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(c) Pester Lloyd / 45 - 2014   NACHRICHTEN   05.11.2014

 

Abscheulich und schockierend: Ungarische Finanzamtschefin Vida gibt US-Einreiseverbot zu

Nach ihrem sehr plötzlich angetretenen Urlaub hat die Chefin des ungarischen Zoll- und Finanzamtes NAV, Ildikó Vida, am Mittwoch zugegeben, zu den sechs Personen zu gehören, die mit einem US-Einreiseverbot belegt worden sind. Das seien abscheuliche Vorwürfe, die möglichwerise von “Kreisen” kommen könnten, gegen die ermittelt wird und die “gute Kontakte zur US-Botschaft” hätten.

Vida fügte in dem Interview in der regierungsnahen "Magyar Nemzet" am heutigen Mittwoch hinzu, dass sie nicht die einzige NAV-Mitarbeiterin auf der Liste sei und sie über die sie betreffende Sanktion umgehend "einen Vertreter der Regierung" informiert habe. Stimmt das, bedeutet es automatisch, dass die Regierung und mit ihr Premier Orbán die Öffentlichkeit belogen haben, als sie behaupteten, keine Kenntnis über die Namen der Betroffenen zu haben.

UPDATE: Regierungssprecherin Kurucz sagte am Mittag, dass Vida den zuständigen Minister (Varga, Wirtschaft & Finanzen) erst “unmittelbar vor dem Interview mit der Magyar Nemzet” über den Vorgang informiert habe, ergo kein Regierungsmitglied davor darüber bescheid gewusst habe. Im Übrigen erwarte man weiterhin “konkrete Informationen und Beweise”. Das gleiche habe Generalstaatsanwalt Péter Polt von seinem US-Kollegen gefordert. Das Wirtschaftsministerium habe das Finanzamt aber zwischenzeitlich angewiesen, den Fall Bunge (ein in Ungarn tätiges US-Speiseölunternehmen, das systematischen Mehrwertsteuerbetrug bei Mitbewerbern angezeigt hatte und als ein Auslöser für die Sanktionen gilt) weiter zu untersuchen. (Was impliziert, dass man das vorher nicht tat.) /UPDATE

Ungarns TV-Marktführer RTL Klub, seit Einführung einer 40%igen Werbesteuer zur Opposition übergelaufen, spürte NAV-Chefin Vida nach Bekanntwerden der US-Sanktionen am Airport Wien Schwechat auf. Zwei Wochen später gibt sie zu, “Opfer” zu sein...

 

Vida gibt an, dass sie von der US-Botschaft schriftlich informiert worden sei, Gründe wurden aber keine angegeben. Sie sei nie in irgendwelche Korruptionsfälle involviert gewesen und werde nun jedes Blatt Papier in ihrer Behörde umdrehen, um die Verantwortlichen ausfindig zu machen, die sie und die anderen betroffenen Kollegen bei der US-Botschaft angeschwärzt hätten. Sie könn sich nur vorstellen, dass es sich um "Kreise handelt, gegen die wir Ermittlungen geführt haben und führen, die leichten Zugang zur US-Botschaft haben". Gegen solche Anschuldigungen sei sie praktisch wehrlos, will aber jetzt auch rechtlich gegen die mit den Einreiseverboten implizierten Unterstellungen vorgehen, sowohl gegenüber den Medien als auch gegenüber den US-Behörden und zwar: straf- wie zivilrechtlich. Sie habe Urlaub nehmen müssen, weil diese "abscheulichen Vorwürfe" sie "dermaßen schockiert" hätten, dass sie "für Tage nicht einmal verstehen konnte, was eigentlich mit mir passiert."

 

Ildikó Vida ist eine Fidesz-Parteisoldatin der ersten Stunde und enge Vertraute von Premier Orbán, mit dem sie seit Uni-Zeiten bekannt ist. Bereits in dessen erster Amtszeit leitete sie das Finanzamt, damals APEH. Fragen zu einer Verbindung der Fälle der involvierten US-Unternehmen mit den von Ex-Finanzamtsinspektor Horváth unterdrückten Informationen, stellte die "Magyar Nemzet" keine. Diese deuten nämlich daraufhin, dass das Finanzamt seit Jahren systematischen Steuerbetrug durch sog. Mehrwertsteuerkarusselle zumindest duldet und bei Steuerprüfungen direkt "Deals" für Kickbackzahlungen aushandelt, Firmen also erpresst. Das NAV bestreitet alles, "interne Untersuchungen" hätten alles widerlegt. Im Gegenteil: der Ex-Mitarbeiter Horváth sei der Kriminelle. Er wurde übrigens verklagt, die durch seine Informationen angeregten Ermittlungen werden unterdrückt.

In einem - ebenfalls heute erschienen - Interview in der oppositionellen “Népszabadság” deutet US-Geschäftsträger Goodfriend an, dass noch mehr als die bisher kolportierten sechs ungarischen Offiziellen mit einem US-Einreiseverbote belegt sein könnten - und das nicht nur aus Gründen der Involvierung in Korruption...

Die Opposition fordert sofort eine unabhängige Untersuchung der möglichen Gründe für die US-Sanktionen gegen Vida und Mitarbeiter und bis zur Klärung die Suspendierung der Betroffenen. Fidesz-Staatsanwalt Polt und die Regierungen lehnen Ermittlungen ab, so lange es “keine Beweise” gibt.

UPDATE: Sowohl die Regierungspartei Fidesz als auch die Oppositionspartei MSZP will den US-Geschäftsträger in Budapest, André Goodfriend für die kommende Woche "im Rahmen des diplomatischen Protokolls" zu einer Sitzung des Parlamentsausschusses für Nationale Sicherheit "einladen". Bei dessen heutiger Sitzung waren u.a. Vertreter des Geheimdienstes, des NAV sowie Innenstaatssekretär Tasnády anwesend. NAV-Chefin Vida kam, trotz Einladung nicht, Gründe unbekannt. /UPDATE

Zu den US-Einreiseverboten:

Der Warnschuss: US-Sanktionen gegen Ungarn (Erstbericht vom 19. Oktober)

"Klare Warnung": Fortgang der Affäre um US-Einreiseverbote (21. Oktober)

Beginnender Kontrollverlust: Orbán und Ungarn am Scheideweg
(27. Oktober Orbán äußert sich erstmals zu US-Sanktionen)

Außer Spesen...: Ungarns Außenminister in den USA wie Pizzabote empfangen
(23. Oktober)

Einschüchterungsversuch? Pester Lloyd im Fadenkreuz der ungarischen Regierung
(30. Oktober)

Zu den Vorwürfen gegen das NAV / Korruption:

Verbrechenszentrale Finanzamt? Ex-Fahnder: Steuerbehörde und Politik in Ungarn decken und organisieren Milliardenbetrug

Steuerskandal Ungarn: Hausdurchsuchung bei Aufdecker Horváth

Schattenreich der Kleptokraten - die Legalisierung des Illegalen

red.

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