THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 33 - 2014 KULTUR 16.08.2014

 

Keine Lust auf Sakraloperette: Nationaltheater in Ungarn verliert ein Drittel seiner Besucher

Die Bilanz der ersten Spielzeit des neuen Intendanten des Ungarischen Nationaltheaters in Budapest, Attila Vidnyánszky, fällt für die Befürworter einer "nationalen Kultur", also auch für die Regierung ziemlich ernüchternd aus. Während der von der Rechten (siehe: Zu links, zu frei, zu schwul!) massiv attackierte Vorgänger, Róbert Alföldi, in der Saison 2012/2013 insgesamt 129.000 Zuschauer in die wichtigste Stätte des ungarischen Schauspiels locken konnte, kamen in der abgelaufenen Saison 2013/2014 nur noch 88.000 Menschen.

Attila Vidnyánszky

 

Selbst wenn man - der Fairness halber - jeweils die erste Saison von Vidnyánszky und Alföldi vergleicht, gewinnt Letzterer mit 115.000 : 88.000 Zuschauern klar. Der Rückgang ist besonders bemerkenswert, da es seit letztem Spieljahr ein eigenes, staatlich finanziertes Schul-Theater-Besuchsprogramm gibt, das der Spielstätte tausende Zuschauer aus der Provinz zuführt.

Damit hat das Nationaltheater in nur einer Saison 41.000 bzw. fast ein Drittel der Zuschauer vergrault. Damit gehen Einnahmeausfälle von ca. 90 Mio. Forint (ca. 280.000 EUR) einher, allerdings finanzieren sich die öffentlichen Theater seit jeher nur zu einem minimalen Prozentsatz daraus. Die Ticketpreise betragen im Schnitt 7.- EUR. Sorgen ums Budget muss sich der neue Direktor, für den "Gottesglaube und Patriotismus" die wichtigsten Aspekte seiner Theaterarbeit sind, trotz des Misserfolgs seiner zum Teil monumentalen, sakral-nationalistischen Schmachtfetzen aber nicht machen. Die Regierung spendierte ihm im Frühjahr noch 200 Mio. Forint aus dem Budget des Frühlingsfestivals, um damit ein “Internationales Theatertreffen” - MITEM - aus dem Boden zu stampfen.

Róbert Aldöldi

Der von Minister Balog und seinem Großinquisitor, dem offen antisemitisch-nationalistischen Präsidenten der “Nationalen Akademie der Künste”, Fekete, explizit wegen seiner "nationalen Einstellung" berufene Vidnyánszky (vorher in Debrecen) absolvierte in der letzten Saison 340 Aufführungen, die im Schnitt 261 Zuschauer verzeichneten, sein Vorgänger brachte es auf 390 Veranstaltungen mit durchschnittlich 332. Als die Ablösung Alföldis - wegen diverser "unwürdiger" Eskapaden (natürlich war offiziell einfach die Amtszeit abgelaufen) bekannt wurde, bildeten sich an den Kassenhäuschen nochmals lange Schlangen. Der sich zuständig glaubende Regierungskommissar freute sich im Anschluss, dass mit dem Direktorenwechsel auch Schluss mit den "Schwuchteleien" am Nationaltheater sein dürfte. Mehr dazu.

Schlussensemble einer Jeanne d’Arc-Inszenierung, bei der auch der Grüne Cohn-Bendit, der EU-Rapporteur Rui Tavares (Grundrechtsbericht) sowie die bösen Medien ihre Rollen und ihr Fett abkamen, weil sie die Freiheitsikone Jeanne (lies: Ungarn) doch tatsächlich auf den Scheiterhaufen brachten. Mehr dazu bei Pusztaranger.

Die Performance des Nationaltheaters erinnert an das "Neue Theater" in Budapest, in dem, als es - auf Beschluss des Fidesz-OB - den Rechtsextremisten György Dörner als Direktor vorgesetzt bekam, mittlerweile rund die Hälfte der Plätze leer bleiben. Auch das hielt die Regierungspartei nicht davon ab, dort ein "Christliches Theaterfestival" zu finanzieren und als Vorbild zu feiern. Mehr dazu in: Teufelsaustreibungen: Budapester Bürgermeister eröffnet gemeinsam mit Rechtsextremisten "Christliches Theaterfestival".

al.

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