schon lauthals behauptet, dass die Puskás Akademie zu den "Top 10 Fußballschulen Europas" gehört bzw. sehr, sehr bald gehören soll.

Die Top 10 hat er geschafft, allerdings nur in Ungarn. Nach Einstufung durch eine internationale UEFA-Fachkommission, landete Orbáns Fußballschule auf Rang 9 (von 12) der ungarischen Akademien, Nr. 1 ist Debrecen mit 66%, gefolgt von der Niederlassung der Nicholas White Football Academy, danach kommen andere Schulen in Budapest und teils entlegenen Provinzorten, dann erst die neue Fußballhauptstadt Felcsút, die gerade 50% der Mindestanforderungen erfüllt. Im internationalen Vergleich spielen die ungarischen Einrichtungen, wie derzeit leider auch der ungarische Fußball (bis auf einige freudige, wenn auch zu sporadische Ausnahmen im Jugendbereich!), überhaupt keine Rolle.

Premier Orbán mit Sándor Csányi, Präsident des ung. Fußballverbandes, Chef der größten Bank des Landes OTP und Agrar-Oligarch auf der neuen VIP-Tribüne der Pancho Arena.

In einem 134-seitigen Bericht, der als Grundlage für eine baldige nationale Notstandssitzung dienen könnte, wird Orbán seine gesamte neue und sündteure Fußballherrlichkeit, die schließlich binnen kürzester Zeit - mindestens - zu einem Champions Legaue Finale und jeder Menge "nationalem Prestige" führen sollte, um die Ohren gehauen: Die strategischen Entscheidungen in der Akademie (bzw. den Akademien) werden von Einzelpersonen, nicht von Fachgremien getroffen, ein nachvollziehbares professionelles Konzept ist nicht erkennbar, es fehlen klare Trainingsziele, die Methoden sind veraltet oder zu eng gefasst, das Scouting wird als Nebensache und nicht von Fachkräften erledigt, es gibt keine landesweit einheitlichen Standards für Training und Leistungsnachweise, die Kooperation mit den Profi-Vereinen ist unzureichend, das Trainerfachpersonal ist meist nicht in Personal- und Strategieentscheidungen eingebunden, es gibt keine transparente Kosten-Umsatz-Aufstellungen, die Qualifikation der Präsidien ist in vielen Fällen zweifelhaft. Mehr zum Thema in "FC Gernegroß - Orbáns schöne, neue Fuballwelt".

 

Klare Worte aus berufenen Mündern, so klar, dass sich wütende Betroffenheit breit machte: In einer ersten Stellungnahme hieß es von der Puskás Akademie wie vom Fußballverband, dass die internationale Studie: "die wahre Leistungsfähigkeit der Akademien nicht im geringsten wiedergibt." Was Orbán nun hinter den Kulissen in Bewegung setzen wird, um dieses für ihn peinliche Ranking zu verbessern, kann man nur erahnen. Es sei hier darauf hingewiesen, dass Stadion- und Sportförderprojekte (von denen dem Fußball über 90% zufließen, davon wiederum zwei Drittel allein Felcsút!) laut Amtsblatt explizit von der aktuellen Haushaltssperre ausgenommen sind. Die Kassen sind also voll, die Ränge bleiben leer...

Für mehr Medienrummel und Publikumserfolge als die EM sorgte aktuell der Auftritt Orbáns mit seinem Sohn auf der VIP-Tribüne des FIFA WM-Finals in Rio de Janeiro. Mehr dazu.

Ungarische Medien zum WM-Titelgewinn Deutschlands und zur Lage des ungarischen Fußballs... Mehr dazu.

Die Spiele bei der U19-EM werden auf Eurosport sowohl im TV wie auch im Live-Stream übertragen. Alles Weitere dazu auf der Webseite von Eurosport.

Weitere Infos zum Stadionbau in Orbáns Domäne Felcsút, dazu eine Reihe aufschlussreicher Fotos und Hintergründe auch auf dem
Blog von Pusztaranger

Die Webseite der Puskás Akademie: http://www.pfla.hu/ (Wir empfehlen besonders die deutschen Seiten, die gleich mit Blatter und dem Spruch "Wie man sät, so erntet man" der "größten Fußballanlage des Landes" beginnen: http://www.pfla.hu/?q=de )

red. / a.l.

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