Hauptmenü

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

Ost-West-Drehscheibe
Pester Lloyd Stellenmarkt

 

 

(c) Pester Lloyd / 04 - 2015   NACHRICHTEN   19.01.2015

 

Gedenken im Angesicht von Revisionismus und Xenophobie: 70 Jahre Befreiung des Budapester Ghettos

Jüdische Gemeinden, Vertreter der Politik und der Zivilgesellschaft gedachten am Sonntag in der Großen Synagoge in der Dohány utca dem 70. Jahrestag der Befreiung des jüdischen Ghettos von Budapest durch die Rote Armee, 1945.

Stilles Gedenken in lauter werdenden Zeiten am Sonntag in Budapest...

András Heisler, Präsident des Dachverbandes Mazsihisz, sprach von "gespaltenen Gefühlen" angesichts dieses Jubiläums, denn die Freude über die Befreiung und damit die Rettung Zigtausender Budapester Juden geht einher mit der tiefen Trauer über den Tod Hunderttausender, die in den deutschen Vernichtungslager umgebracht wurden. Und so, ergänzte Oberrabbiner Róbert Fröhlich, feiere man jedes Jahr mit der Erinnerung an die Millionen Toten des Holocausts auch immer ein Fest der Wiedergewinnung des Lebens. Rabbi Tamás Verő erläuterte, dass dem ländlichen ungarischen Judentum die Rettung versagt blieb und es vernichtet wurde und "hätte die Rote Armee unsere Ahnen nicht befreit, wären wir alle heute nicht hier."

Die ungarische Regierung war mit Justizminister László Trócsányi vertreten, der versicherte, dass die Regierung "alles tun wird, damit sich so etwas nicht wiederholt" (?!)

Zwischen den jüdischen Gemeinden bzw. Verbänden und Premier Orbán kam es im Vorjahr, dem amtlich ausgerufenen "Holocausgedenkjahr" zum Zerwürfnis über den Geschichtsrevisionismus der Regierung, der sich die Reinwaschung der Horthy-Ära zum Ziel gesetzt hat.

Die Regierung riss nicht nur die Gestaltung des Gedenkens an sich, sondern maßt sich auch eine Neuinterpretation der Geschichte an, die bis zu einer partiellen Holocaustleugnug ausartete und über die Ausstattung und Bespielung neuer bzw. bestehender Gedenkstätten, die Errichtung umstrittener bis völlig absurder Mahnmale bis hin zur Einsetzung eines "Wahrheits"-Instituts geht (das Geschichtsinstitut Veritas), das hinfort die Interpretation der Ereignisse in den 20-40er Jahren des 20. Jh. im Sinne eines als Vorbild wirkenden Ständetsaates zurechtbiegt - bis hinunter auf die Ebene der schulischen Lehrpläne.

 

Irgendwann wurde es 2014 den Vertretern jedoch zu bunt, sie kündigten die Kooperationen auf, auch das Jerusalemer Yad Vashem Institut und andere internationale Partner gingen auf Distanz. Orbáns Kanzler Lázár bezichtigte daraufhin das Budapester Judentum, "die ungarische Gesellschaft zu spalten".

Orbán selbst beteuerte stets wortreich sein Commitment zum ungarischen Judentum und versuchte kritische Punkte durch entsprechende Sonderförderungen für die Gemeinden "freizukaufen". Jedoch hält er bei anderen Gelegenheiten stets an einem völkisch orientierten, quasi rassentheologischen Bild des Magyarentums fest. Auch die neue Verfassung stellt Minderheiten als "staatsbildend" in die zweite Reihe hinter die "nationenbildenden" Ungarn (lies= Magyaren) auf der ganzen Welt.

red.

Hintergründe:

Hat Ungarn wieder eine "Judenfrage"? Zwischen allen Stühlen: Konflikt zwischen Regierung und jüdischen Verbänden in Ungarn geht weiter

Schaukelpolitik 2.0
Jüdischer Weltkongress in Budapest: Wie antisemitisch ist Ungarn?

Ist Holocaustleugnung eine Meinung?
Bürgerrechtler bieten Neonazis Hilfe gegen Zensur an

red.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.

 

 

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

Unterstützen Sie den Pester Lloyd!