Hauptmenü

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

Ost-West-Drehscheibe
Pester Lloyd Stellenmarkt

 

 

(c) Pester Lloyd / 05 - 2015   POLITIK   26.01.2015

 

Rogán schlägt zurück: Auch EU-Behörde OLAF sieht Korruption im V. Bezirk

Fidesz-Fraktionschef Antal Rogán, der wegen insgesamt 277, zum Teil sehr fragwürdiger Verkäufe von kommunalen Immobilien während seiner Zeit als Bezirksbürgermeister des V. in die Schlagzeilen geraten war, schlägt nun zurück. 12 Oppositionelle hat er verklagt, Fidesz und die hörige Staatsanwaltschaft blockieren jegliche Aufklärung. Nun kommt noch Gegenwind aus Brüssel: die Korruptionsbekämpfer von OLAF lieferten einen heiklen Bericht.

 

Den Vorwurf, viele der Immobilien des Budapester Innenstadtbezirkes weit unter dem erzielbaren Marktpreis an Fidesz-Netzwerke und befreundete Geschäftsleute verhökert zu haben - den Vorwürfen nach für Kick-back-Zahlungen über off-shore-Konstrukte -, wobei nach Schätzungen der öffentlichen Hand ein Schaden von rund 30 Mio. EUR entstanden sein soll, konterte Rogán in TV- und Zeitungsinterviews damit, dass die Vorzugs-Verkäufe an die jeweiligen Mieter ohne Preisnachlässe gar nicht zu Stande gekommen wären, weil die Immobilien teils schwer sanierungsbedürftig gewesen seien. Hätte man den Nachlass nicht gewährt, wären die Investitionen nicht gemacht worden, "ohne Investitionen aber gibt es keine schöne Innenstadt" - und genau diese habe er mit dem V. Bezirk der Hauptstadt hinterlassen. Alles seien also normale Geschäftsvorgänge gewesen, die bestens belegt seien.

Offen sind jedoch auch etliche Deals, bei denen nicht die Mieter, sondern prominente Fidesz-Günstlinge zum Zuge kamen - teils für Preise, die bis zu 30% unter dem Marktwert lagen - sowie ein Verkauf, bei dem im Hintergrund die Interessen des Top-Kriminellen Tamás Portik involviert sein sollen, woraus die Opposition den Verdacht schöpft, Rogán bzw. Fidesz könnte diesem einen Gefallen schulden oder erpressbar sein, wegen früherer Kontakte mit denen man eine Verbindung zwischen der Unterweltgröße und Funktionären der früheren Regierungen skandalisieren wollte (die sich vor Gericht nicht bestätigen ließen).

Zum Thema:

Kriminelle Deals, Deals mit Kriminellen: Demo gegen Fidesz-Fraktionschef Rogán (15.01.)

Terrorismus als Vorwand: Ungarn kündigt Einschränkung von "traditionellen Freiheitsrechten" an (14.01.)

Alle nur gekauft: Fidesz-Fraktionschef Rogán soll Proteste abwürgen, - seine Karriere steht auf dem Spiel (12.01.)

Rogán legte vorige Woche nochmals nach und verkündete, dass er "sich nicht diffamieren lassen" wird und daher 12 Anzeigen wegen Verleumdung etc. erstattet habe, gegen Medien und Oppositionspolitiker. Vor allem der "Gemeinsam"-Politiker Péter Juhász (Mitgründer von Milla), der unterlegene Gegenkandidat von Rogáns Fidesz-Nachfolger, Péter Szentgyörgyvölgyi, engagierte sich in den vergangenen Wochen intensiv für eine Aufklärung der Vorgänge. Allerdings blockieren die Fidesz-Beamten und -Abgeordneten des Bezirks die Einleitung einer ordentlichen Prüfung, die Staatsanwaltschaft reagiert bei Vorwürfen gegen Regierungstreue ohnehin meist taub. Ähnlich gelagerte Fälle, wenn auch nicht in den heutigen Größenordnungen, bei MSZP-SZDSZ-Funktionären wurden hingegen sehr gründlich aufgearbeitet. Den Bürgern des V., so sie überhaupt an der schon meist als alltäglich hingenommenen Sachlage interessiert sind, bleibt bisher nichts weiter übrig, als wütend zu demonstrieren.

Rogán bekommt nun auch Gegenwind aus Brüssel. Die Antikorruptionsbehörde der EU-Kommission, OLAF, hat, neben drei Dutzend weiterer in Ungarn angesiedelter Fälle auch das EU-finanzierte Förderprojekt "Herz von Budapest", das die Neugestaltung von Fußgängerzonen, Straßenpflaster und -beleuchtung sowie Parkanlagen u.a. im V. Bezirk mit dem Verdacht der Untreue bzw. des Amtsmissbrauchs und der Korruption belegt und - wie es das Prozedere bei OLAF vorsieht - der Generalstaatsanwaltschaft übergeben. Bemängelt wird, dass beträchtlichte Teilaufträge in Ausschreibungen so vergeben worden sind, dass nur ein bestimmter Bieter (ein Konsortium aus zwei Unternehmen) die Auflagen erfüllen konnte. Orts- und marktunübliche (also überhöhte) Preise für die gelieferten Dienstleistungen waren die Folge.

Fidesz verweist darauf, dass das Projekt unter sozial-liberale Ägide gestartet und durchgeführt wurde, Ex-Premier Bajnai habe sogar einige Abschnitte selbst eröffnet. Genau diese Projektteile habe OLAF bemängelt, ließ Fidesz in einer Aussendung wissen. Um das belegen zu können, müsste die Partei jedoch Einblick in die Unterlagen haben, welche die Staatsanwaltschaft unter Verschluss hält. OLAF selbst darf sich statutsgemäß nicht zu Details äußern, sondern diese nur an die rechtsstaatlich zuständigen Organe weiterleiten. Wie wir aus Brüsseler Quellen wissen, behandelt der OLAF-Bericht jedoch die gesamte Zeitspanne, darunter auch Ausschreibungen unter Fidesz-Aufsicht.

 

"Herz von Budapest" ist damit ein kleptokratisches Gemeinschaftsprojekt der "großen Koalition der Diebe", wie sie von den neuen Bürgerbewegungen der vergangenen Monaten angeprangert wird. Allerdings ist festzuhalten, dass sozial-liberale Verantwortungsträger vor und nach 2010 noch vor Gericht gestellt werden konnten, während das Land auf einen Prozess gegen eine Fidesz-Größe wohl mindestens bis zum Abgang Orbáns warten muss. Denn dazu müsste man zunächst wieder eine Gesetzeslage und Personalsituation herstellen, die Interessenskonflikte, Gewaltenteilung und eine unabhängige Judikative kennt.

Antal Rogáns politische Offensiven der letzten Wochen - u.a. gegen Einwanderer und für ein Paket Sondergesetze in einem "Nationalen Aktionsplan zum Schutze Ungarns", der u.a. Eingriffe in die Presse- und Versammlungsfreiheit und "die Einschränkung von traditionellen Freiheitsrechten" beinhalten soll, wird im Zusammenhang mit seinen materiellen Eskapaden und der wachsenden Protestbewegung gesehen. Rogán, einer der bevorzugten Orbán-Schützlinge der vergangenen Jahre, müsse sich hier nun beweisen, andernfalls könnte der Chef ihn opfern, um sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen und einen Beweis für seine "saubere Politik" abzuliefern.

red. / cs.sz.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.

 

 

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

Unterstützen Sie den Pester Lloyd!