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(c) Pester Lloyd / 12 - 2015   POLITIK    16.03.2015

 

Mit 19 Fragen zur "neuen Republik": Demo der Opposition am Nationalfeiertag

Eine bunte Mischung aus Bürgerrechtsgruppen, Facebook-Initiativen sowie Oppositionsparteien (ohne Parteisymbole) mobilisierten wieder nur einige tausend Menschen, um nicht Weniger als die "Gründung einer neuen Republik" anzugehen. 19 Punkte sollen - eingedenk der politischen und technischen Hürden - dem Volk in einem bindenden Referendum zur Entscheidung vorgelegt werden. Ein weiter Weg...


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Schon seit einigen Wochen müht man sich, die sporadischen Demonstrationen gegen unsinnige Regierungspolitik und die steigende Wut gegen die epischen Ausmaße von Korruption und Amtsmissbrauch, bei gleichezeitigen Demokratie- und Rechteabbau im Lande, zu bündeln und inhaltlich zu füllen, auf das daraus eine Bewegung erwachse, die nicht nur "Viktor, hau ab!" schreit, sondern ein Land nach Europa zurückholt.

Die Organisatoren die zuvor an verschiedenen "Runden Tischen" brüteten (
hier mehr dazu) und mit einer durchaus gesunden Skepsis gegenüber der etablierten und mehrfach gescheiterten Opposition, aber auch einer Offenheit abseits des linksliberalen Lagers ausgestattet sind, legten der Menge ein Programm aus 19 Punkten vor, je in einer Frage mündend, die man schon am Montag bei der Nationalen Wahlkommission zwecks Abhaltung eines bindenden Refernderums vorlegen will.

Nun, nach erfolgreichem Kampf gegen eine Internetsteuer, nach monatelangen Straßenprotesten gegen den "Raub" und dem Durchbrechen der 2/3-Mehrheit Orbáns bei den Nachwahlen in Veszprem, "sei die Zeit gekommen, neue Instrumente einzusetzen, um das Orbán-Regime zu beseitigen", sagte einer der Veranstalter. Man habe echte Probleme, daher brauche es auch echte Lösungen, - auf der Basis wirklicher Konsultationen mit denen, die die Politik betrifft. Das sind nicht die Parteien und Funktionäre, nicht die Oligarchen und Günstlinge, sondern die Bürger des Landes.

Überwindet dieser noch wackelige Zusammenschluss von Ideengebern außerhalb ausgetretener Pfade der Parteipolitik die enormen verwaltungstechnischen, politischen und numerischen Hürden, will man dem Volk also mit Hilfe eines Kataloges die Möglichkeit geben, Politik zu lenken, ohne auf die nächsten Wahlen warten zu müssen. Theoretisch ist das möglich, das bindende Referendum steht - mit Ausnahmen behaftet - in der Verfassung. Doch theoretisch ist Ungarn auch eine Demokratie...

Die 19 Punkte enthalten kurz zusammengefasst Folgendes:

Die Forderung nach durchgreifender Transparenz bei der Deklaration der Vermögen von Politikern und deren Angehörigen, ein Thema, bei dem sich ein großer Teil der Fidesz-Politiker immer frecher über die Vorgaben hinwegsetzte und das Volk fast täglich staunt, wer - quasi über Nacht - schon wieder zu einem beträchtlichen Vermögen gekommen ist, ohne dass der Glückliche erklären konnte oder mochte, woher das alles kam.

Da man in den ungarischen Generalstaatsanwalt von Orbáns Gnaden keinerlei Vertrauen bei der Bekämpfung von Korruption u.ä. mehr haben könne, fordert man einen "Europäischen Ermittlungsanwalt", an den sich die Ungarn wenden könnten, wenn es im eigenen Land nicht weitergeht. Das ist ein hehrer Gedanke, allein die nationalen Zuständigkeiten und einzuhaltenden Rechtswege, werden das nicht ermöglichen.

Alle Investitionen mit Geldern, die öffentlichen Hintergrund haben, müssen öffentlich ausgeschrieben werden, seien es ungarische Steuergelder, EU-Förderungen oder Kredite (wie jener aus Russland für das AKW in Paks vorgesehene). Ausnahmen dürfe es nicht geben.

Die Milliarden für das AKW Paks sollen für Grüne Energien genutzt werden, Ungarn solle sich gefälligst an die vereinbarten Zielstellungen in der EU halten.

Man fordert ein Ende der verpflichtenden Kammermitgliedschaft für Unternehmen samt Zwangsgebühr, die als "sinnlose Ausgabe" für verküngelte Geschäftemacher bezeichnet werden und "keinen Effekt auf die Wirtschaftsförderung" erbringen.

Endlich soll ein "transparentes Rentensystem" her. Man will wissen, was mit den Abermilliarden privater Rentenbeiträge geschehen ist und erinnert die Regierung an ihr Versprechen, individuelle Rentenkonten einzuführen und einsehbar zu machen. Private Rentenvorsorge darf nicht diskriminiert werden.

Umgehungsstraßen von Großstädten müssen mautfrei bleiben. Eine Forderung, die sich auf die Einführung einer Straßenmaut für die Budapester Stadtautobahn M0 bezieht.

Das staatliche Tabakhandelsmonopol, ein Paradeprojekt von Fideszscher Günstlingswirtschaft ist abzuschaffen, die Handelsfreiheit wieder herzustellen.

Der Ausbau des Budaer Burgbergs zum neuen Amtssitz von Orbán ist zu stoppen, "ein Büro für den Premier ist die Ausgabe von 200 Milliarden Forint" (ca. 660 Mio. EUR) nicht wert. Der Burgberg ist ein historischer Ort, Weltkulturerbe, er gehört den Bürgern und Gästen, Exekutivorgane hätten dort nichts verloren.

Die Kommunalen Beschäftigungsprogramme in ihrer jetzigen Form, mit niedrigsten Löhnen, erniedrigenden Arbeitsbedingungen und ohne Perspektiven sind abzuschaffen. Der gesetzliche Mindestlohn müsse für alle gelten, das Arbeitsrecht ist entsprechend zu ändern.

 

Das nominale Schulabgangsalter ist wieder auf 18 Jahre zu erhöhen, Bildungszugang muss ein Recht für alle sein.

Wartelisten in Krankenhäusern dürfen keine "Todeslisten" sein. Die Wartezeiten auf Operationen dürfen sich nicht an finanziellen oder administrativen Gesichtspunkten entscheiden, sondern müssen von unabhängigen Fachaufsichten behandelt werden.

Kultur ist ebenso viel wert wie Fußball. Es kann nicht sein, dass Orbán und andere Fidesz-Größen sich mit Steuermilliarden unwirtschaftliche Fußballstadien errichten, dafür aber die Kulturszene kaputt gespart wird. Man fordert, dass die Steuer "für beliebte Sportarten", bei der Unternehmer ihre Steuerbasis durch Donationen senken können, für alle Kultureinrichtungen zugänglich gemacht werden soll.

Die Verträge für Paks II sind - für alle finanziellen Belange - öffentlich zu machen.

Die Akten der Geheimdienste aus der Vorwendezeit (Stasiakten) sind zugänglich zu machen. Das Volk habe ein Recht zu wissen, wer von den heute Verantwortlichen ein Spitzel war.

red. / cs.sz.

 

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