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(c) Pester Lloyd / 44 - 2014   BOULEVARD   30.10.2014

 

Die Orbáns "off-shore": Was macht Ungarns First Family in der Schweiz?

Verschiedene Medien warfen im Zusammenhang mit der aktuellen Protestbewegung die Frage auf, warum Ungarns Ministerpräsident Orbán sich dieser Tage so vergleichsweise rar machte und eher wortkarg auftrat. Seit seinem wunderlichen Auftritt in Brüssel vergangenen Freitag und einem grußlosen Beitrag im Parlament am Montag, war der sonst omnipräsente Premier abgetaucht. Doch das Volk sorge sich nicht: er ist schon bälde wieder da!

Die Erklärung der Internetsteuer und die Diffamierung der Protestler überließ Orbán in dieser Woche viertklassigen Knallchargen aus der Fidesz-Resterampe und um die großen Dinge des Lebens kümmerte sich zuletzt Parlamentspräsident László "Wo ich bin, ist Ungarn!" Kövér, dessen Schnauze(r) sonst nur alle halbe Jahre aus den Katakomben seiner parlamentarischen Zwingburg auf- und in die Untiefen des medialen Dschungels eintaucht. Doch wenn dem Laci die Pferde durchgehen, kann es sein, dass sein Ritt am Kossuth tér beginnt, aber erst in der mongolischen Steppe endet und Orbán, wenn er aus Brüssel - oder eben Lusanne - in die Heimat zurückfliegt, plötzlich ein Visum braucht.

 

Auch János Lázár, Orbáns Metternich und Oktopussy, sonst immer für einen freundlchen Sager oder eine kleine Hausdurchsuchung bei ausländischen Agenten gut, scheint gerade seine Angelegenheiten zu ordnen. Man kann ja nie wissen, bei diesem durchgeknallten Cyber-Mob auf Budapests Straßen. Orbáns medialstrategischer und vertragsfreier Chefberater Habony, ließ sich gestern mit einer aktuellen Zeitung auf dem Capitol Hill in Washington ablichten, um zu beweisen, dass ER nicht auf der US-Sanktionsliste steht. Die anderen, die dort NICHT drauf stehen, wurden angeblich in Anglermontur auf den großen Seen, aber noch auf kanadischer Seite gesichtet. Finanzamtschefin und Orbánvertraute Vida, ebenfalls unter - seit gestern dementiertem - Listing-Verdacht, ist seit über einer Woche im Urlaub, Zielort unbekannt. Es ist aber nicht der Balaton.

Journalisten spürten Orbán nun in der Schweiz auf, im noblen Lausanne in der Romandie spazierte er an der Seite seiner Gattin, die sich eine Auszeit von der Bewirtschaftung ihrer immer umfangreicher werdenen Güter in und um Felcsút verdient hatte. Und dazu noch der Lärm aus dem Stadion! - Erst als es davon Fotos gab, bestätigte Orbáns Sprecher den Aufenthalt auch offiziell.

Die Orbáns besuchten die älteste Tochter Ráhel, die an der exklusiven École Hoteliere Lausanne ein MBA (Master of Business Administration), also einen postgradualen Aufbaulehrgang machen wird, heißt es. Berufsbegleitend, versteht sich, denn schließlich ist die Absolventin und strahlende Siegerin eines  "Essaywettbewerbs" an der Budapester Hotelfachschule, vor einigen Monaten von einer namenlosen Praktikantin im Kempinski Sales Office direkt zur Chefberaterin des Unterstaatssekretärs für Tourismus im Wirtschaftsministerium befördert worden, wo man "ihre Meinung sehr schätzt." Ihr Chef ließ sie zuvor übrigens auch als Direktor nämlicher Schule den Essaywettbewerb gewinnen und entsorgte die durch die Anwesenheit von Orbáns wundertätiger Tochter nun unnötig gewordenen ministeriellen Altkader.

Wundertätig? Sehr wohl. Wo Orbáns Ertgeborene ihren zierlichen Fuß hinsetzt, wandelt sich pannonischer Morast sogleich in EU-geförderten Asphalt.
Wir alle haben das gesehen! Sie kann allein mit einem Handy eine ganze Hochzeitsgesellschaft erblinden und ertauben lassen und ein Augenaufschlag genügt und Papa bezahlt ihr den knapp 60.000 Franken (Schweizer) teuren MBA-Kurs an der École Hoteliere Lausanne, zuzüglich Miete, Lebenshaltungskosten und Flugtickets. Oder bezahlt das doch das Ministerium, also der Steuerzahler? Denn eigentlich hat Orbán - laut seiner Vermögenserklärung - fast kein Geld, nur seine Verwandten, Freunde und Nachbarn schwimmen im Glück, während unser Vorsitzende die karge Kost des Volkes in dessen nichtendendem Befreiungskampfe teilt.

 

Diesem Volk wäre es bestimmt eine Freude, der Kronprinzessin ihrer Wahlmonarchie ein Aufbaustudium zu bezahlen, zumal ein Vollstudium mit Vollpension dort locker 110.000 Franken gekostet hätte. Man spart so eigentlich noch! Wie wir gelernt haben, ist es doch vernünftiger Geld in die Schweiz zu schleppen als es von Norwegen anzunehmen. Ein solch edler Zweck würde sogar eine Internetsteuer rechtfertigen. Sollte Papa Orbán die Schweizer Zeche doch selbst zahlen, kann ihn Ráhels Schwager bei der steuerlichen Absetzbarkeit beraten, denn der ist - und so schließt sich der Kreis des Lebens - vor kurzem Abteilungsleiter beim Finanz- und Zollamt NAV geworden, während sich Rahéls Mann vor allem mit dem Abarbeiten überraschend vieler öffentlicher Aufträge abrackert. Nur Sohn Gáspár fällt noch etwas aus der Rolle. Seinen Fußballjob bei Papas Verein Puskás Akademie (FC Felcsút) hängte er nach dem Skandal um sein VIP-Ticket beim WM-Finale in Rio an den Nagel. Für den Vater muss das ein herber Schlag sein, der einzige Sohn, auch nur ein mittelmäßiger Hobbykicker wie er selbst. Was hat er da nur falsch gemacht? Am Ende wird der Junge noch Politiker. Wir wünschen ihm aufrichtig Glück bei seinen Emanzipationsbemühungen!

Während familiär also fast alles (an)gerichtet scheint, kann sich Papa alsbald wieder um sein ihm anvertrautes Land kümmern. Nicht das gepachtete, sondern das, nunja geschenkte? eroberte? Jedenfalls ist für Freitagmorgen wieder der gewohnte Auftritt in der "Gebetsnische" des Kossuth Rádíó geplant, wo unser Premier alle zwei Wochen in der Sendung "180 Minuten", im Volksmund: "Freitagsgebet" genannt, allfällige Missverständnisse gerade rückt und den Optimismus versprüht, den die wandelnden Computerviren auf Ungarns Straßen derzeit vermissen lassen. Es gibt also keinen Grund zur Beunruhigung.

a.l.

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