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(c) Pester Lloyd / 49 - 2014   BOULEVARD   30.11.2014

 

"Luxemburg ist doch nicht off-shore": Aktuelles aus Orbánistan

Ein Vizeparteichef reist für ein Stones-Konzert nach Neuseeland, Orbáns Kanzler posiert mit einer Rolex im Parlament, der Außenminister mit der fremdfinanzierten Villa hievt unterqualifizierte Sportskameraden in Top-Jobs und Orbáns Kommunikationschef “kommuniziert” sich billig eine öffentliche Immobilie ins Portfolio, off-shore, versteht sich. Das sind zwar alles Peanuts im Vergleich zum großen, strukturellen Raubzug, aber auch kleine Charakterstudien.

Zunächst die Lapalien der Woche: Fidesz-Vizechef und Ex-Bürgermeister von Debrecen, Lajos Kósa, flog vor zwei Wochen mit Kollegen für den Besuch eines Rolling Stones Konzertes nach Neuseeland, mit dabei eine "Dokumentarfilm"-Crew, die vom Debrecener Stadtfernsehen finanziert wird (beide haben den gleichen Direktor) und die - so zumindest der Verdacht der Opposition - die Spesen der Reisegesellschaft, man schätzt mind. 1 Mio. Forint pro Nase, mit abdeckt. Es sei alles in Ordnung, wurde ausgerichtet, alles Privatsache und privat bezahlt.

Orbáns “Kanzler”, János Lázár, vergangene Woche im Parlament

Am Arm von Kanzleramtsminister Lázár, dem engsten politischen Vertrauten Orbáns, entdeckten Fotografen im Parlament eine Luxusuhr (Rolex Bubbleback) im Wert eines gesetzlichen Jahres-Mindestlohnes, also über 3.000 EUR. Dabei nimmt sich die Vermögensdeklaration des Mannes, der erklärte, dass jeder eigentlich nur so viel wert ist, wie er verdient, eher bescheiden aus. Neid der Besitzlosen! Die Zurschaustellung materiellen Reichtums hat mit Audi V8, Luxustäschchen und anderen Präziosen, aber auch mit Fasanenjagd, VIP-Lounges, ja ganzen Stadien längst eine gewisse Tradition. Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser lebt´s sich ohne ihr...

Die Herkunft der Gelder für die Luxusvilla des Außenministers Szijjártó ist bis heute nicht vollständig geklärt, die Diskrepanz mit seiner Vermögensdeklaration besteht weiter, doch Ermittlungen gegen Mitglieder der Regierungspartei sind etwas aus der Mode geraten, nur bei den Sozis, da bleibt man dran: in der kommenden Woche wird man Ex-MSZP-Vize Simon vor ein Parlamentskomittee laden, um die Herkunft von fast 1 Mio. EUR auf öst. Bankkonten zu erkunden, die dieser nicht deklarierte. Auch die Geheimdienste helfen dabei mit. Simon, der nach U-Haft derzeit unter Hausarrest steht, hatte nämlich urplötzlich eine Steuerschuld von 128 Mio. Forint beglichen, schweigt sich aber über die Herkunft der Summe weiterhin aus.

Für die Regierungspartei ist jetzt schon klar, dass es sich nur um schwarze MSZP-Gelder handeln kann. Dass gegen den Betreffenden bereits gerichtlich vorgegangen wird, meldete man bei eigenen Parteigenossen bisher als Grund an, nicht gegen sie parlamentarisch zu ermitteln. “Das sei ausgeschlossen”, schon wegen der Gewaltenteilung. Aber manche sind eben gleicher und gegen das wirklich Böse, müssen die “Gewalten” wohl vereint werden. Zudem, fügte der Ausschussvorsitzende hinzu, erfülle man ja damit nur eine Foderung der USA, Korruptionsvorwürfen endlich nachzugehen. Daher lud man nun auch den US-Gesandten Goodfriend ins Parlament ein. Immerhin eine Chance für den “Weltpolizisten”, dem Ausschuss und seinem Vorsitzenden zu sagen, was noch offen wäre...

Doch zurück zu Minister Szijjártó, er outete sich letzte Woche als wahrer Menschenfreund, denn er stellte mehrere Kameraden aus seinem Hallenfußballteam in hohe Posten ins Außenministerium ein, obwohl er zuvor über 100 Mitarbeiter feuern ließ und seine Freunde nicht einmal die formalen Mindestanforderungen für den öffentlichen Dienst, geschweige denn jene für Führungspositionen im Diplomatischen Dienst erfüllen. Jährlicher (materieller) Schaden: ca. 50 Mio. Forint. Ermittlungen? Welche Ermittlungen? Der Interessenskonflikt als juristische und strafbewährte Kategorie wird demnächst ohnehin abgeschafft sein.

Nun zur eigentlich Story des Tages:

Ex-Orbán Sprecher András Giro-Szász, Mitgründer des wegen Geldwäsche-, Vetternwirtschaft und Korruptionsverdachtes (Milliarden Steuergelder für nutzlose Pseudo-Studien!) über die Landesgrenzen hinaus berühmten Fidesz-"think tanks" Századvég, und seit neuestem oberster Kommunikationsberater Orbáns im Range eines Staatssekretärs, ist Mitbesitzer eines künftigen Altstadthotels in Budapest. Das wäre an sich noch nicht problematisch, allein die Hotel-Immobilie in der zentralen Dorottya Straße im V. Bezirk war bis eben noch in Bezirksbesitz und amtliche 776 Mio. Forint wert, wurde aber "in einer EU-konformen Ausschreibung" für gerade 582 Mio. Forint an die "meistbietende Firma" verkauft. Eigentlich waren solche Deals bisher die Spezialität der “sozial-liberalen” Vorgängerregierungen, nun hat die Regierungspartei ihnen also auch das letzte Marktsegment entrungen.

Der doch auffällige Preisnachlass wird mit Wertverlust wegen der Lehman-Krise begründet, was Experten für diese Lage und Qualität als Nonsense darstellen, schon der amtlich ermittelte Wert liege unter dem erzielbaren Marktwert. Aber nein: das Gebäude stand leer und mehr hat eben keiner geboten. Die Firma die gewann, ist ein in Luxemburg registriertes Unternehmen, "das man schwerlich als Off-Shore bezeichnen kann, da Luxemburg ja ein EU-Mitglied ist", ließ der V. Bezirksvorsteher wissen. Für Gibraltar und Zypern gilt ja quasi das gleiche.

 

Die Firma, die in dem erworbenen Gebäude das Hotel errichten und betreiben wird, gehört zu einem Fünftel Herrn Giro-Szász (Safe Port Project Kft als Miteigner der Dorottya 8 Hotel Kft), fand index.hu heraus, dem also nun vorgeworfen wird, seine Parteikontakte (Bezirksbürgermeister war zum Zeitpunkt des Deals Fidesz-Fraktionschef Rogán) genutzt zu haben, um sich wirtschaftliche Vorteile zum Nachteil öffentlicher Finanzen verschafft zu haben. Ob Giro-Szász oder andere Fidesz-Kameraden über das Luxemburg-Konstrukt nun Eigentümer der Immobilie sind, lässt sich (Danke, hier nochmals an Herrn Juncker!) aufgrund der katastrophalen Intransparenz in Luxemburg nicht so leicht feststellen. Dass es gemeinsame Interessen gibt, ist indes klar.

Nun, die Oppositionpartei DK hat Anzeige gegen die involvierten Personen erstattet, hätte ihre Klage aber auch in einem Zettel in die nächste Mauer stecken können. Giro-Szász beklagt sich hingegen, dass sein Name "mit der Transaktion in Verbindung gebracht" wurde, immerhin habe die Firma bereits 50% des Gebäudes erworben, Jahre bevor er Miteigentümer wurde. Darum geht es bei den Vorwürfen zwar überhaupt nicht, aber Orbáns Kommunikationschef wird schon wissen, was er wie und warum sagt. Deals von Behörden mit öffentlichen Geldern mit Off-Shore-Konstrukten oder Unternehmen mit "unklarer Eigentümerstruktur" sind nämlich gestezlich sogar in Ungarn (noch) verboten. Es scheint also nichts unklar zu sein...

red. / cs.sz.

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