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(c) Pester Lloyd / 11 - 2015   WIRTSCHAFT    10.03.2015

 

Der Nächste bitte: Ungarische Nationalbank übernimmt Kontrolle über weiteren Aktienhändler

Nun sollte niemand mehr an einen bzw. so viele Zufälle glauben. Die Nationalbank übernimmt im politischen Auftrag, Stück für Stück, eine ganze Branche, vermeintliche oder tatsächliche "Unregelmäßigkeiten" nutzend. Orbán hat dieses Ziel Anfang der Woche sogar wörtlich aus- und zugegeben und hat leichtes Spiel, denn Blender und Betrüger fühlen sich an der Börse so wohl wie in der Politik...
 
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“Die Zeit: Wert”. Aber was ist die Zeit noch wert, wenn sie abgelaufen ist? Screenshot von der QUAESTOR-Webseite...

Am Dienstagmorgen 8 Uhr teilte die MNB, die gleichzeitig als Finanzaufsicht fungiert, mit, dass die Betriebslizenz der QUAESTOR Értékpapír-kereskedelmi és Befektetési Zrt. bis auf Weiteres suspendiert wurde, ebenso wie zuvor bei der Buda-Cash, deren vier Banken sowie der Hungária Értékpapír.

Auch im Falle von Quaestor teilt uns die MNB nur in dürren Worten etwas von "Irregulärem" bei der "Endabrechnung" mit, Autotext wie wir ihnen täglich geliefert bekommen. Ein kommissarischer Aufseher wurde bestellt, die Behörden eingeschaltet. Natürlich geht alles Bemühen in die Rettung der Kundeneinlagen, versteht sich. Das war es auch schon.

Quaestor selbst lässt erklären, dass die Ereignisse um Buda-Cash die Kunden “in Panik versetzt” hätten und diese Konten in einem Umfang aufgelöst hätten, die die liquiden Mittel der Firma, die seit 25 Jahren am Markt ist, überstiegen. Daher habe man sich selbst an die MNB gewandt, den Gesetzen gemäß.

Die MNB hat also eine Panik losgetreten, die bereits den gesamten Anlagemarkt erfasst hat und kann nun dem Domino-Spiel zusehen.

Wer jetzt noch an Zufall glaubt, ist entweder blind oder gläubig. Drei "Pleiten" mittlerer Aktienhändler binnen zwei Wochen, von denen die MNB und ihr einverleibter Finanzaufseher jahrelang keine Anzeichen bemerkt haben... Natürlich. Dankbarerweise agiert die Fidesz-Regierung wieder einmal in einem Berufszweig, der mindestens so dicht mit Betrügern und Abenteurern durchsetzt ist wie die Politik selbst, man also fast immer auch den "Richtigen" trifft. Und natürlich wird man bei den “Recherchen” auch auf Scharlatane gestoßen sein, die mit der “linken Reichshälfte” verbunden waren oder sind, - dennoch ist die Regierungslegende vom “sozialistischen Brokerskandal” auf das Gesamtbild projieziert eine sehr dünne Geschichte.

 

Premier Orbán dreht den aktuellen Beutezug auf die übliche Weise: Anfang der Woche in seiner jährlichen Ansprache vor der Wirtschaftskammer (hier das Werk in englischer Übersetzung) bedauerte er, dass "67 Kommunen" bei den "Pleiten" Geld verloren hätten (es waren 80, aber die anderen, mit Nicht-Fidesz-kompatiblen Bürgermeistern dürfen weiter durch die Finger schauen) und dass nun das Land mit dem Einlagensicherungsfonds die Ausfälle für Private und Geschäftsleute kompensieren müsse. Zwar ist dieser Fonds auch mit Bankengeldern gefüllt, aber geschenkt. Orbán rettet also einmal wieder, erst die Sparer mit Forex-Schulden, dann die Banken vor dem Schweizer Franken, nun die Kleinanleger, Dörfer und Handwerker. Sancto subito!

Doch dann erklärte der Premier den ungarischen Wirtschaftsbossenbeim “Familientreffen” doch noch recht unverhohlen, worum es eigentlich geht, worin gleich eine Warnung für alle Anwesenden steckt:

"Ich kann die Möglichkeit nicht ausschließen, dass es noch weitere Brokerfirmen gibt, die außerhalb der Grenzen des Rechts arbeiten und die sich genauso in einer schwierigen Situation befinden. Wir wissen nichts Genaues, aber die jüngsten Infos legen diese Annahme nahe. (...) Ich versichere Ihnen, dass die Regierung jede Anstrengung unternehmen wird, um die Macht der Aufsichtsbehörde wieder herzustellen. Für unseren Teil würden wir die Brokerfirmen gerne in einen Zustand versetzen wie wir das bereits beim Bankensystem erreicht haben - um sicher zu stellen, dass so etwas nicht mehr passiert."

Das heißt in anderen Worten: Verstaatlichung durch exekutive, legislative und judikative Gewalt, aber unter ökonomisch und gesellschaftlichen relevanten Vorwänden, dann: Sanierung und / oder Umstrukturierung mit Steuermitteln, bei Auslagerung fauler assets in bad banks des öffentlichen Rechts und Rückprivatisierung an parteinahe Kreise und Günstlinge. Denn das ist es, was man beim Bankensystem "erreicht" hat,
formvollendet vorexerziert bei den Genossenschaftsbanken (Seit Jahresbeginn hat die MNB die Lizenzen von insgesamt zehn kleineren Banken eingezogen, Ausreißer, die der Fidesz-Takarékbank zunächst entschlüpft waren) und gerade weitergeführt bei MKB, Széchenyi und Budapest Bank http://www.pesterlloyd.net/html/1451mkbbbmerger.html, .............., .............., ............ Nachfolgende bitte eintragen.

 

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass andere Player am Markt für Aktienhandel, u.a. die Brokertöchter der OTP oder der ERSTE, bei der ja der Staat gerade - welch glückliche Verknüpfung der Ereignisse - eingestiegen ist, nun in eine vorteilhaftere Lage kommen, weil es weniger Konkurrenten gibt.

Orbán, das ist offenbar, fühlt sich und ist gerade auch stark genug, gleich einem amoklaufenden Monopolyspieler alles einzuziehen, dessen er habhaft werden kann. Er weiß nicht, aber wahrscheinlich spürt er instinktiv, dass seine beste Zeit vorüber ist und es nach dem Gipfel nur noch bergab gehen kann.

Sorgen macht dabei die Willfährigkeit der Behörden und Gewalten, deren Grad der Gleichschaltung weit über das hinaus geht, was sich Demokraten in ihrem naiven Glauben an das Gute auch nur vorstellen können. Orbán äußerte am Freitag im Rundfunk den Wunsch, im Zusammenhang mit den Broker”skandalen” Handschellen klacken zu hören.. Drei Stunden später kamen vier Manager in U-Haft. Was aber geschieht, fragt heute besorgt ein investigatives Internetportal, was aber, wenn er sich eines Tages und vielleicht für “ganz andere Branchen” Kugeln wünscht?

Fortgang im Finanzskandal: Buda-Cash-Banken unter Liquidation

Koalition der Abzocker: Was steckt hinter Buda-C(r)ash?

Hintergründe zu den Entwicklungen in der ungarischen Bankenlandschaft im Ressort
FINANZMARKT

red. / m.s.

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