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(c) Pester Lloyd / 15 - 2015   BOULEVARD    08.04.2015

 

Blick in die Kristallkugel: 87% der Ungarn sehen schwarz, der Rest wählt Fidesz

57% aller Ungarn schauen "pessimistisch in die Zukunft des Landes", sagt der Zukunftsmonitor von Tárki. Unsere populistische Überschrift (Lügenpresse!) ist daher demographisch nicht haltbar. Aber sie trifft den Kern. Was die Sicht der Bürger auf ihre Zukunft mit dem Bau von Pyramiden und Krebsbehandlungen zu tun hat, erschließt sich dem, der bis zu Ende liest.
 
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Für Ortsfremde: Orange ist, als fidesz-narancs, eine emblematische Kodierung für die Orbán-Partei und daher ein beliebtes Illustrationstool

57% aller Ungarn schauen "pessimistisch in die Zukunft des Landes". Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Tárki vom Januar diesen Jahres unter dem Titel "Zufriedenheits-Monitor" und stellt einen erheblichen Anstieg des Pessimismus` binnen eines Jahres fest, denn im Januar 2014 lag diese Quote bei "nur" 36%. Optimistisch erklären sich heute lediglich nur noch 13% der Befragten, zuvor waren es 31%. Ein "Unentschieden " gaben 30% an, im Vorjahr 33%. Was mag in diesem einen Jahr bloß geschehen sein?

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Menschen mit höherem Bildungsabschluss sind leicht optimistischer (16%) als solche, die keine Hochschulausbildung haben (10%, 62% negativ). Das liegt vielleicht daran, dass Erstere während des Studiums Kontakte ins Ausland knüpfen konnten und daher deshalb positiv in die Zukunft schauen, weil die nicht unbedingt in der Heimat liegen muss und ohnehin nicht so sehr von der Performance krawattierter Vollpfosten abhängig ist. Immerhin stellt ihnen in London oder Berlin keiner mehr solche blöde Fragen (dafür andere). Es könnte aber auch daran liegen, dass der Kluge weiß, dass Nichts von Dauer ist, nicht einmal Orbán.

Auch sitzt, laut Tárki, der Frust im armen Nordosten und Südwesten des Landes erstaunlicherweise tiefer als im materiell und mit überdachten Sportanlagen etwas besser gestellten Zentral- bzw. Westungarn. Das ist schon deshalb unverständlich, da es von "ganz unten" schon physikalisch nur mehr bergauf gehen kann, was das ungebildete Volk in der Puszta nur offenbar nicht versteht - trotz Bildungsreform!

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Verteilung des Frohsinns von Leuten mit Hauptschulabschluss (ganz linke Säule) bis zum Hochschuldiplom. Rot: Optimisten, Grün: Pessimisten, Blau: Unentschieden, Meinungslose etc.

Anhänger linker Oppsitionsparteien führen die Pessimisten-Liste mit 82% Schwarzseher an. Ob das eine Vorgabe des Untergrund-Politbüros ist oder eine Manifestation des Unterbewußtseins, das lediglich kund tut, dass die Sozis dem Land bei einem (un)denkbaren Machtwechsel auch nichts Besseres zu bieten haben, bleibt ein Geheimnis der Tárkisten.

Apropos "Besser". Es folgen auf der Skala der Miesepeter die Sympathisanten der neonazistischen Jobbik, wo 72% Schwarz sehen, was besonders eigenartig ist, denn immerhin annoncierte diese Partei die Machtergreifung spätestens für das Jahr 2018, womit dann schließlich alles "jobb", also besser werden sollte. Wenn aber nicht einmal der gemeine Wald- und Wiesennazi mehr an die Heilsversprechen seiner Führer glaubt, dann wird das wohl nichts mit der Bewegung.

Bar solcher Lasten sind und kiloweise Glückskekse geraucht zu haben scheinen hingegen die Anhänger der Regierungspartei Fidesz, dort erlaubt sich (oder wird ihm erlaubt) nur jeder 5. (also 20%) ein schweres Gemüt beim Blick in die nationale Kristallkugel. Optimismus ist sozusagen Bürgerpflicht.

80% von 21% der Walhbevölkerung (momentane Unterstützung für FIDESZ) sind rund 1,4 Mio. Menschen (also nach Fidesz-Rechnung ca. 65% der Parlamentsmandate), die jauchzen und frohlocken, während knapp 40%, also 4 Millionen unter der Armutsgrenze abfeiern müssen. Das nennt man eine stabile Pyramide, das Fundament eines jeden bürgerlichen Gemeinwesens...

 

Von der (größten) Gruppe der Nichtwähler sehen nur 4% frohgemut in die Zukunft, was logisch erscheint. Allerdings stellt sich die Frage, warum man Leuten, die am politischen Schicksales ihres Landes ohnehin nicht teilhaben also auch nichts ändern wollen, sich also in einem gesellschaftlichen Hungerstreik befinden, überhaupt das Recht einräumen sollte, ihren Unmut über dessen Zukunftsaussichten kund zu tun. Am Rande: Wir sprechen über 42% der wahlberechtigten Bevölkerung!

"Ja, sie würden ja mitmachen und teilhaben, wenn es denn wählbare, ehrliche Alternativen gäbe!" wenden Sie ein? Darin wohnt eine die Logik, dass sich der Patient erst dann gegen einen wuchernden Krebs behandeln lässt, wenn es ein nachweislich wirksames Medikament ohne jede Nebenwirkung gibt...

red. / m.s.
 

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