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(c) Pester Lloyd / 50 - 2014   POLITIK   08.12.2014

 

"Ungarn wird angegriffen": Orbán zu McCain, Korruption, South Stream, Paks, Ladenöffnung

Senator McCains Aussage, er sei ein "neofaschistischer Diktator" sei ein "Angriff auf die nationale Souveränität Ungarns", sagte Orbán am Freitagmorgen auf Kossuth Rádió in der Sendung "180 Minuten", die als "Freitagsgebet" längst Eingang in den Volkshumor gefunden hat. Die Äußerungen des Republikaners seien nur die Spitze einer Reihe von äußeren Attacken auf Ungarn, zu denen auch die US-Unterstellungen von Korruption an der Spitze des Fianazamtes NAV zählten.

Der “angegriffene” Orbán im “situation room” des Staatsrundfunks... Mehr zu Orbáns “Strategien” und einem beginnenden Kontrollverlust hier.

Er habe mit der NAV-Chefin Vida gesprochen und für ihn sei es nun klar, dass es Zeit sei, dass sie "rechtliche Schritte" gegen die "unhaltbaren und unbewiesenen" Vorwürfe ergreife. Das sei nach "all dem Blabla" nun "die einzige Sache, die sie tun könne" und dafür gebe es "in Ungarn rechtliche Grundlagen".

Wie diese aussehen sollen, sagte Orbán nicht. Denn der US-Gesandte Goodfriend, der von "klaren Beweisen" sprach, ist als Diplomat in Ungarn nicht anklagbar, Vida könnte gegen das gegen sie und fünf andere Offizielle verhänge Einreiseverbot nur in den USA selbst vorgehen, was womöglich eine Öffnung der Akten zur Folge hätte und auf Vida zurückfallen könnte. Goodfriend kann Ungarn höchstens ausweisen. Ein Schritt, den sich Orbán jedoch dreimal überlegen wird, bei aller kämpferischen Rhetorik.

Doch was ist, wenn die Vorwürfe gerichtlich Stand halten? Orbán: dann geht sie ins Gefängnis. Der Interviewer fragte jedoch nicht, warum die ungarische Staatsanwaltschaft bisher nicht einmal Vorermittlungen einleitete. Auch die täglich neuen Vorwürfe gegen Politiker aus seinem Umfeld, spielten in dem Gespräch keine Rolle enbensowenig die Frage, wie die gewachsene Nähe und Abhängigkeit zu Russland mit dem Souveräntität-Statement in Einklang zu bringen sei.

Orbán finde McCains Bemerkungen darüber, er hätte das System demokratischer Kontrollen in Ungarn "zerstört", eine "Provokation", die McCain selbst disqualifiziere. Er kämpfe dafür, dass Ungarn seine Souvernität erlange. "In den heutigen, modernen Zeiten, könne eine Nation ihre Unabhängigkeit auf drei Feldern erreichen: finanziell und mit Blick auf Energiequellen und -belieferung". Weil Ungarn das anstrebe, sei es "Angriffen ausgesetzt."

Ungarn habe die gleiche Schlacht schon mit der EU geschlagen, sie seien Vergangenheit, denn er habe "Ungarn beschützt" und die "Energiepreissenkungen gegen den Willen Brüssels durchgesetzt." Aber auch gegenüber den USA gelte: "Wir sind keine Kolonie!", - ein Satz, der durch die "Friedensmärsche" der Regierungsanhänger geprägt und von der Regierung auch in Anzeigenkampagnen aufgenommen wurde.

Der US-Gesandte Goodfriend hatte am Wochenende in einem Zeitungsinterview erklärt, dass er nicht alle Äußerungen McCains teile, sehr wohl aber dessen Bedenken über demokratischen Kontrollabbau und “good governance” (Transparenz, Mechanismen gegen Korruption und Amtsmissbrauch, Bürgerzugang etc.). Gleichzeitig empfahl er Ungarn, seine Energieversorgung wirklich zu diversifizieren, anstatt sich noch enger an Russland zu binden. Die USA würden Europa beim Ausbau der Energieunabhägigkeit helfen, Lieferungen aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie “sogar aus den USA” nannte der Gesandte als Alternativen und bestätigte damit die Skeptiker, die in den US-Sanktionen gegen korrupte Oppfizielle nur einen Vorwand erkennen, um Ungarn wegen seiner russlandfreundlichen Politik unter Druck zu setzen.

 

Hinsichtlich des Stopps von South Stream erklärte Orbán, dass es in "Ungarns vitalem Interesse liegt, eine Pipeline zu haben, die die Ukraine umgeht." "Wir müssen machen, was die Deutschen taten (Ostseepipeline)." Nabucco sei gescheitert, nun ist auch South Stream "vorbei." Orbán sagte auch, dass die EU “alles dafür getan” habe, das Projekt zu boykottieren, wörtlich “zu verhindern”, - was ziemlich genau die Position Putins wiedergibt, der übrigens am Sonntag mit Orbán und dessen Amtskollegen Nikolic über “weitere gemeinsame Energieprojekte” nach dem Aus von South Stream telefonierte. Sprachregelung des Kreml und seiner Hofmedien: die Europäer wollten South Stream nicht, nun müssen sie sich eben mit der Türkei arrangieren, durch die wohl die Alternativroute gelegt wird, was alles verteuert und auch politisch nicht unbedingt sicherer mache.

Befragt, was nun mit dem durch einen 10 Mrd EUR-Kredit finanzierten Ausbau des AKW Paks geschehe, sagte Orbán kryptisch, dass "Jede internationale Vereinbarung von zwei Parteien unterzeichnet wird. Wenn eine der beiden Parteien enscheidet, das Projekt nicht umzusetzen, hat das Konsequenzen." Auch das ein Zeichen, dass Paks II vor dem Aus stehen könnte...

Hinsichtlich der Bankenpolitik (Forex-Umtausch, siehe Ressort FINANZEN) bestätigte Orbán, dass es sein Ziel gewesen sei, den “Banken mindestens 1000 Milliarden Forint” zu entziehen und den “Menschen zurückzugeben”. 1000 Milliarden ist die gleiche Summe, die Ungarn laut den Aussagen von Insidern jährlich durch amtlich geförderten Steuerbetrug verliert...

Hinsichtlich der Idee der Sonntagsschließung sagte Orbán, dass “die ungarischen Menschen” mal eine Konsumpause brauchten und die Zahlen von 12.000 (Schätzungen gehen bis 30.000) Arbeitsplätzen die dadurch verloren gingen, “glaube ich nicht.” Das Gesetz wurde zwischenzeitlich so modifiziert, dass CBA Geschäfte nicht betroffen sein werden. Bereits in dieser Woche wird es durchs Parlament gewunken.

red.

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