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(c) Pester Lloyd / 13 - 2015   POLITIK    27.03.2015

 

Betrug am Volk: Opposition in Ungarn will Premier Orbán wegen Brokerskandal absetzen

Am Donnerstag versammelten sich Vertreter der demokratischen Oppositionsparteien im Parlament, um ihr Vorgehen beim Quaestor-Skandal zu koordinieren. Ziel: Orbán stürzen. Der Premier räumte gestern immerhin offen seine maßgebliche Beteiligung am betrügerischen Bankrott des Brokerhauses ein. Die Regierungsseite bleibt dabei ungerührt, sie ist sich ihrer Unantastbarkeit sehr sicher und Kanzler Lázár schlägt zurück.
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Orbáns Exekutor, János Lázár,  gestern vor Medienvertretern.

UPDATE, 28.03.:

In der Nacht zum Freitag wurde der Quaestor-Eigner Tarsoly und zwei Komplizen, 3 Wochen nach Bankrotterklärung des Unternehmens, vorläufig festgenommen. Am Samstag entscheidet ein Richter über die Verhängung von U-Haft, Hausarrest oder Freiheit. Auch diese Polizeiaktion geschah wieder unmittelbar nach der entsprechenden, öffentlich vorgetragenen Aufforderung durch einen Politiker, János Lázár. Schneller waren die Behörden bei Buda-Cash, Gründer und zwei Manager wurden zwei Tage nach Betriebssperrung durch die MNB, nach einem Radiointerview von Orbán verhaftet, der “gerne alle diese Leute im Gefängnis” sehen wollte. Wie es aussieht, sollte Tarsoly zunächst als Fidesz-Günstling juristisch verschont werden (er hat einiges Indsiderwissen über krumme Geschäfte u.a. von Ministern, seine Sekretärin ist außerdem mit der Tochter des Generalstaatsanwaltes befreundet etc.), musste nun aber geopfert werden, um von Orbáns Beteiligung am amtlich beförderten, betrügerischen Bankrott des Anleihespekulanten abzulenken.

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MSZP, DK, Együtt und PM-Vertreter waren sich einig, dass Orbán einen schwerwiegenden Amtsmissbrauch begangen hat. Sie forderten daher die sofortigen Rücktritte von MNB-Chef Matolcsy, Außenminister Szijjártó und Generalstaatsanwalt Péter Polt und kündigten einen Misstrauensantrag gegen Premier Orbán an, der eingeräumt hatte, mit Insiderwissen ausgesstattet, den Abzug von gesetzwidrig angelegten öffentlichen Geldern durch Behörden bei Quaestor angeordnet zu haben. Der darauffolgende Kunden-Run führte zur Pleite des auf einem Fake-Konstrukt aufgebauten Unternehmens des Fidesz-Günstlings Tarsoly. Die Details dazu sowie weiterführende Links darin.

 

Als Tarnaktion hatte die MNB zuvor die Pleite der ebenso betrügerisch agierenden Buda-Cash eingeleitet, um so eine Ausrede für den - laut Orbán - von Orbán angeordneten betrügerischen Bankrott zu haben. Nach Maßgabe einer objektiven Finanzaufsicht hätten beide Unternehmen schon seit Jahren nicht mehr tätig sein dürfen. Den Rücktritt von Polt fordert man, da bisher nur drei Buda-Cash-Manager inhaftiert wurden, der Quaestor-Eigner noch nicht einmal befragt worden ist (in der Nacht zum Freitag tauchte nun die Polizei doch einmal bei diesem auf, genau einen Monat zu spät). 

Sollte - wie bei den eindeutigen Mehrheitsverhältnissen im Hohen Hause zu erwarten - der Antrag zur Amtsabsetzung Orbáns nichts bringen, wollen die linken und liberalen Parlamentarier einen Antrag zur Selbstauflösung des Parlaments und für Neuwahlen einbringen. Auch dieser hat natürlich keine Chance, selbst wenn die, ihre eigenen Oppositionssüppchen kochenden Jobbik und LMP mitstimmen sollten.

Am 11. April soll eine Großdemo gegen die Regierung abgehalten werden.

Die Regierungsseite ignoriert sowohl die rechtlichen Aspekte der Handelnden als auch den gesunden Menschenverstand, der mittlerweile weitgehend die Rolle der Regierungspartei durchschaut haben dürfte: Orbáns rechte Hand Lázár wiederholt lediglich, dass alle Gelder "streng nach Vorschrift" angelegt und gesichert wurden und diese zudem in angeblich weniger riskanten "Staatsanleihen" "anstatt in riskanten (Bar)-Investitionen" vorgenommen wurden. Den Unterschied beim Ausfallrisiko für den Steuerzahler mochte Lázár freilich nicht erläutern, auch nicht den Grund dafür, warum Orbán persönlich zum Rückzug intervenierte und mit welchen Informationen er das tat.

Lázar log im Übrigen, denn Ministerien und ihre Unterstrukturen dürfen laut Gesetz selbst gar keine Aktien, Anleihen oder ähnliches erwerben, das ginge regelkonform nur über die Institutionen der Staatskasse, also das Vermögensamt bzw. die Schuldenbehörde ÁKK

Lázár weiter: "Aktive ungarische Politiker sind in den Skandal nicht involviert." Punkt. Mittlerweile kursieren Recherchen im Internet, die belegen, dass Quaestor geradezu ein Geld-Umschlagplatz für Fidesz-Politiker war.

Für die Opposition liegt auf der Hand, dass mit öffentlichen Geldern ein betrügerisches Finanzprodukt (Fake-Anleihen), das wiederum Fidesz-Günstlingsgeschäfte (Stadien etc.) kofinanzierte, illegal gesponsert wurde. Während die Insider ihre Gelder rechtzeitig abziehen konnten, nahm man die Verluste für die Masse der geprellten Anleger in Kauf.

Fidesz beharrt darauf, dass alles Schuld "der Sozialisten" sei, denen die Buda-Cash-Pleite anzulasten sei, die Quaestor mit in den Abgrund riss, nachdem "die Sozialisten über zehn Jahre zugelassen haben, dass ihre Broker das Geld ungarischer Menschen stehlen." Nun spielten sie "ihre Machtspiele", anstatt mitzuhelfen, die Opfer zu entschädigen, heißt es in einer Aussendung der Parteizentrale als Reaktion auf die Ankündigung des Misstrauensvotums.

 

Doch unterschwellig kündigte Lázár noch einen darüber hinausgehenden Coup an. Es sei nämlich an der Zeit, dass "jene, die 25 Jahre lang das Geld der Leute gestohlen haben" (lies: die Sozis und ihre Business-Seilschaften) "es nun zurückgeben müssen." Man werde daher nun gesetzlich dafür sorgen, dass die "Vermögen der Schuldigen eingezogen" werden können. Ohne Prozess, nur auf Verdacht. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens soll dafür genügen.

Lázár kündigte an, diese - soszusagen "U"-Haftung über das Management und die Eigentümer auch auf Aufsichtsräte auszudehnen. Bei der selektiven Arbeit der Staatsanwaltschaft, die nachweislich nur noch auf Orbáns Zuruf reagiert, ein effektives Instrument, die übrig gebliebenen Konkurrenten beim Beutezug auszuschalten.

Orbán bestätigte am Freitagmorgen in seiner regelmäßigen Radiosendung “180” Minuten, dass er vor der Bankrotterklärung von Quaestor von ebendieser einen Warnbrief erhalten hätte und daraufhin den Abzug der Einlagen staatlicher Behörden anwies. Da er aber nicht in er Lage sei, dem Rechtssystem Anweisungen zu erteilen, sei er für nachfolgende Entwicklungen nicht verantwortlich. Die Betroffenen hätten sich auch schon vor Quaestor des Risikos solcher Geschäftsmodelle bewusst sein müssen...

red.

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