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(c) Pester Lloyd / 14 - 2015   WIRTSCHAFT    31.03.2015

 

Tarnen und Täuschen: Regierung Orbán schwindelt sich aus dem Finanzskandal

Der Wirbel, der die Umstände der Pleite der Investmentfirma Quaestor verursachte, führte bei den verwickelten Machthabern jetzt zur Einsicht, dass, im Interesse der Systemerhaltung, ein Bauernopfer angebracht ist. Gerüchte, Orbán sei durch seine Machenschaften "unter Druck", sind deutlich übertrieben.

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Eine Chronik der Ereignisse und Links am Ende des Beitrages

Ein Richter bestätigte, im Sinne der neuen Strategie, sowohl die Verhängung von Untersuchungshaft für den Quaestor-Chef und ehemaligen Fidesz-Günstling Tarsoly als auch die Einbeziehung des Stadions und der Liegenschaften des Györer Fußballklubs ETO, dessen Präsident und Eigner Tarsoly ist, in die einzufrierenden Vermögenswerte zur Schadenskompensation. Am Dienstagmorgen wurde sogar bekannt, dass man, neben Bankkonten, Immobilien etc. auch den Lexus der Tochter Tarsolys eingezogen habe, - eine gute Show, wenn man bedenkt, dass es in Summe um rund 300 Mio. EUR Schäden geht. Damit geht die Sache seinen ordentlichen, rechtsstaatlichen Gang, findet die Regierungspartei.

Eine Ausdehnung der Untersuchung auf höherrangige Figuren, also den Außenminister und den Ministerpräsidenten, die (indirekt) mehrfach öffentlich zugegeben haben, mit Insiderwissen in das Geschehen eingegriffen zu haben, zum Schaden der Anleger, hält man nicht für nötig, denn ohnehin, so die simple Erklärung, ist alles Schuld der "Sozialisten", denn deren Brokerhaus Buda-Cash habe mit seiner Pleite einen Domino-Effekt ausgelöst, Orbán durch seine - vor der Bankrotterklärung des Quaestor ausgegebene - Anweisung, öffentliche Mittel abzuziehen, lediglich im Interesse der Öffentlichkeit gehandelt.

Mittlerweile hat die PR-Abteilung des Premiers die "Fakten" auch neu sortiert, Tarsoly soll Premier und MNB gleichzeitig über seine Zahlungsunfähigkeit informiert haben, erklärte der Kommunikationsstaatssekretär András Giro-Szász gestern und bezieht sich damit auf eine Erklärung des U-Häftlings. Das widerspricht zwar Orbáns eigenen Aussagen, ist aber nun allgemeine Sprachregelung. Orbán hatte demnach keine Infos, gar Insiderinformationen vorliegen, sondern lediglich "auf Fachleute" und die allgemeinen "Gerüchte" gehört als er Ende Februar seine Rückzugsanweisungen gegben hatte.

 

Außenminsiter Szijjártó (Foto oben mit Orbán), Geschäftspartner Tarsolys bei der Errichtung von "Handelshäusern" und "Visa-Centers", verneint engere persönliche Kontakte, er habe das Unternehmen als "seriöse Firma" kennengelernt, daher habe man ihr "öffentliche Gelder anvertraut". Noch ein paar Tage vor der Pleite habe er Quaestor "an einen arabischen Investor vermittelt", was man ja kaum getan hätte, wenn man um die Umstände gewusst hätte. Warum Tarsoly einen Diplomatenpass und unbeschränkten Zugang zum Parlament, in dem auch das Amt des Minister sitzt, hatte, wollte Szijjártó nicht erklären.

Auch zum Thema der Einsetzung eines Strohmannes - unter Genehmigung der MNB - gibt es keine Einsichten von Fehlverhalten.

Die Mittäter bei der stattgefundenen Vertuschung und Protektion, Generalstaatsanwalt Polt und MNB-Chef Matolcsy, seien ohnehin nicht angreifbar, denn sie handeln der Verfassung gemäß "unabhängig".

Der Opposition bleibt nichts weiter, als wiederholt den Rücktritt der Verantwortlichen, einschließlich Premier Orbáns, zu fordern, sich ansonsten aber in ihre Rolle als Beobachter eines gleichgeschalteten Rechtssystems zu bescheiden. Warum die Buda-Cash-Macher umgehend in Haft genommen wurden, die Quaestor-Leute aber noch 4 Wochen Zeit hatten, ihre Angelegenheiten "zu regeln", ist dabei die entscheidende Frage, neben jener, wie die Betrugskonstrukte beider Pleite-Firmen über Jahre, ja Jahrzehnte unentdeckt geblieben sein konnten.

Fidesz lässt, statt der Verantwortlichkeit der Aufsichtsbehörden in den letzten 5 Jahren, lieber untersuchen, unter welchen Umständen die "Gyurcsány-Regierung" einst einen "unbesicherten Kredit" von rund 56 Mio. EUR an Quaestor vergab, ein klares Zeichen dafür, dass man auch die Pleite des "Fidesz-Brokerhauses", das nach jetzigem Wissensstand eine wichtige Drehscheibe und Finanzierungsplattform für die dubiosesten Fidesz-Projekte war, den Sozis in die Schuhe zu schieben gedenkt. Die Erfahrung lehrte die Ungarn, dass man damit immer den richtigen trifft und die wirklich dicken Geschäfte keine Parteigrenzen kennen.

 

Im Parlament versuchte die MSZP Orbán durch Anfragen zu weiteren unbedachten Äußerungen zu provozieren, was aber nicht gelang. Am Donnerstagmorgen sollen "der Öffentlichkeit detaillierte Informationen präsentiert werden, welche staatlichen Behörden Gelder bei Quaestor geparkt hatten" und "ob diese Fonds noch vorhanden sind". Das soll also eine Art Rettungsbilanz werden, die der allgemeinen Meinung entgegenzusetzen ist, die ganz simpel so lautet: Fidesz hat Buda-Cash und Quaestor gezielt in die Pleite geschickt, um Gelder verschwinden zu lassen und einen weiteren Markt zu übernehmen.

Orbán und die Seinen haben in den vergangenen Tagen versucht, die mediale Deutungshoheit über die Abläufe des Milliarden-Skandals zurück zu erlangen, das gestaltet sich deutlich schwieriger als die exekutiv und juristische Manipulation der Ermittlungen. Schlagzeilen in der westlichen Presse, seine Regierung stünde unter "Druck", gar, Orbán sei "angeschlagen" etc. sind deutlich übertrieben und fußen auf der falschen Prämisse, in Ungarn funktionieren demokratische Kontrollinstanzen, Rechtsstaat und Gewaltenteilung.

red. / cs.sz.

Chronologie der Ereignisse

Betrug am Volk: Opposition will Premier Orbán wegen Brokerskandal absetzen (27.03.)

Die "Qualifizierten": Ab- und Verwicklungen beim Brokerskandal

Quaestor-Chef abgetaucht? / 23.3.

Finanzskandal in Ungarn: Wie Gangster und Politiker eine Milliarde Euro verschwinden ließen / 12.3.

Der Nächste bitte: Quaestor - Nationalbank übernimmt Kontrolle über
weiteren Aktienhändler - 10.3.


Orbán äußerst sich zum Finanzskandal - 9.3.

Hungária Értékpapír: Ungarische Nationalbank nimmt
weiteren Aktienhändler vom Markt - 6.3.


Fortgang im Finanzskandal: Buda-Cash-Banken unter Liquidation - 3.3.

Koalition der Abzocker: Was steckt hinter Buda-C(r)ash? - 27.2.

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Hintergrund "Mafiastaat" (kleine Auswahl):

MET - Die Gelddruckmaschine eines Mafia-Staates

Zwangskollektivierung und Rückprivatisierung
Wie in Ungarn aus Genossenschaftsbanken Parteifilialen wurden


Legalisierung des Illegalen: geschäftsmäßige, amtliche Plünderung von EU-Fördergeldern in Ungarn

Real exsitierende Kleptokratie: Ungarn legalisiert Korruption und Amtsmissbrauch

Affäre um Széchenyi Bank: Rettete die ungarische Regierung Oligarchengelder mit Steuermillionen?

Abgezweigt: Ungarische Nationalbank stockt Stiftungen auf 800 Mio. EUR auf

Plündern unter Geheimhaltung: Infos zu AKW-Ausbau in Ungarn 30 Jahre unter Verschluss

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