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(c) Pester Lloyd / 16 - 2015     MEDIEN    16.04.2015

 

Rumpelstilzchen als Medienzar: Orbáns Geheimrat baut neues FIDESZ-Medienimperium auf

"Neues regierungsfreundliches Medienimperium im Entstehen, Habony als Kopf". Dass die amtliche und somit weitgehend gleichgeschaltete Nachrichtenagentur MTI sich eine derartig pampige, für die Antennen der Oberen fast schon aufmüpfig feindselige Überschrift erlaubt, belegt einen gewissen kollegialen Ekel über die jüngste "strategische Entscheidung" Orbáns. Was steckt dahinter?

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Denn kaum jemand, selbst im regierungsfreundlichen Lager versteht, warum ausgerechnet die absurde Halbweltfigur Habony an die Schaltstelle eines solchen Projektes gesetzt wird und die Begeisterung beim Staatsfunk darüber, dass man - neben Medienrat und interner Zensur - nun noch zusätzlich parteiliche Leitmedien zur Gängelung und Kontrolle vorgesetzt bekommt, hält sich verständlicherweise in Grenzen. Zumal die Stümperei der Funktionäre die regierungstreuen Medienarbeiter schon heute der allgemeinen Lächerlichkeit preis gibt.

Für Orbán ist der Aufbau eines Gegengewichts für die
abtrünnige Mediengruppe von Ex-Kumpel Simicska, der mit Hír TV, Magyar Nemzet und Lánchíd Rádió nicht mehr die mediale Schleimspur für den Rergierungschef ziehen will, von enormer Wichtigkeit. Wahlstrategisch ebenso wie persönlich. Denn Orbán kann nicht verlieren, weder politisch noch persönlich, Rache war und ist eine seiner stärksten Triebfedern und für die Exekution ist der Charakter eines Árpád Habony offenbar genau der richtige.

Das Newsportal valasz.hu will wissen wie die neue Struktur aussehen soll. Danach sei bereits am 9. April eine Medienholding, die "Modern Media Group" kurz: MMG (Hollywood´s MGM lässt grüßen), in Form einer geschlossenen AG gegründet worden, an der Habony 50% hält, die anderen 50% liegen bei einem anderen Berater Orbáns, für Rechtsfragen, Tibor Győri. Firmensitz ist das gleiche Gebäude, in dem auch die vor zwei Jahren von fidesznahen Kreisen aufgekaufte Wirtschaftstageszeitung Napi Gazdaság residiert. Deren Geschäftsführer, Péter Keresztesi, wird auch vorläufig Geschäftsführer der MMG sein, den Posten wird er aber bald an Gábor Liszkay abgeben müssen, den Ex-Chefredakteur der Magyar Nemzet, der aus Treue zu Orbán mit Beginn des Medienkrieges die Seiten wechselte, wie viele seiner Mitstreiter, darunter auch Matilda Torkos, seine Stellvertreterin, die nun auch für MMG arbeitet.

 

MMG, so die Planungen, soll vielschichtig in die Medienlandschaft wirken. Im Zentrum wird unter der Webadresse www.via.hu ein Newsportal stehen, das die Marktführerschaft von index.hu attackieren soll, dem stärksten unabhängigen Online-Portal des Landes. Flankiert werden soll das Projekt "Meinungsführerschaft" durch ein kostenloses Wochenmagazin mit lokalen Themen, das an alle Haushalte geliefert wird und in dem solche Journalisten-Leuchten wie der Puszta-Goebbels Zsolt Bayer dem Volk den Marsch blasen. Auch der Wirtschaftsjournalismus wird, rund um die Napi ausgebaut, ein eigenes Business-Portal soll die "richtigen" Zahlen und Trends verbreiten. Ein Radiosender schließlich Taxi- und Traktorfahrer erreichen.

Ein eigener TV-Kanal ist zunächst nicht geplant, was auch nicht nötig erscheint, immerhin wurde das 1. Ungarische Fernsehen, per ordre de mufti, kürzlich vom Staats- zum Parteisender umgestaltet. Journalistisch und technisch zwar mit einem
peinlichen Fehlstart, doch immerhin hat man nun ein landesweites "Fidesz-TV" zur Verfügung, ohne dafür private Gelder einsetzen zu müssen. Die werden auch bei MMG nur wenig notwendig sein, denn Orbán hat mehrere Handkassen für "PR-Zwecke" oder sonstige "strategische" Maßnahmen zur Verfügung, über die er keine Rechenschaft ablegen muss.

Dass nur Orbán der Takt-, Geld- und Tonangeber für das neue "Medienimperium" sein kann, liegt auf der Hand, schließlich ist Habony dessen "persönlicher, strategischer Medienberater", auch wenn es dafür weder einen genehmigten Budgetposten, noch einen gültigen Arbeitsvertrag gibt. Habony hat uneingeschränkten Zugang zum Parlament, in dem sich auch das Amt des Ministerpräsidenten befindet, ein Privileg, das normalerweise nur hochrangigen Amtsträgern von Verfassungsorganisationen zusteht.

Man weiß nicht viel über das wie und warum des Auftauchens dieses Mannes in den höchsten Machtzirkeln, was man weiß, ist, dass der ungarische Meister in der traditionellen Schwertkampfkunst Kampfkunst Kendó, deren Ziel es vor allem ist, moralische Festigkeit und Selbstbeherrschung zu lehren, 2006 einen Mann verprügelte und einer Frau in den Bauch trat, die ihm an einer Ampel in die Spur geraten sind. Dafür erhielt er zwei Jahre auf Bewährung. Anschließend verklagte er den Reporter, der die Sache publik machte wegen "Rufschädigung", verlor aber.

Das gleiche versuchte Harbony mit dieser Zeitung, wir sollten eine "beleidigende Behauptung" widerrufen, die wir nie getätigt hatten. Wir erwähnten, dass Habony in ungarischen Medien als einer der Betroffenen des
US-Einreiseverbotes genannt worden war, ein Vorwurf, den er durch Publikation eines Fotos von ihm auf dem Capitol Hill zu widerlegen suchte, bei dem er eine aktuelle Tageszeitung in Händen hielt, wie eine Geisel seinerselbst. Das war derart lächerlich, dass Habony seitdem eine zentrale Witzfigur im ungarischen Internet wurde.

 

Ansonsten weiß man über die Geschäfte des Árpád Habony nicht viel, außer, dass sie lukrativ sein müssen, denn Mäntelchen, Täschchen, Accessoires und Fahrzeuge, die der zeigefreudige Mann gockelgleich herumträgt, werden immer teurer, wenn auch geschmackloser. Sein Name taucht bei Beraterverträgen diverser regierungsnaher Institute auf (die Nezöpont-Századvég-Geldwaschmaschine ist quasi seine geschäftliche Wiege), aber auch bei den Immobilienskandalen im V. Bezirk. Der strategische Chefberater Orbáns wurde kürzlich zusammen mit Filminquisitor, Hollywood-Produzent und Ungarns Casino-Pate Nr. 1 Andrew Vajna in einem von der Fidesz-Fraktion geleasten Fahrzeug gesichtet und im Londoner Kaufhaus Harrods mit Maurer-Dekoltée beim Austernschlürfen fotografiert. Ein echter Sympathieträger eben.

Wo seine Qualitäten für Orbán liegen sollen, bleibt rätselhaft. Denn das Niveau und Potential dieses Mannes und seiner mit ihm tätigen Dreifaltigkeit aus Primitivität, Brutalität und Hinterhältigkeit sind mehr ein Versprechen auf blumig-wuchtige Skandale und ein grandioses Scheitern des Projekts Medienherrschaft, denn ein medialer Garant für Orbáns Machterhalt. Da es aber Merkmal mittelmäßiger und gleichzeitig größenwahnsinniger Geister wie jener Orbáns ist, sich mit noch mäßigerem Mittelmaß zu umgeben, scheinen sich Zwei gefunden zu haben.


red. / a.l.
 

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