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(c) Pester Lloyd / 07 - 2015   POLITIK   13.02.2015

 

Orbán vor Ukraine-Reise: "Putin ist in Ungarn immer willkommen"

Zwischen einem außerordentlichen Gipfeltreffen mit den EU-Amtskollegen in Brüssel am Donnerstag, einem Kurzbesuch in Kiew am Freitag sowie dem Besuch Putins in Budapest am Dienstag, wandte sich der ungarische Regierungschef Viktor Orbán noch einmal über seine Radiosendung "180 Minuten" an die Öffentlichkeit. Die aktuelle Einwanderungswelle und zu verschärfende Asylgesetze, die Ukraine-Krise, die Bankenpolitik und die Sondersteuern waren seine Hauptthemen. Dem “Krieg” mit Oligarch Simicska wich er aus.

Orbán auf dem Weg in seine “Gebetsnische” beim Staatsrundfunk M1. Foto: MTI

Die Bemühungen von Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande für eine friedliche Beilegung des Ukraine-Konfliktes werden von Ungarn sehr geschätzt, entsprechen sie ja den eigenen Vorstellungen, dass es nur eine diplomatische Lösung geben könnte. "Heute ist ein besserer Tag als gestern", sagte Orbán am Donnerstag in die Mikrofone in Brüssel und mit den Vertretern der Visegrad 4-Staaten sei man optimistisch, dass die Umsetzung eines dauerhaften Waffenstillstandes auch gelinge. "Es gibt eine Hoffnung." Orbán sprach von einem "Krieg zwischen Russland und der Ukraine", bei dem er "auf der Seite des Friedens" stehe. Er sei jedoch auch froh, dass man in Brüssel keine neuen Sanktionen gegen Russland beschlossen habe.

 

Die Verhandlungen der sogenannten Normandie-Vier (Putin, Poroschenko, Hollande, Merkel), wobei Führer der russischen Separatisten in Minsk bei den Verhandlungen indirekt vertreten waren, ergaben ein Abkommen, das einen Waffenstillstand ab Sonntag 0.00 Uhr, Kiewer Zeit, vorsieht sowie den Abzug schwerer Waffen verschiedener Typen, so dass Sicherheitszonen von 50, 70 bzw. 100 km entstehen. Um strategisch wichtige Punkte wurde am Freitag noch erbittert gekämpft, Beobachter sehen das Abkommen als Auftakt für eine endgültige Spaltung der Ukraine in einen von Moskau und einen von Kiew kontrollierten Teil und damit als einen Erfolg für Putin.

Ungarn habe "nationale Interessen" im Zusammenhang mit Russland, auch wenn es "in den Ungarn emotionale Spannungen über Russen" gebe. Skrupel, Putin nach Budapest einzuladen, "habe ich nie gehabt", denn Ungarn brauche gute Beziehungen zu Russland - genauso wie zu der "anderen Großmacht Deutschland". Putin sei "immer willkommen". Wieder stellte er möglichst vorteilhafte Lieferbedingungen für russisches Erdgas in Aussicht und nannte diese für Ungarns Wirtschaft und Haushalte lebenswichtig.

Orbán versuchte, wie zuvor schon seine Parteisprecher, den
Einstieg der EBRD und des ungarischen Staates bei der Erste Bank Ungarn, als Beginn einer "neuen Epoche" des ungarischen Bankenwesens hinzustellen. Man habe "Fundamentales" geschaffen, in dem es "nicht mehr ohne Konsequenzen ist, was Banken Millionen Familien angetan" hätten. "Wir haben die Ära der Fremdwährungskredite hinter uns gelassen", meint Orbán, der nochmals die rettende Rolle seiner Politik darin behauptete. "Wir haben klar gesagt, dass wir das ungarische Bankensystem nicht in ausländischen Händen sehen wollen." (zuvor waren es nur 50% davon...).

Denn als die Krise ausbrach (gemeint Lehman-Krise 2008/09), transferierten die österreichischen oder fanzösischen Banken "ihr Kapital nach Hause". Die Banken hätten keinen Beitrag an der Bewältigung der Krise geleistet, daher musste er einschreiten (Sondernsteuern, Forex-Umtauschgesetz etc.) Und daaher ist es wichtig, "den Bankensektor in ungarischem Eigentum zu haben", "aber nicht in staatlichem Eigentum", fügte er hinzu, ein Hinweis darauf, dass - nach dem Erwerb aus Steuermitteln und der Sanierung auf Kosten der Steuerzahler die Rückprivatisierung in die Hände von Fidesz-Günstlingen ansteht, wie es bei der Takarékbank / Spargenossenschaften bereits
geschah.

Hinsichtlich der Werbesteuer meint Orbán, dass es eine Notwendigkeit für ihre Erhebung gäbe, man brauche die Umsätze für den Haushalt. "Diesen Umsatz dürfen wir nicht verlieren" (es geht um rund 100 Mio. EUR jährlich). Alles andere seien "nur technische Fragen", über die man "derzeit verhandle". Die Steuer sei eine reine "Geschäftsangelegenheit" und für manche "Privatinvestoren" offenbar eine "wichtige finanzielle Frage". Ihm sei es aber gleich, wie die Betroffenen "auf die Steuer reagieren", ob sie darüber Streit suchen oder ob sie zahlen wollen oder nicht. Mehr hatte Orbán zur
"Kriegserklärung" seines einstigen Weggefährten Simicska und zum über die EU erzwungenen Deal mit RTL nicht zu sagen.

Weiteres Thema war die seit Tagen anhaltende massive Einwanderungswelle tausender Flüchtlinge, vor allem aus dem Kosovo (
mehr dazu hier vom UNHCR) über die ungarisch-serbische Grenze, die sowohl die Grenzpolizei als auch die Bevölkerung vor Ort maßlos überfordert. Hunderte Kosovaren werden täglich von ungarischen Polizisten verhaftet und in überfüllten Lagern interniert. Dass der sprunghaft angestiegene Flüchtlingsstrom ausgerechnet einige Tage nach Ankündigung einer "nationalen Konsultation" zur vermeintlichen Notwendigkeit strengerer Asylgesetze einsetzte, wird in Ungarn nicht thematisiert, obwohl die Bestechlichkeit sowohl serbischer wie ungarischer Grenzbeamter und die Involvierung von Schlepperbanden mit guten Kontakten in die jeweiligen Behördenstrukturen Allgemeinwissen darstellt.

 

Denn die Äußerungen Orbáns wie auch der unwürdige Auftritt seines Fraktionschefs Rogáns auf dem Ostbahnhof belegen, dass der jetzige Ansturm auf die Grenzen Ungarns der Fidesz-Politik sehr gelegen kommt: Orbán sieht im Rundfunkinterview die EU als schuldigen, die ihm derzeit "wahrscheinlich" verbiete, alle "Grenzverletzer" verhaften zu lassen. "Es ist unklar, ob man diese Leute in Haft nehmen darf oder nicht". Um die derzeitige Welle einzudämmen, habe man bereits "Experten aus Deutschland und Österreich" angefordert, denn diese seien die Hauptzielländer der Kosovaren, Ungarn nur Eintrittstor in die EU und Transitland. Daher sollten diese Länder auch "die Initiative gegen sie ergreifen". Orbán und seine Kader hatten zuvor einen ursächlichen Zusammenhang zwischen "Flüchtlingen und Terrorismus" hergestellt, Orbán die meisten Flüchtlinge als organisierte Kriminelle bezeichnet und vor einer "Überfremdung" Ungarns gewarnt (obwohl kaum ein Flüchtling in Ungarn leben will).

Seiner Meinung nach wäre es das einfachste, Wirtschaftsflüchtlinge einfach in die Länder zurückzusenden, wo sie herkommen (
lies: auch ohne Asylverfahren). Auf diese Weise würde man ein klares Zeichen setzen und niemand würde mehr versuchen, in die EU zu kommen. Diese Frage werde auch die kommende "nationale Konsultation" klären und zwar mit einer "einfachen und klaren" Frage, so dass "jeder Ungar in der Lage sein wird", darauf zu antworten.

red.

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