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(c) Pester Lloyd / 05 - 2015   MEDIEN   29.01.2015

 

Medienkrieg: Deal zwischen Orbán und RTL Ungarn?

Einem Bericht der linken Tageszeitung Népszava zu Folge, sollen die RTL Gruppe und Orbáns Kanzleramtsminister Lázár gestern in Berlin einen "Friedensvertrag" ausgehandelt haben. Die Werbesteuer soll massiv gekürzt werden, dafür stellt RTL Klub seine "Angriffe" auf die Regierung ein, im Äther wie in Brüssel. Die Sendergruppe selbst bestätigt diesen Deal auf unsere Nachfrage nicht, - dementiert ihn aber auch nicht ausdrücklich...

Népszava bezieht sich in seinem spekulativen Beitrag auf eine "ungenannte" Quelle. Bestätigt ist letztlich nur, dass es - nach mehreren Vorverhandlungen - gestern ein Gespräch zwischen Lázár und RTL-Regionalleiter Andreas Rudas (vorher ORF, Magna, WAZ) über die Werbesteuer gegeben hat. Alles Weitere beruht also auf den Behauptungen der Zeitung: Angeblich soll der Deal, den Orbán unbedingt vor dem Besuch Merkels über die Bühne bringen wollte, eine Deckelung der Werbesteuer bei 5% der Umsätze (derzeit 50%, RTL Klub ist das einzige Unternehmen, auf den dieser höchste Steuersatz zutrifft) beinhalten, wofür man - natürlich nicht offiziell - ein Ende der in letzter Zeit sehr regierungskritischen Berichterstattung in den Nachrichten des ungarischen Marktführers erwarte.

Das will Orbán nicht mehr sehen: RTL Klub-Nachrichten über den blitzartig gestiegenen Reichtum von Orbáns Gutsverwalter Mészáros und andere Fakten über seine “Freunde” und ihn selbst. Knickt der Sender für mehr Rendite ein?

 

Vor allem die Wiedergabe der täglichen Berichte über Korruptions- und Amtsmissbrauchsaffären rund um orbánnahes Personal und den Premier selbst, ist dem Fidesz ein dicker Dorn im Auge, immerhin verlor man binnen 3 Monaten 14 Prozentpunkte Wählerzustimmung. Wie RTL seiner auch durch diese Berichte spürbar gewachsenen Zahl Zuschauer einen erneuten Schwenk in der politischen Ausrichtung verkaufen wolle, lässt der sepkulative Artikel offen. Angeblich soll auch der Abzug des ung. RTL-Chefs, Gerkens, Teil des Pakets sein, dessen Vertrag wohl bald ausläuft und der in Ungarn Angst um sein und das Leben seiner Familie hat. Hier könnte man mit einem neuen Mann ansetzen, der dann Strukturreformen und "strategische Neuausrichtungen" vorschiebt, so wie es die Magyar Telekom (im Eigentum der teilstaatlichen Deutschen Telekom) tat, als sie den Chefredakteur ihres Newsportals origo.hu auf Zuruf von Orbáns Kanzler Lázár feuerte.

Außerdem wird die Regierung angeblich ein Gesetz aufheben, dass RTL daran hinderte, Programmgebühren von Kabelanbietern einzuheben, was das Unternehmen jährlich zusätzlich mehrere Millionen EUR kostete. Népszava will noch mehr wissen: angeblich hat Lázár zum Gespräch in Berlin Unterlagen mitgebracht, die sein Gegenüber Ludas "unter Druck" setzen könnten, weil sie Details aus dessen "Geschäftsleben" beinhalteten. Dieses Vorgehen würde derart zu Lázár passen, dass uns die Geschichte schon ein wenig zu rund erscheint, um wirklich wahr zu sein.

Die Story klingt so eher nach dem gewünschten Ergebnis der ungarischen Seite als nach der Wahrheit, wir baten daher RTL um eine Stellungnahme, die uns der Kommunikationschef der RTL-Gruppe, Oliver Fahlbusch, dankenswerterweise schon nach Minuten übersandte.

Darin heißt es: "Wir haben bereits im Sommer 2014 gegen die neue Werbesteuer Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt. Seit einigen Wochen finden Gespräche zwischen Vertretern der Ungarischen Regierung und der RTL Group dazu statt, warum die Werbesteuer in der jetzigen Form aus unserer Sicht nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Es ist übliche Praxis, dass man im Rahmen einer solchen rechtlichen Auseinandersetzung die Standpunkte auch im direkten fachlichen Dialog austauscht.

 

Unserer Kenntnis nach arbeitet die Ungarische Regierung an einer Novellierung des Werbesteuergesetzes. Wir hoffen, dass hierbei auch unsere europarechtlichen Bedenken Eingang finden und würden eine Novelle unter diesem Gesichtspunkt prüfen. Dies wäre eine wichtige und positive Botschaft für den Wirtschaftsstandort Ungarn." Der Sprecher fügt hinzu: "Ich möchte aber ausdrücklich betonen: die Gespräche gingen um die Werbesteuer. RTL wird in Ungarn auch in Zukunft weiterhin unabhängig in seinen Nachrichten berichten."

Diese Aussage wird sich überprüfen lassen. "Unabhängig" kann schließlich auch bedeuten, dass man heute dies und morgen das macht. Es wäre nicht das erste und nicht das zweite Mal, dass ausländische Medienhäuser in Ungarn die "Meinungs- und Pressefreiheit" als Vehikel zur Durchsetzung ihrer monetären Interessen missbraucht hätten, sich aber, wenn es wirklich um ihre Verteidigung geht, vornehm zurückhalten.

Mehr über die Krokodilstränen und den Medienkrieg hier.

red.

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