Hauptmenü

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

Ost-West-Drehscheibe
Pester Lloyd Stellenmarkt

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 45 - 2014   WIRTSCHAFT   03.11.2014

 

Russisches U-Boot in Europa: Orbán als Türöffner für Gazprom in Kroatien?

Wie mehrere kroatische Medien unter Bezug auf Regierungskreise berichten, könnten die knapp 50% MOL-Anteil (offiziell 47%) am Energiekonzern INA an die russische Gazprom gehen, statt zurück an den kroatische Staat. Will MOL die kroatische Regierung nur unter Druck setzen oder agiert Ungarns Premier Orbán einmal mehr als dienstbarer Türöffner für russische Interessen in Europa? Die USA sind verständlicherweise "not amused".

Seit über einem Jahr befinden sich MOL (Staatsanteil offiziell 24,7%, tatsächlich Sperrminorität über 25%) und INA bzw. Ungarn und Kroatien in einem regelrechten Wirtschaftskrieg. Ein kroatisches Gericht hatte Ex-Premier Sanader zu einer Haftstrafe wegen Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch verurteilt und wirft MOL-Chef Hernádi vor, den Verurteilten mit mindestens 10 Mio. EUR geschmiert zu haben, um neben den eigentlichen Anteilen auch die kompletten Managementrechte und somit die Macht im Konzern zu erhalten.

 

Hernádi dementierte das stets und lässt sich dabei von ungarischen Gerichten "freisprechen" und von Orbán in dessen VIP-Lounge im Fußballstadion demonstrativ herzen. Jetzt soll er persönlicher Berater des Premiers werden. Kroatien schrieb ihn zwischenzeitlich über Interpol zur internationalen Fahndung aus, was Premier Orbán so erboste, dass er die MOL anwies, sich von der INA zu trennen. Hier mehr dazu.

Allerdings haben bei MOL auch noch andere - internationale - Investoren und Banken ein Wörtchen mitzureden, die in Summe über ein Drittel der Anteile halten, auch wenn ihre Stimmrechte durch eine "Lex MOL" beschränkt worden waren. Gazprom drängt offenbar schon seit Monaten auf einen Verkauf der INA-Anteil, mindestens zwei direkte Verhandlungen dazu gab es bereits, im Mai und Juli.

MOL sieht den Verkauf der INA-Anteile als "eine Option", will aber offiziell lieber eine Lösung mit den Kroaten (Rücknahme der Anschuldigungen und Überlassung bzw. Legalisierung der Managementrechte) und nicht so ohne weiteres auf den zukunftsträchtigen Markt und einen Fuß im Westbalkan verzichten, neben Russland dem zweitwichtigsten strategischen Partner der Orbán-Regierung. Am INA-Anteil hängen auch lohnende Explorationsrechte im Mittleren Osten und zwar in Ländern wie Syrien, Irak, Kuwait, Jordanien, auf die Russland derzeit noch keinen Zugriff hat, was die amerikanische Nervosität erklären hilft.

Mit den 5% an der Börse vagabundieren Anteilen kann der Käufer der MOL-Anteile sich auch ohne Sondervertrag die Kontrolle über den Konzern sichern. In Kroatien ist ein Streit im Gange, ob man sich eine komplette Rückverstaatlichung - und dann womöglich Neuprivatisierung - leisten kann und antun will. Mit Gazprom als Partner könnten womöglich beide Seiten ganz gut leben, zumindest aus der kurzfristigen Naivität heraus, man würde so seine Energieversorgungssicherheit erhöhen.

Laut Reuters sind die USA gar nicht "amused" über die erneuten Avancen, die die Ungarn ihrem Gegenpol im internationalen Machtpoker erweisen - und das gerade nach dem deutlichen Warnschuss der US-Einreiseverbote. Ungarn hat sich bereits mehr als einmal als russisches U-Boot in Europa erwiesen, wobei der Atomdeal mit Rosatom samt 10 Mrd.-EUR-Kredit, der Gas-Lieferstopp an die Ukraine auf Zuruf von Gazprom-Chef Miller sowie zuletzt die direkt gegen EU-Handlungen gerichtete "Lex South Stream" die bisherigen Höhepunkte darstellen.

Offenes Geheimnis ist auch, dass sich einige mit der Regierungspartei verbandelte Geschäftsleute, darunter auch zwei enge Orbán-Vertraute über den Gasverkauf über Off-Shore-Konstrukte seit Jahren die Nase und andere Körperteile vergolden, das mafiöse Geschäftsgebahren bei Vermittlung und Handel von Erdgas hat längst russisch-ukrainisches Niveau erreicht und auch die MOL ist darin verwickelt. Wie das russische Sprichwort sagt: Wer laut Ballalaika im Wald spielen will, sollte den Bären gut kennen.... Dazu hier eine ganz aktuelle Geschichte aus dem Schweizer Tagesanzeiger.

In der Szene ist auch die feindliche Übernahme der Handelsfirma Emfesz über ein russisches Netzwerk (mit Kontakten zu den Vorgängerregierungen) in der Schweiz 2009 nicht vergessen, die belegte, dass die einschlägigen Kreise weder Skrupel haben, noch auf das gesetzliche Umfeld Rücksichten nehmen. (Hier dazu mehr, der Fortgang hier) Die Fidesz-Gerichtsbarkeit sorgte dann dafür, dass die ausgehöhlte Emfesz, die zuvor Hunderttausende Haushalte belieferte, ganz aus dem Geschäft genommen wurde und die eigenen Leute an die Tröge kommen, die diese dann bis zur Hälfte geleert haben. Mehr dazu, wie Orbán in der Energiepolitik sein Land verzockt.

Die Motive der Amerikaner sind natürlich genauso egoistisch wie die der Russen, letztlich geht es Beiden um Marktanteile und das Ausstechen der Konkurrenz, nicht um die energiepolitische Diversität und Emanzipation Europas. Und da ist es auch kein Wunder, dass der Einspruch über den denkbaren Deal ausgerechnet von einem Lobbyisten der Schiefer- und Flüssiggasindustrie in den USA kam. Dieser will nun, im Einklang mit der Regierung, eine "diplomatische Offensive" starten, was auf gut Deutsch heißt, dass man den Druck auf die Orbán-Regierung erhöhen wird.

 

Gegeben, dass weder eine amerikanische, noch eine russische Dominanz im Energiesektor gut für Europa und seine Mitgliedsländer ist, muss festgestellt werden, dass die europäischen Player aufgrund mangelnder Energiequellen nicht genügen, um die Länder ausreichend und stabil zu versorgen. Wenn dann noch solche Bananenrepubliks-Possen wie jene zwischen INA und MOL stattfinden, braucht man sich über lachende Dritte nicht wundern.

Die ganz praktische Frage ist nur, ob sich gerade Osteuropa, dessen Länder zwischen 60-100% von Russlands Gaslieferungen abhängen, noch mehr an Gazprom binden sollten. Ob Orbáns Abhängigkeit von der russischen Gunst bereits derart groß ist, wissen nur er und Putin. Allerdings ist beim immer irrationaler werdenden Regierungschef an der Donau auch eine absichtliche Provokation gegenüber Europa nicht ausgeschlossen, die er sich als "Taktik" schönredet. Hier mehr zu Orbáns irritierender Performance.

Doch die ökonomischen Annäherungen bzw. neu geschaffenen Abhängigkeiten zwischen Ungarn und Russland sind nur der eine Teil der Geschichte. Orbán kopiert immer mehr auch Putins politische Methoden. Sei es bei Themen wie den “Autonomiebestrebungen” in der Ukraine oder der Jagd auf NGO´s, vor allem aber bei seiner Auffassung von Demokratie als einer Ein-Mann-Show in einem Kreise von Oligarchen, die über ein manipuliertes, aufgehetztes und entmachtetes Volk gebieten und schalten und walten können, wie es ihnen genehm erscheint.

red. / cs.sz. / ms.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.

 

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

Unterstützen Sie den Pester Lloyd!