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(c) Pester Lloyd / 46 - 2014   POLITIK   12.11.2014

 

Für Geld und Gas: Orbán singt wieder ein Loblied auf die Diktatur

Ungarns Premier Orbán empfing am Dienstag den Präsidenten Aserbaidshans, Ilham Aliyew, in Budapest. Ungarn erhofft sich aus dem Öl- und Gasreich zwischen Kaspischem Meer und Kaukasus billige Energie, Investoren, lukrative Aufträge und zahlungskräftige Studenten. Orbán sang ein kaum mehr verklausulierten Loblied auf autoritäre Regime und verkündete stolz, dass er ganz "Mitteleuropa" bald mit Gas aus der Autokratendynastie versorgen wird.

Nur jene Länder, "die ihre Interessen klar ausdrücken und realisieren, werden erfolgreich sein", "nur Ländern, die ihr eigenes politisches System haben und damit - sei es nun parlamentarisch oder ein Präsidialsystem - ihren Gesellschaften eine klare politische Führung geben, wird das Glück hold sein." Sowohl in "Aserbaidshan als auch in Ungarn gibt es "klare Strategien, die in die richtie Richtung weisen." Das erklärte Ungarns Regierungschef bei einem bilateralen Business-Meeting in Budapest am Dienstag.

 

Der von Ex-Kanzler Kohl gerade wieder zum "großen Europäer" geadelte Premier fuhr fort: "Beide Länder respektieren traditionelle Werte". "Sie widerstehen der Versuchung, sich über alles lustig zu machen. Sie erklären, dass man die Familie nicht zum Witzobjekt machen soll oder Späße über die Nationen treiben soll. Stolz ist wichtig, daher muss man alle Nationen respektieren."

Sein Ungarn werde - zusammen mit Mitteleuropa (er meint Ostmitteleuropa) "der Wachstumsmotor Europas" sein, Ungarn habe dazu ein "stabiles politisches System mit stabilen Finanzen, Banken und Haushalt sowie himmelsstürmende Exporte." Daher könne man auch "ein stabiler Brückenkopf für Nicht-EU-Geschäftsleute sein, die "Interesse am EU-Markt" haben. "Aserbaidshan ist ein Vorbild." schloss Orbán, ergänzte aber: "dafür wie ein Land den Reichtum der Ressourcen zur Entwicklung der gesamten Wirtschaft einsetzen kann."

Präsident Ilham Aliyew, Sohn des Staatsgründers, ehemaligen Politbürosmitglieds der UdSSR und heute als Halbgott verehrten (gestorben 2003) Hajdar Aliyew sowie Oberhaupt des alles beherrschenden Familienclans einer nepotistischen Bilderbuch-Plutokratie lobte die "Verteidigung der nationalen Interessen und politischen Souverenität", die er in Ungarn beobachte. Die strategische Partnerschaft mit dem Land sieht er als eine Blaupause für andere EU-Staaten.

Ungarn will in erster Linie an das Erdgas aus Aserbaidshan, das man im Tausch gegen Staatsanleihen meint, besonders billig bekommen zu können. Freilich haben diese Schuldscheine die unangenehme Nebenwirkungen irgendwann fällig zu werden und zudem noch jährlich Zinsen zu kosten, aber das sind keine Sorgen von Heute. Mehr noch, Orbán - ausgerechnet - nimmt für sich in Anspruch "Mitteleuropa" so quasi im Alleingang von der Energieabhängigkeit von Russland zu befreien.

Außerdem schielt man auf zwei Infrastruktur-Großprojekte, bei denen ungarische Unternehmen groß mitverdienen können. Den Bau einer Milliarden-Dollar teuren Pipeline als Basis für eine Megaleitung, die durch den ebenfalls umworbenen Iran und die ohnehin wesensgleich regierte Türkei Megaprojekt hin zum Balkan und nach Ungarn führen soll - wenn die Russen nichts dagegen haben. Auch wollen die Azeris ihr Eisenbahnnetz ausbauen und haben Know how-Bedarf im Agrar- und Wasserwesen. Ungarn hingegen freut sich schon heute über mehrere Hundert gutbetuchte Studenten an seinen Medizin- und Technikunis. Die Freunde in Moskau haben den Ungarn Aserbiadshan (neben Weißrussland) zudem als Drittland für die Umgehung der Sanktionen anempfohlen.

Die Beziehungen zwischen beiden Ländern erleben gerade ein "nie dagewesenes Hoch" wie eine Presseaussendung beider Staatsfunkanstalten verkündet, die sich fast nicht mehr voneinander unterscheiden lassen. Orbán nahm es beim beim Ausbau dieser Beziehungen mit dem "Respekt vor allen Nationen" nicht so genau. Der entscheidende Türöffner nach Baku war nämlich die Auslieferung eines wegen des Mordes an einem armenischen Militärangehörigen in Ungarn einsitzenden aserbaidshanischen Offiziers, die sogenannte "Axtmörderaffäre". Aserbaidshan ließ den Mann noch am Flughafen frei, hängte ihm einen Heldenorden um. Armenien war tief verletzt, brennende Ungarn-Flaggen und der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden "christlichen Nationen" waren die Folge.

Während die unabhängigen Medien die Äußerungen und Begegnungen eher mit Galgenhumor kommentieren, sieht die Opposition in den jüngsten Gästen und Reisezielen (
Aktuelles dazu und weiterführende Links) der ungarischen Regierung einen "Spiegel unseres Standings in der Welt." und ein gefährliches Wegbewegen von Europa. Während westliche Regierungschefs Ungarn konsequent meiden, haben wir "das Vergnügen" den aserbaidshanischen Diktator in Budapest begrüßen zu dürfen. "Dahin hat uns Orbán gebracht." resümiert eine Abgeordnete der kleinen Partei "Gemeinsam 2014".

Aserbaidshan wurde mit dem Ende der Sowjetunion unter dem Alijew-Clan mit einer nationalistisch-religiösen Wende aufgefangen und hat sich mit Russland arrangiert, auch wenn es sich wegen Bergkarabach politisch nur um einen Burgfrieden handelt. Die von Russland unterstützten Armenier halten immerhin rund 20% des Staatsterritoriums besetzt, was Aserbaidshan auch in der Ukraine-Frage oder der Georgien-Politik (Süossetien) vom ehemaligen großen Bruder distanziert. Allerdings will man den Vorwurf, die armenische Minderheit politisch, ökonomisch und religiös unterdrückt zu haben, nicht eingestehen.

 

Finanziert wurde und wird die Neuerfindung des staatsislamisch geprägten Landes (85% Schiiten, 15% Sunniten, überwiegend gemäßigte Ausprägung) durch Öl- und Gasmilliarden, an denen - neben der Herrscherfamilie - vor allem heimische - und eben auch russische - Oligarchen mitverdienen. Die Wahlen, bei denen Aljew stets mit 80-90% als Gewinner hervorgeht, werden von der OSZE als "unfair und fern demokratischer Normen" beschrieben, kritische Medien und (echte) Oppositionsparteien werden unterdrückt und verfolgt, so ein "Aufkauf" nicht gelingt. Mehrere Hundert "Politische" sollen in den Gefängnissen sitzen. Die Aliyews liegen bei allen nur erdenklichen Rankings zu Korruption und Amtsmissbrauch vorn. Dennoch darf das Land seit Mai den Vorsitz im Europarat, Hüter der Europäischen Menschenrechtskonvention, führen.

red.

Die Mehrfachdemokraten: Orbán bei Freunden in Bayern

Ungarns Ministerpräsident besuchte am Donnerstag Bayern, "den Ort in Europa, wo Ungarn verstanden wird." Neben dem Austausch von Nettigkeiten mit Horst Seehofer, Demokratie- und Europabekenntnissen, sprach Orbán auch den "starken Druck" an, dem er von den USA wegen seiner Russland-Politik ausgesetzt sei. Er verteidigte sie und sich, auch gegen die "Attacken der westlichen Presse und anderer Gruppen". In der Ukraine-Frage will er eine Allianz "hinter Deutschland" aufbauen.

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