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(c) Pester Lloyd / 10 - 2015    POLITIK      04.03.2015

 

Riskante Branche: Vier Todesfälle im Umfeld der Politik in Ungarn

Das von den Regierenden innigst verfluchte Transparenzportal www.atlatszo.hu hat die kürzliche "totale Kriegserklärung" des Oligarchen Simicksa an seinen Ex-Freund Orbán (wir berichteten) zum Anlass genommen, einige Beispiele mysteriöser Todesfälle im Umfeld der Politik aufzulisten. Der ungarische Originalbeitrag dazu erschien - wohlgemerkt - noch vor dem Mord an Boris Nemzow. Vier Fälle der letzten zwei Jahre, die beunruhigen müssen...

Darin heißt es unter der Überschrift Zu nah an der Sonne - tödliche Risiken, die mit der ungarischen Politik verbunden sind: Die ungarischen Medien waren kürzlich in Aufruhr durch eine überraschende Explosion in der Beziehung zwischen dem Premierminister und einem seiner engen Vertrauten und Medienoligarchen, Lajos Simicska. Dieser ging in seiner Einschätzung so weit, dass er nun um sein Leben fürchte. Wenn wir uns an Vorkommnisse der vergangenen Jahre erinnern, scheinen diese Ängste nicht unbegründet - eine Anzahl von Leuten, die sich auf der falschen politischen Seite wiederfanden, erfuhren tödliche (fatale) Konsequenzen.

10varadi (Andere)
Beerdigung von András Váradi

Fall 1: András Váradi

Váradi war Bürgermeisterkandidat (bei den vergangenen
Kommunalwahlen im Oktober 2014, Anm.) und unterstützt durch eine linksliberale Allianz für Felcsútdoboz, der Nachbargemeinde von Felcsút, Orbáns Heimatort, die von dessen Oligarchenfreund Lőrinc Mészáros kontrolliert wird. Váradi kam zu einem tragischen Ende als ihm (genau in der Nacht vor dem Wahltag) ein Unfall zustieß.

10mordvaradi (Andere)Die offizielle Version besagt, dass eine Plane auf dem Dach seines Autos sich lockerte und auf die Frontscheibe fiel, was ihm die Sicht versperrte. Váradi hielt auf offener Straße, um das zu beheben als ihn ein unaufmerksamer Verkehrsteilnehmer mit seinem Auto erfasste und überfuhr, er starb im Hospital. Die Plane, wiewohl angeblich wichtiges Beweisstück, wurde von der Polizei der Familie übergeben, verschwand aber später auf mysteriöse Weise. Die Identität des Fahrers des Unfallautos "ein alter Mann aus Österreich", ist bis heute nicht bekannt gegeben worden und die Unfallgutachten haben seltsame Widersprüche u.a. bei der Beschreibung des Hergangs durch Zeugen, aber auch die aufnehmenden Polizisten zu Tage gefördert, die bis heute ungekälrt blieben.

Váradi, bekannt auch als der "Schäfer von Felcsútdoboz", war ein harter Gegner des Orbán-Loyalisten Mészáros, vor allem nachdem dieser ihm seinen Agrarbetrieb mit behördlicher Hilfe systematisch ruiniert hatte.

Fall 2: András Komáromi

 

Komáromi war Eigentümer der Firma "Welt 2000 Kft", dem Unternehmen, das die Software und das IT-System für die Administration, also die Vergabe und Kontrolle der EU-Milliarden für Ungarn bereitstellte. Nach und nach versuchten verschiedene Regierungen die Kontrolle über die Firma zu erlangen, wegen ihres lukrativen Geschäftes vor allem aber wegen ihrer technischen Schlüsselrolle. Manche Regierungen versuchten, das Unternehmen über Lizenz- und Patenthebel vom Markt zu drängen, andere machten Übernahmeangebote. Zuletzt bemühte sich Orbáns Kanzleramtsminister Lázár sehr intensiv, sowohl ”im Guten” als auch mit Gesetzeskniffen um die Kontrolle über Firma, Software und Einkünfte. Komáromi wollte nicht.

In der Amtszeit der heutigen Regierung starb Komáromi, im März 2014, mit 47 Jahren an "Herzschwäche". Und nachdem man "irgendwie" die Angelegenheiten mit dessen Kindern und Erben "geregelt" hatte, hatte die Regierung plötzlich die Kontrolle über die Firma. Das Unternehmen war seit 2002 am Start und machte zuletzt 1,4 Mio. EUR Reingewinn bei etwa zehnfach so hohen Umsätzen.

Fall 3: István Szebellédi

Szebellédi starb (2014) auf eine Weise, die keinen Sinn ergibt: im Alter von 64 Jahren, mit einem erfolgreichen Geschäft und das, was man gemeinhin als glückliche Familie bezeichnet, beschloss er plötzlich, sich mit seinem Jagdgewehr zu erschießen - direkt nach einer Unterredung mit seinem Sohn und Geschäfspartner, bei dem sie die Geschäftstermine der kommenden Woche verabredet hatten.

Szebellédi wurde zwar mit einigen fragwürdigen Unternehmungen in Verbindung gebracht, war aber nie formal Gegenstand von Ermittlungen. Er galt als Favorit der Orbán-Regierung, seine Buchhaltungs- und Wirtschaftsprüfungsfirma blühte auf, vor allem durch Aufträge von Gemeinden. In Pécs war er sogar als "informeller" Vizebürgermeister verrufen, wegen seines Einflusses und Nähe zur Macht.

Fall 4: Tamás Welsz

Dieser Fall ist der kurioseste: Als
Welsz der Öffentlichkeit bekannt wurde, war klar, dass es sich bei ihm um einen Berufsbetrüger handelte, der mit gefälschten Pässen, vornehmlich aus Afrika, arbeitete. Seine Kontakte baute er als Sicherheitsdienst zum Schutz von Rallyes in Afrika auf, wobei er die dort fließgenden Gelder geschickt unter lokalen Größen zu seinem Vorteil aufteilte. Auch in der absurden Farce des Aufbaus einer neuen ungarischen Airline, der "Sólyom Airways" war Welsz involviert.

 

Als Teil seines Geschäftes verschaffte er einem Politiker der politischen Linken (MSZP-Vizechef Simon, gegen den ein Verfahren läuft, Hausarrest erlassen ist und der aus der Partei geflogen ist, Anm.) einen Pass aus Guinea-Bissau, damit dieser undeklarierte Gelder außer Landes schaffen konnte, was schief ging. Die Gelder (fast 1 Mio. EUR, vermutlich schwarze Parteigelder) spürte man in Wien auf. Als Welsz in dieser Sache für ein Verhör abgeholt wurde, wurde ihm im Polizeiauto plötzlich schlecht und er starb.

Die Theorien dazu reichen von: er wollte Verhöre und Verfahren vermeiden und vergiftete sich deshalb bis hin zu der extremen Variante: Polizisten hätten ihn im Auftrag "ruhiggestellt", weil er zu viel über die Deals der politischen Eliten in Ungarn wusste...

Quelle: www.atlatszo.hu ; Übersetzung, redaktionelle Bearbeitung: PL

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