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(c) Pester Lloyd / 12 - 2015   WIRTSCHAFT    17.03.2015

 

Fracking: Regierung in Ungarn bereitet nächsten großen Beutezug vor

Noch Mitte 2013 berichteten wir von der sehr reservierten Position der ungarischen Regierung gegenüber Fracking-Technologien. Die Bedingungen scheinen sich schnell geändert zu haben, die Begehrlichkeiten sind gestiegen. Im Hintergrund werden bewährten Seilschaften gerade die letzten Glieder einer fast geschlossenen Liefer- und Profitkette geschmiedet.
12fracking

Ein informelles Strategiepapier aus dem Amt des Ministerpräsidenten, das uns vorliegt, belegt, dass zur Zeit die gesetzlichen Rahmenbedingungen vervollständigt werden, Fracking (also Erdgas aus Gesteinsschichten mit Hilfe von Hochdruckverfahren und Chemikalien zu lösen, mit enormen Folgen für Landschaft, Trinkwasser und Gesundheit wie Sicherheit der Bewohner) im großen Maßstab umzusetzen.

Der Verkaufsslogan dafür lautet natürlich "Senkung der Energieabhängigkeit", mit dem leisen Nachsatz "von Russland". Das könnte jene, die sich über den Kuschelkurs mit Moskau ärgern und die unbeherrschbaren finanziellen Dimensionen von
Paks II fürchten, versöhnlicher stimmen.

 

In und um die südungarische Kleinstadt Makó liegen, in fünf bis sieben Kilometer Tiefe, bis zu 2.000 Milliarden Kubikmeter förderbares Erdgas, allerdings gebunden im Schiefergestein. Selbst wenn man davon nur die Hälfte fördert, wäre der Bedarf des Landes an Erdgas bei heutigem Verbrauch für rund 100 Jahre gedeckt. Der Umweltminister durfte 2013 noch laut seine Skepsis über die unsicheren Technologien vorbringen.

Und so soll die Sache laufen: Ein Tochterunternehmen der MOL und der MVM erhalten in einem Konsortium mit einem ausländischen Unternehmen, am besten einem US-amerikanischen und einem aus einem EU-Land, über eine "Ausschreibung" die Explorations- und Förderrechte. Die USA und die EU an Bord zu nehmen, soll politischen Nachstellungen über das dann Folgende unterbinden.

Dankbarerweise untersagt die EU, dass Förderung, Weiterleitung und Verkauf von Energie in einer Hand gebündelt sein dürfen, was es "leider" nötig macht, einen weiteren Player an Bord zu nehmen. Hier kommt die berühmt-berüchtigte MET ins Spiel, der man durch Sonderverträge und den Aufkauf konkurrierender Gashändler sowohl den Großhandelsmarkt und die Pipelines exklusiv frei gemacht hatte, um auf dem grauen Gasmarkt, mit russischer Insider-Unterstützung, Wiederverkäufe in Milliardenhöhe zu tätigen, - auf Kosten der Gaspreise für Endabnehmer und der Rendite der staatlichen MVM, die erstmals in ihrer jüngeren Geschichte subventioniert werden muss.
Mehr zu dieser Gelddruckmaschine hier.

MET-Miteigner sind dubiose Off-Shore-Firmen, die u.a. direkt ins Umfeld der "Freunde Orbáns" führen, die jährlichen Reingewinne allein aus dem Protektionismus-Business betragen rund 150 Mio. EUR. Die ergaben sich aus einer Differenz von ein paar Cent zwischen dem offiziellen Gazprom-Preis und dem Graumarktpreis, den die MVM zur Abnahme nötigenden Verträgen sowie aus der quasi kostenfreien Nutzung der Pipelines. Kleinvieh macht auch Mist...

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Konzentration von Schiefergasvorkommen in Ungarn

Wenn MET - oder eine getarnte Tochter davon - nun in der Lage wäre, das Erdgas in Zukunft auch - und vielleicht bald ausschließlich - im eigenen Land direkt vom Förderer zu übernehmen, gäbe dies eine Gewinnspanne, von der selbst Drogendealer nur träumen können und man braucht dazu nicht einmal Gazprom. Freilich bleiben die Russen an MET bzw. deren Miteignern beteiligt, man will keine "Familienfehde" entfachen, zu mal genug für alle da ist... (in dem internen Papier wird die MET natürlich nicht namentlich erwähnt, doch die Regierung wird es nicht wagen, diese Geschäftspartner durch ein Parallelkonstrukt auszuboten) Praktischerweise übernahm die MET in Ungarn auch Gaskraftwerke, die Lieferkette schließt sich.

Anfang der Woche brachte die Regierung, noch bevor der erste Schieferstein zerschossen wurde, bereits eine Gesetzesvorlage ein. Diese wird die "Steuer für die Förderung von Kohlenwasserstoffverbindungen mit unkonventionellen und speziellen Prozessen" von derzeit 12 auf 2% senken. In der Begründung der Regierung, die dabei nicht den sonst üblichen Umweg über die Fidesz-Fraktion wählte, lautet "Die Reduzierung ist gerechtfertigt, denn diese Ressourcen werden die Abhängigkeit Ungarns von importierter Energie (Merken Sie: Russland wird nicht wörtlich erwähnt) verringern und die Erschließungsarbeiten bedeuten hohe Produktionskosten"...

 

Der Plan von Kanzler Lázár, der nach eigenen Angaben "keine Ahnung von Energiefragen hat", wird also bereits Schritt für Schritt umgesetzt. Als nächstes, Sie können von Zehn rückwärts zählen, wird die Umweltverträglichkeitsfrage geklärt werden, eine "neue Technologie", beruhend auf "ungarischer Ingenieurskunst" soll hier für Beruhigung sorgen. Sodann tauchen Dekrete auf, die entsprechende Firmen in Stellung bringen werden, es folgt der "nationalen Sicherheit" wegen die Einstufung als "prioritäres Förderprojekt", was die Akten unter Verschluss hält, aber öffentliche Kassen öffnet. Ab ca. 2018 strömt in Südungarn dann das Gas und in die Schweiz das Geld, bereits ab 2020 soll der Marktanteil 15-25% betragen.

Der Riesenschatz in Makó könnte dabei nur der Anfang sein, denn weitere Schifergasvorkommen, wenn auch noch nicht so umfangreich erforscht, gibt es im Süd- und Nordosten des Landes. Das beflügelt Phantasien, die vom langfristigen Netto-Gasexporteur bis zum Saudi-Pannonien reichen.

red. / cs.sz.

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