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(c) Pester Lloyd / 09 - 2015    POLITIK      28.02.2015

 

Orbán braucht Krieg: Rede zur Lage der Nation

 

Ohne einen Krieg ist der beste General nichts wert. Ministerpräsident Orbán legte seine 17. Rede zur Lage der Nation, eine Art Heilige Messe politischer Wichtigtuerei nach US-amerikanischem Vorbild, daher so kriegerisch wie nur möglich an. Angst- und Panikmache sollen vom Raubzug seiner Partei und dem politischen Versagen bei den realen Themen der Menschen ablenken. Orbán will Ungarn klar machen: Ohne Orbán - kein Ungarn!

Horden von Barbaren würden Europas Kultur auslöschen wollen, der "liberale Multikulturalismus" der EU arbeite dem zu. Ungarn selbst droht, zwischen Ost und West zerrieben zu werden, dabei will es doch für alle nur das Beste. Er, Orbán, habe Banken und Schuldner mit einem Federstreich "gerettet" und in der Wirtschaft geht es ohnehin bergauf. Orbáns Rede war schwach, durchsichtig verlogen, ja rhetorisch geradezu primitiv. Der Mann baut sichtbar ab, - umso gefährlicher wird er für Ungarn.

09redelage (Andere)

Die Selbstinszenierung Orbáns während seiner "State Of The Nation"-speech trägt mehr lächerliche als theatralische Züge, doch offenbar glauben die "Strategen" der Partei noch immer an deren Wirkung bei der Anhängerschaft. Je sakrosankter die Inszenierung, je pathetischer das Heilsversprechen, umso tiefer die Gläubigkeit? In den letzten Monaten fiel rund ein Viertel der Wählerschaft des Fidesz vom Glauben ab, vielleicht nur kurzzeitig. Dass mit Superminister Balog ein Pfarrer als Vorredner und Zeremonienmeister agiert, muss kein Zufall sein...

 

Was hatte Orbán zu sagen, einmal abgesehen von den üblichen krampfigen Witzchen und den archaischen, nationalistischen Bauchpinseleien? Ungarn müsse eine "wachsende Welle von Einwanderern" (es sind Flüchtlinge, keiner von denen will nach Ungarn einwandern. Anm.) "bekämpfen", die das Land sonst in ein einziges "Flüchtlingslager verwandeln" würden. Dazu bedürfe es stärkerer Maßnahmen, denn der "liberale Multikulturalismus" könne diese Probleme nicht lösen. Mehr noch: viele der Ankommenden hätten sogar regelrecht im Sinn, die "europäische Kultur zu zerstören". Kurz: Ausländer sind Kriminelle. Nichts Neues aus Orbáns Mund.

Gerade daher sei seine Interpretation von "Konservativismus" der Ausweg, denn die "liberale Sozialpolitik" (in der EU) würde zu nichts anderem führen als zur "Vernichtung der christlichen Kultur". "Ein Ungar will keine Scharen von Menschen anderer Kulturen in sein Land kommen sehen, die unfähig sind, sich anzupassen und die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, für seinen Job und für seine Existenz sind." Orbán trug den Zuhörern an, dass "Der ungarische Mann von Natur aus politisch inkorrekt ist." Nun, das sind Neonazis, Pegidisten und andere unproduktive Krawallmacher auch, damit qualifiziert sich niemand. Diese benutzen übrigens die gleichen "Argumente" wie Orbán, die, weil unwidersprochen, so auch Argumente der EVP und damit von Merkels CDU werden.

Die weiteren Ausführungen Orbáns drehten sich um die stets gleichen Themen, mit den stets gleichen Behauptungen und allesamt im Duktus eines überkompensierenden Komplexlers: Er habe Ungarn ("Ungarn wird stärker" war die Losung des Tages) zürück auf die "politische Landkarte Europas" gebracht. Das ist seine Interpretation der peinlichen Unterwerfungsshow, die er gegenüber Putin abgeliefert hatte. Merkel und der türkische Premier waren auch gerade im Lande, er in Kiew (seinen blamablen Abstecher nach Warschau erwähnte er lieber nicht), Beleg genug, dass "wir wieder wer sind".

Orbán stellte dar, dass er im Ukraine-Konflikt eine Rolle spielt, was er nicht tut. Er sucht den Konflikt, er hofft als Doppelagent zu profitieren. Er ist für die Souveränität der Ukraine, will in NATO und EU bleiben, Ungarn braucht aber russisches Öl und Gas, wie wir wissen auch immer mehr Uran und Plutonium. Also was tun? Nichts wäre für ihn und Ungarn das Beste, doch das widerspricht seinem Charakter. Und von dem hängt momentan ein ganzes Land ab. Er wolle keinen neuen kalten Krieg, sagt Orbán, der in Ungarn seit 2002 einen Kalten Bürgerkrieg gegen alles was nicht auf seiner Linie ist, etablierte. Es war Orbán, der Ungarns Energieabhängigkeit von Russland in den kommenden Jahren von 60-70 auf fast 100% getrieben haben wird...

 

Nächstes Feindbild: Opposition. Nach einer Ausführung darüber, wie er die Wirtschaft wieder auf Vordermann gebracht haben will (für wen und welche Wirtschaft, ließ er aus), die Banken und die Schuldner quasi mit einem Handstreich "gerettet" habe und es nichts weiter braucht als "härter dafür zu kämpfen", dass es so weitergeht, stürzte er sich auf die Opposition, die das "Land ausgeraubt habe" und es überlebenswichtig sei, "zu verhindern, dass die wieder an die Macht gelangen".

Er und seine Anhänger hätten sich, nach den drei Wahlen 2014, auf "friedvolle Zeiten" gefreut, doch nicht mit den Sozis, die ihre "Negativkampagne" unbeirrt und mit heftiger Unterstützung der EU fortführen. Dagegen muss man als "das Ungarn der Bürger" (hier wieder die "Ausbürgerung" Andersdenkender) "jeden Tag kämpfen". Hier sind wir wieder in der Welt der Phrasen und Lügen, denn die Armutsstatistik und viele andere Kennzahlen sowie die reale Lebenssituation der Mehrheit der Ungarn, aber auch die Kontostände seiner Günstlinge widerlegen Orbán genauso wie jeden anderen Betrüger, egal unter welcher Flagge er gerade segelt.

Auf das obligatorische “Hajrá Magyarország, hajrá magyarok!” verzichtete Orbán diesmal und rief "Guten Morgen, Ungarn, Guten Morgen, Ihr Ungarn!" Ein Weckruf und der Hinweis, dass mit ihm - Orbán - nach jeder dunklen Nacht ein neuer Morgen beginnt. Es klang jedoch ein bisschen nach "Good Morning, Vietnam!" - und schon sind wir wieder im Krieg.

red. / cs.sz.

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