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(c) Pester Lloyd / 49 - 2014   POLITIK   04.12.2014

 

Ursache und Wirkung: Medien und Politik in Ungarn debattieren "Faschisten"-Sager von McCain

Das ungarische Außenamt hat noch am Mittwoch den US-Gesandten André Goodfriend als höchsten Repräsentaten der USA in Ungarn einbestellt. Empfangen wurde dieser nicht von Außenminister Szijjártó, sondern von Staatssekretär Levente Magyar, derselbe, der ein Chronologie der Bemühungen der Amerikaner um Aufklärung in verschiedenen Korruptionsfällen mit amtlicher Involvierung kürzlich als wertlosen Fetzen qualifizierte.

Erwartet einen Anruf aus Budapest. Senator McCain hat sich dazu extra ein abhörsicheres Modell aus russischen Beständen organisieren lassen...

Magyar begrüßte, dass mit der Ernennung von Colleen Bell zur neuen Botschafterin in Ungarn nunmehr "endlich die volle diplomatische Repräsentation der USA in Ungarn wiederhergestellt" sei, was übersetzt aus dem diplomatischen Jargon auch heißen kann, dass er Goodfriend, der als Gesandter über ein Jahr botschafterlos die Geschäfte führte, von nun als als herabgestuft ansieht.

 

Der Staatssekretär bat jedoch auch darum, dass "US-Offizielle davon Abstand nehmen, die Fakten zu ignorieren, wenn sie Kommentare über Ungarn abliefern." Außerdem werden die ungarische Botschaft in Washington Senator McCain "persönlich in der Sache kontaktieren." Die Entgegnung von Goodfriend, in Ungarn seit der Verhängung der Einreisesanktionen gegen sechs Offizelle, ein Dauergast in den Spalten ungarischer Medien und der "Gottseibieuns" der Regierung, enthält uns die amtliche Nachrichtenagentur vor. Immerhin ist McCain, zwar Senator, aber ein Oppositionspolitiker und daher gar kein "US-Offizieller".

Die medialen Reaktionen auf den Sager McCains waren sich einig darin, dass die Aussage des Senators falsch, zumindest übertrieben ist. Dem Regierungslager war die Enttäuschung über den Abfall der republikanischen Seite von der Orbán-"Front" deutlich anzumerken. Schuld an all dem seien freilich nicht die korrupten Vorgänge in und um die Regierung, sondern die Medien in Ungarn und im Ausland sowie ihre "linksliberalen Zuträger".

Kommentatoren des Fidesz-Spektrums nannten McCain einen Heuchler und "amerikansichen Prototypen" an Verlogenheit (Zsolt Bayer), da man nicht nur Orbán bzw. Ungarn für eigene politische Zwecke (lies: Opposition zu Obama) missbrauche, sondern hinsichtlich Rechtsstaat und Demokratie angesichs des eigenen Standings (Einmischung in Ukraine, Guantánamo, Polizeimorde) sich hinsichtlich Urteilen über andere Staaten besser zurückhalten sollte.

 

Für unabhängige bzw. oppositionsnahe Medien ist McCains Bewertung zwar auch nicht gerade sachdienlich, aber auch eine Konsequenz der verfehlten Außen- und Bündnispolitik Orbáns, ohne die es nie zu solchen Missverständnissen gekommen wäre. Nach der Kritik Obamas und Clintons und den Einreisesanktionen, habe sich nichts am Verhalten der Regierung geändert. Dies sei aber - auch ohne Hinweise aus dem Ausland - dringend geboten, wenn man überhaupt noch als Demokratie wahrgenommen werden wolle. Stattdessen kommen jeden Tag neue Bereicherungsskandale führender Politiker ans Licht und fährt die Regierung einen Geheimhaltungskurs beim AKW-Projekt mit Russland und bei allen anderen Maßnahmen, bei denen öffentliche Gelder in private Hände fließen. Klar ist, dass Ungarn in die falsche Richtung gehe und Orbáns "Pro-Putin"-Politik die Reputation des Landes unterminiere. Man solle McCains Auftritt als peinlichen Auftritt sehen, doch Orbáns Performance sei es ebenso.

Die extreme Rechte findet es "bedenklich", dass der US-Politiker Worte anschlägt, denen bei anderen Ländern bald kriegerische Taten folgten und meint, Ungarn sei durch die "Einmischung der Amerikaner in innere Angelegenheiten" akut durch die "Weltmacht" bedroht. Man solle natürlich nicht mit Putin "ins Bett steigen", sagt Jobbik, deren Topfunktionäre enge Kontakte zum Geheimdienst und regierungsnahen, nationalistischen Kreisen in Russland nachgewiesen wurden, sondern den Ukraine-Konflikt "neutral" begleiten, was allerdings auch hieße, dass man sich nicht an Sanktionen beteiligt.

red.

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