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(c) Pester Lloyd / 48 - 2014   POLITIK   23.11.2014

 

Angriff auf 2/3-Mehrheit? Nachwahl in Budapests IV. Bezirk soll Richtung weisen

UPDATE, 20:04 Uhr: Nach 90% ausgezählter Stimmen (Stand: 19:56 Uhr) führt der MSZP-Kandidat mit knapp 51% der Stimmen deutlich vor dem Fidesz-Herausforderer mit 30,6%. Auf Rang 3 liegt Jobbik mit 9,8%, die LMP kommt auf 5,1%. Das Mandat geht also an die MSZP. Die Wahlbeteiligung lag bei rund einem Drittel.

Erstbericht: Heute findet im Pester Norden, im IV. Budapester Bezirk, Újpest, eine Nachwahl für ein Direktmandat im Parlament statt (11. Wahlbezirk). Das war nötig geworden, weil im August der langjährige MSZP-Politiker und ehemalige Minister Péter Kiss verstorben war. 78.000 Bürger sind aufgerufen, ihre Stimme für einen der dreizehn Kandidaten abzugeben.

Während Kiss bei den Wahlen im April das Direktmandat mit 40,75% erobern konnte, vor allem auch deshalb, weil er als gemeinsamer Kandidat der linken Parteien (MSZP, E2014-PM, DK) antrat, erlangte sein Fidesz-Herausforderer Hollósi 35,3% und gilt für heute als Favorit, da das Oppositionbündnis mittlerweile in sämtliche Einzelteile zerfallen ist. Bei den Kommunalwahlen im Oktober siegete ebenfalls der Fidesz-Kandidat, mit über 52% der Stimmen.

 

Die MSZP geht mit Imre Horváth, einem Ex-Grenzbeamten ins Rennen, dem die Regierungspresse eine "KGB-Karriere" vorwirft. Er genoss 1984 eine Ausbildung in einer einschlägigen Kaderschmiede in Moskau, für die Ausbildung von "höheren Kommandokadern". Der Regierungszeitung "Magyar Nemzet" gelang es gar, eine Kopie seines damaligen Dienstausweises aufzutreiben. Ihm gegenüber stellt man den Fidesz-Kandidaten Hollósi als einen situierten Bürger, der seit über deri Jahrzehnten als Arzt für die Bürger tätig ist. Die MSZP hält das alles für eine billige Ablenkung, Horváth habe sich an der Heimat verdient gemacht und sei ein professioneller und unbestechlicher Lokalpolitiker. Ginge es nach Moskau-Kontakten früher und heute, dürfte die gesamte Fidesz nicht mehr zu Wahlen antreten, entgegnete man trotzig.

Während die grüne LMP im April rund 7,5% erreichte und damit genau die Prozentpunkte binden wird, die für eine Verhinderung des Fidesz-Sieges nötig wären, schnitt der Kandidat der Jobbik, Tibor Pajor damals mit 12,7% ab. Für die rechtsextreme Partei tritt heute jedoch ein lokaler Promi an, der Ex-Fußballer Flórián Urbán, der mehrere Jahre für den Újpest FC sowie vierzig Mal für die Nationalmannschaft spielte. Ihm wird ein besseres Ergebnis, wenn auch nicht der Wahlsieg, zugetraut, was die Chancen für den Fidesz-Mann, dem eine relative Mehrheit genügt, weiter erhöht.

Die Wahl ist deshalb von einer gewissen landesweiten Bedeutung, weil die 2/3-Mehrheit der Regierungsparteien Fidesz-KDNP nur auf zwei Mandaten beruht. Sollte ein Nichtregierungskandidat diese Nachwahl sowie die für Frühjahr 2015 im Wahlkreis von Tibor Navracsics angesetzte (der als EU-Kommissar nach Brüssel entsandt wurde und deshalb sein Mandat niederlegte) für sich entscheiden, wäre die Zweidrittelmehrheit geknackt.

 

Zwar ist der Einsatz dieser verfassungsändernden Mehrheit für ein Durchregieren kaum mehr nötig, da die konstitutionellen Grundlagen einer "illiberalen Demokratie" nach Orbáns Muster längst vorhanden sind und der Rest durch einfache Gesetze bzw. Dekrete erledigt werden kann, doch die Beendigung der Supermehrheit hätte nicht nur rein symbolischen Charakter. Immerhin können Geschäftsordnungsanträge der Opposition im Hohen Hause nicht mehr einfach abgeschmettert werden, Redezeiten verändern sich und auch die Zusammensetzung einiger Parlamentskomitees wird so verändert, dass bestimmte Themen, die heute gerne unterdrückt werden, es überhaupt wieder auf die Tagesordnung und damit in die Öffentlichkeit schaffen können.

Das Ergebnis teilen wir gegen 20 Uhr auf dieser Seite mit.

red.

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