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(c) Pester Lloyd / 15 - 2015   NACHRICHTEN    07.04.2015

 

Judaslohn? MSZP-Ex-Parlamentspräsidentin Szili arbeitet für Orbán

Dass ausgerechnet Premier Orbán eine landesbekannte "Sozialistin" gebeten haben soll, seinen Staatssekretär für Nationalen Zusammenhalt bei der Erstellung einer Konzeption für die Gemeinschaften der "Ungarn im Karpatenbecken" zu unterstützen, nährt Spekulationen, dahinter könnte ein dunkles Stück ungarischer Zeitgeschichte verborgen sein.

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Katalin Szili hier mit Parlamentspräsident Kövér, Fidesz, und KDNP-Chef und Vizepremier Semjén.

Dass eine ehemalige MSZP-Spitzenpolitikerin, ja überhaupt eine der linken Landeshälfte zuzuordnende Persönlichkeit einen relevanten Job in der Orbán-Administration erhält, ist praktisch ausgeschlossen, immerhin hat der Premier die "Ausmerzung der Sozialisten" aus der ungarischen Politik sowie ihre Verdrängung von jeder verantwortlichen Position als eines der Primärziele seiner Regierung postuliert. Ja, seine Macht basiert zu großen Stücken auf wildem Hass auf die "Sozis".

 

Und immerhin handelt es sich auch nicht um Irgendjemand, sondern um Katalin Szili, bereits in der MSZMP aktiv, später in der MSZP Staatssekretärin, unter Premier Gyurcsány ab 2002 auch Parlamentspräsidentin sowie Präsidentschaftskandidatin und parteiinterne Herausforderin des MSZP-Chefs. Den Parlamentsvorsitz gab sie auf, um mit Übergangs-Premier Bajnai in den Wahlkampf 2010 zu ziehen. Dann verließ die für ihren manischen Ehrgeiz berüchtigte Politikerin zuerst die MSZP-Fraktion, dann die Partei. Sie gründete später eine eigene Kleinpartei, die sich in erster Linie der Armutsbekämpfung widmen sollte. Seit dem hörte man von ihr nicht mehr viel.

15szilikatalin (Andere)Eine Anfrage der unabhängigen Transparenzplattform www.atlatszo.hu an das zuständige Ministerium ergab nun (für eine Vergrößerung der Kopie bitte
klicken), dass Szili monatlich rund 3.000 EUR Salär für ihre konzeptionelle Arbeit erhält, zusätzlich einen Chauffeur samt Dienstwagen und Bürokostenerstattung, also ausgestattet wie ein Staatssekreträ selbst. Ihr Aufgabengebiet bei dem direkt im Amt des Ministerpräsidenten angesiedelten Staatssekretariat umfasse dabei auch die Erarbeitung von Autonomiekonzepten für die Auslandsungarn bei Berücksichtigung des Machbaren in den jeweiligen Ländern. Ein Thema, das sich normalerweise niemals ein FIDESZ-KDNPler entgehen oder gar einem Sozi überlässt. Das Schreiben des Staatssekretärs formuliert genüsslich, dass Viktor Orbán Szilis Arbeit sehr schätzt und würdigt.

Die Spekulationen, warum die Frau das tut, reichen vom banalen: weil sie das Geld braucht, bis hin zu der stimmiger klingenden These, dass der Job ihr Judas-Lohn für den Verrat an ihrem damaligen Chef, Premier Gyurcsány, sei. Sie - Szili - sei es gewesen, die das Band der berühmten "Lügenrede" von Őszöd, an die Gegenseite gespielt habe, das es wiederum der Öffentlichkeit zugänglich machte, was letztlich zum Sturz der Sozis und dem Beginn der Epoche Orbán mit seiner 2/3-Mehrheit etc. etc. führte.

 

Die Sache ist deshalb so plausibel, weil die Konkurrenz Szilis mit Gyurcsány geradezu legendär war, Szili hätte ihn zu gerne an der Parteispitze abgelöst, was andere Strippenzieher um Ildikó Lendvai damals verhinderten. Auch Szilis Ehrgeiz und die allgemeine Skrupellosigkeit in diesen Sphären der Macht sprechen dafür, dass dieser Posten nicht deshalb an die "Sozialistin" vergeben wurde, weil man in bürgerlichen Kreisen nicht die entsprechende fachliche Kompetenz fand.

Die Vorgänge um die Publikation der "Lügenrede" liegen bis heute im Dunkeln, die naheliegende Involvierung des Fidesz wird von der Partei stets abgestritten, allerdings liegen eine Reihe Aussagen vor, die sowohl MSZP-Insider, Fidesz-Funktionäre sowie deren mediale Verbindungen als Beteiligte an dem wohl größten politischen Eigentor der jüngeren ungarischen Geschichte benennen. Gyurcsány hatte damals bei einer Klausur vor Funktionären zugegeben, dass er und seine Partei das Volk "Tag und Nacht belogen" zu haben, um die Wahlen zu gewinnen. Zuletzt sorgte 2014 die "gekürzte" Publikation eines Geheimdienstberichtes für Aufsehen.
Mehr dazu hier.

a.l.
 

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