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(c) Pester Lloyd / 10 - 2015    POLITIK      04.03.2015

 

Kämpfen Soldaten aus Ungarn bald gegen IS-Terroristen?

Die ungarische Regierung will sich mit 150 bis 200 Soldaten an der internationalen Allianz gegen die IS-Terroristen im Irak und Syrien beteiligen. Das erklärte Außenminister Szijjártó am Dienstag gegenüber den Staatsmedien, wobei er auf verhaltene Zustimmung, aber auch einige Skepsis bei der Opposition traf. Welche Gründe hat das klamme Ungarn, mit seiner schwach ausgerüsteten Armee in ein solches Abenteuer zu ziehen?

 

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Foto: Honvédelmi Minisztérium

Minister Szijjártó führte als Gründe an, dass eine weitere Destabilisierung der Lage im Mittleren Osten "negative Konsequenzen für die europäische Sicherheit" hätte und der Westen daher "seine Bemühungen verstärken muss, das sinnlose Morden" (gibt es auch ein sinnvolles?) zu beenden, von "dem auch christliche Gemeinden betroffen sind." Ungarn knüpft seine bescheidenen Geldhilfen für die Region an die Bedingung, dass damit vor allem Christen geholfen wird.

 

Gegenüber MTI konkretisierte der Minister, dass eine ungarische Truppe von bis zu 200 Mann in einem der fünf Ausbildungslager der Anti-IS-Koaliton, und zwar in jenem nahe Erbil im Norden der autonomen Kurdenregion des Irak "Verteidigungstätigkeiten" durchführen könnte, also das Lager sichern soll. In diesen Lagern werden vornehmlich kurdische Kämpfer geschult und ausgerüstet.

Fidesz-Fraktionschef Rogán merkte danach an, dass die Oppositionsparteien ihre Unterstützung dazu versagt hätten und Fidesz nicht mehr über die notwendige "2/3-Mehrheit verfügt, um die Sache durch das Parlament zu drücken." Noch tags zuvor verhalf jedoch die rechtsextreme Jobbik durch gezielte Abwesenheit eines ihrer Abgeordneten dem Fidesz zur sogenannten "kleinen Zweidrittelmehrheit" (2/3 der anwesenden Abgeordneten) bei einer Novelle des Verwaltungsrechts, das die bisher - zumindest auf dem Papier - autonom agierenden Aufsichtsbehörden von etlichen Ämtern (Arbeit, Gesundheit etc.) den regionalen Regierungsbüros und damit quasi Politkommissaren unterstellt.

Die Oppositionsparteien machen unterschiedliche Gründe für ihre Skepsis zu einem Militäreinsatz geltend, die von Rogán behauptete Ablehnung verneinen sie. Die MSZP vermisst vor allem Informationen darüber, auf wessen Anforderung, unter welchem Kommando und auf welcher rechtlichen Grundlage die Truppen stationiert werden sollen und verlangt, dass eine Angelegenheit von solcher Tragweite offen im Parlament behandelt werden muss.

Die kleine Partei "Együtt" habe hingegen einen Einsatz "im Rahmen der NATO" und "um die beschädigten Beziehungen zu den USA zu reparieren" gar nicht per se abgelehnt, Rogán habe die zwei Abgeordneten der Partei übergangen, da sie keine Fraktion bilden können, so Parteichef Szigetvári. Jobbik lehnt einen Auslandseinsatz ab, DK und LMP fehlen ebenfalls die Informationen über die Rahmenbedingungen, um sich eine Meinung bilden zu können.

Der Einsatz ungarischer Truppen an der Seite der US-geführten Anti-IS-Koalition zur Unterstützung vor allem kurdischer und irakisch-schiitischer Kämpfverbände sowie der regulären irakischen Armee, könnte von den USA als Wiedergutmachung für die diplomatischen Verstimmungen rund um die nicht aufgeklärten Korruptionsfälle von ungarischen Regierungsoffiziellen herangetragen worden sein.

Außerdem hat die teilstaatliche MOL umfangreiche Bohrfelder im kurdisch verwalteten Nordirak, die nicht unwesentliche Umsätze generieren. Die autonome Kurdenregierung könnte daher die MOL aufgefordert haben, Ungarn um Unterstützung zu bitten.

Als wahrscheinlichster Grund ist jedoch die Schaukelpolitik, das Bedürfnis Orbáns zu sehen, auf der Weltbühne wieder "eine Rolle zu spielen", wie er angesichts der Besuchsserie Merkel-Putin-Davutoğlu frohlockte und der NATO seine Bündnistreue zu demonstrieren, um so Zweifel daran wegen seiner ökonomischen und politischen Deals mit Putin zu zerstreuen.

 

Nicht zuletzt lassen sich durch aufwendige Auslandseinsätze und ein diffuses Bedrohungsszenario die vielfach vorgetragenen Beschaffungswünsche seitens des Verteidigungsministeriums budgetär viel einfacher rechtfertigen und umsetzen, Beschaffungen in einer Branche und durch Parteisoldaten, bei denen üblicherweise viele Beraterhonorare und Vermittlungsprovisionen fließen. Derzeit ist der Kauf von zwei Dutzend Militärhubschraubern anhängig. Zwar wurde das Militärbudget in diesem Jahr leicht angehoben, Ungarn hinkt aber dem NATO-Schnitt immer noch deutlich hinterher, die Honvéd gilt als nur partiell einsatzfähig.

Zuletzt waren ungarische Soldaten in Afghanistan in Kriegsgebieten aktiv, wobei man
über die Jahre sechs Tote im Einsatz beklagen musste, durch Sprengfallen / Minen bzw. durch einen Hinterhalt sowie den Vorwurf hinnehmen musste, durch Feigheit vor dem Feind den Tod  dreier neuseeländischer Kameraden begünstigt zu haben. Wikileaks offenbarte das Telegramm eines US-Generals, der die ungarischen Bemühungen als nutzlos erachtete, sie verursachten mehr Aufwand als Nutzen. 2014 zogen die letzten Ungarn aus Afghanistan ab.

red.

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