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(c) Pester Lloyd / 10 - 2015    WIRTSCHAFT      05.03.2015

 

Feilschen um Werbesteuer in Ungarn: Fidesz lotet Schmerzgrenzen der Medienunternehmen aus

Dass die Werbesteuer nicht wegen fiskalischer Nöte oder ökonomischer Überlegungen eingeführt wurde, liegt auf der Hand. Zu durchsichtig war der Zuschnitt auf RTL Klub, dem man die Hälfte der Umsätze abnahm. Es wird weiterhin eine Werbesteuer geben, nur die Höhe ist noch offen. Dass die Regierung in der Sache nachgibt, dürfte auch etwas mit einem illustren CDU-Politiker aus Merkels Umfeld zu tun gehabt haben.
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Die Werbesteuer war ein Kind Lázárs, Orbáns wichtigstem Vollstrecker und von Anfang an mit politischer Planvorgabe versehen. Foto: MTI.

Das Feilschen um die umstrittene Werbesteuer in Ungarn geht in eine neue Runde. Nach dem die EU - auf explizite Beschwerde von Bertelsmann - klar signalisiert hat, dass die von Ungarn eingeführte Steuer auf sämtliche Werbeumsätze von Medien und anderen werbetreibenden Unternehmen wettbewerbsverzerrend und strukturell "unproportional" ist, also bei Aufrechterhaltung zwangsläufig zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen müsste, kündigten sowohl Wirtschaftsminister Varga als auch die Fidesz-Fraktion sowie Kanzleramtsminister Lázár Änderungen an.

 

Derzeit schwanken die Aussagen zwischen: "3-5% der Werbeumsätze für alle Unternehmen, die Werbeeinnahmen generieren" und "5-10%" bei Ausnahme umsatzschwacher Kleinunternehmen, bis ca. 50 Mio. Forint Umsatz im Jahr (160.000 EUR), womit die Simicska-Medien also steuerpflichtig blieben, was Fidesz besonders wichtig ist. Klar ist, dass der Spitzensteuersatz von zunächst 40%, später sogar 50% auf den Umsatz von Unternehmen über 10 Mrd. HUF Umsatz - der allein auf RTL Klub (Bertelsmann) zutraf, gekippt wird.

Derzeit spreche man noch mit "Marktbeteiligten" über die beste Lösung, Minister Varga, Fraktionschef Rogán und Orbáns Vollstrecker Lázár betonten, dass es "vor allem darauf ankommt", dass das "Budgetziel" von 6,6 bis 7 Mrd. Forint pro Jahr (knapp 23 Mio. EUR) aus dieser Steuer erreicht werde, weil "die Staatskasse dieses Geld braucht." Das frühere Kassenziel lag übrigens bei 35 Mio. EUR, man scheint also doch flexibel zu sein. Sich mit einem der mächtigsten Medienhäuser Europas, der EU-Kommission und einem der einflussreichsten Oligarchen Ungarns zu überwerfen, scheint ein recht hoher Preis für eine vergleichsweise kleine Budgetgröße.

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Den “Wert” der Pressefreiheit kann RTL in Zahlen berechnen. Es sind ca. 15 Mio. EUR im Jahr... Mehr zum Deal RTL - Regierung hier. Abb.: RTL Klub screenshot

Das Einknicken bei der Werbesteuer, die praktisch nur "erfunden" wurde, um ein paar Medien in die Pleite bzw. in die "richtigen Hände" wandern zu lassen, vor allem aber, um die Marktmacht von RTL Klub zu brechen und den Sender "so oder so Ungarisch werden" zu lassen (Orbán) kam wohl nicht ganz zufällig in zeitlicher Nähe zum Besuch von Kanzlerin Merkel in Budapest. Kurz zuvor hatte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, der deutsche CDU-Politiker Elmar Brok, "eineinhalb Stunden mit Orbán beim Mittagessen unterhalten", wie er in einem Radiobeitrag auf SWR erklärte. Brok war von 2004 bis 2011 Senior Vice President Media Development sowie Europabeauftragter des Vorstandes der Bertelsmann AG und damit der wichtigste Lobbyist der RTL-Eigentümerin.

Elmar Brok zu Gast bei Viktor Orbán, Foto: MEH

10brokorban (Andere)Dessen Tätigkeit als "Außenminister" bei Bertelsmann überschnitt sich übrigens über Jahre mit seiner Abgeordnetentätigkeit, die ihn u.a. als Chefverhandler des EP an wichtigen Verträgen wie dem von Lissabon u.a. mitarbeiten ließ. Interessenskonflikte kennen wir nicht... Dass bei solchen Gesprächen Deals gemacht werden, nach dem Motto: lässt Du RTL (wahlweise Passendes einsetzen: Daimler, Audi etc) in Ruhe, lässt Dich die EU in Ruhe, dafür sorgt die EVP-”Familie”, ist nicht nur nicht unwahrscheinlich, sondern im Falle Ungarns seit 2010 gelebte Praxis. Brok ist dabei der Ober-Verniedlicher und Ablenker wenn es darum geht, grundsätzliche Demokratie- und Rechtstaatsdefizite in Orbáns Ungarn auf “technische Details” kleinzureden oder durch Defizite in anderen Ländern zu relativieren. Er macht das mäßig geschickt, in dem er diese Appeasement-Politik mit kritischen Anmerkungen und EU-Fanfaren begleitet, in der Sache aber Orbán letztlich den Rücken frei hält - der EVP-Kameradschaft wegen. Dass er in diesem Falle auch noch seinen alten Bertelsmann-Freunden einen großen Gefallen tun konnte, braucht er nicht einmal zu dementieren...

 

Fidesz-Politiker verwiesen nun darauf, dass die EU verlange, dass der Satz einer Werbesteuer nicht übermäßig das Geschäft behindern dürfe und darauf zu achten sei, dass - so die Steuer mehrstufig veranschlagt wird - die einzelnen Steuersätze nicht "disproportional" abgestimmt werden. Rogán verwies auf Österreich, das die europaweit höchste Werbesteuer von 5% habe (Werbeabgabe). Allerdings gibt es in Österreich eine auch daraus finanzierte Presseförderung, die sich ebenfalls wiederum am Werbeaufkommen orientiert. Der Umstand, dass die Einnahmen aus einer Werbesteuer als einer klassischen Sektoralsteuer eigentlich für Zwecke der Förderung dieser Branche zurückfließen müssen, um sie EU-konform zu machen, blieb von Fidesz-Seite unerwähnt.

Der "Deal" mit RTL und die Ankündigung die Steuer zwar vom Satz zu verringern, dafür auf alle oder fast alle Unternehmen auszudehnen, führte zum Zerwürfnis zwischen Orbán und dem Imperium von Oligarch Simicksa, der
einen "totalen Medienkrieg" ausrief. Ob RTL das "Entgegenkommen" der Regierung mit einer sanfteren Berichterstattung über die Korruptions- und Amtsmissbrauchsfälle beantworten wird, die in den vergangenen Monaten gezielt forciert wurde, bleibt abzuwarten.

red.

 

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