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(c) Pester Lloyd / 16 - 2015     WIRTSCHAFT    15.04.2015

 

Entschädigung für Gier: Banken und Bürger in Ungarn bluten für Quaestor-Abenteuer

Wer Geld beim Fidesz-Anlagezentrum Quaestor verlor, genießt als "Investor" jetzt eine privilegierte gesetzliche Stellung. Pech hingegen, wer beim "sozialistischen" Aktienbroker Buda-Cash in Aktien machte, der geht als "Spekulant" leer aus. Die Regierung versucht sich von ihrer Rolle im Finanzskandal freizukaufen. Die politische Aufarbeitung der Verwantwortlichkeiten der inszenierten Pleitewelle treten angesichts der "großzügigen" Abfindungen in den Hintergrund.

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Zugegeben, die komplexe, philosophische Bösartigkeit des “Joker” aus den Batman-Filmen hat wenig mit den plump-dreisten Bauern-Gaunereien in Ungarn zu tun, aber man hält doch alles für einen schlechten Witz (joke) und es wird jede Menge Geld verbrannt. Die ganze Geschichte und die Rolle der Politik, darin auch eine Chronologie der Ereignisse.

Die Regierungspartei hält es für angemessen, auch die "Kleinanleger" der Quaestor-Pleite über das vom Investorenschutzfonds BEVA gedeckte Hilfsprogramm (6 Mio. HUF, also ca. 18.000 EUR pro Kunde) hinaus zu entschädigen und sie mit Bankkunden gleich zu stellen.

 

Denn man befand die Kunden der Quaestor als "Investoren", während jene, die Aktien bei der ebenfalls bankrotten Buda-Cash handeln ließen, als "Spekulanten" eingestuft worden sind, die mit einem weitgehenden Ausfall ihrer Einlagen zu rechnen haben und nur auf die Erlöse aus dem Liquidationsverfahren hoffen können. Lediglich die Kunden der mit Buda-Cash assoziierten Banken werden durch den von der EU vorgegebenen Einlagensicherungsfonds bis 30 Mio. HUF je Kunde abgegolten.

Das Anfang der Woche durchgebrachte Gesetz betrifft rund 80.000 Menschen, die nun mit Entschädigungen rechnen dürfen, die weit über den bei der Liquidierung des Quaestor-Anlagefriedhofs einholbaren Werten liegen wird. Nach dem Gesetz müssen sie ihre Ansprüche zwischen 6. Mai und 5. Juni anmelden, der beauftragte Fonds prüft dann 30 Tage, Kompensationen sollen bis zu einer Höhe von 30 Mio. Forint (also grob 100.000 EUR) pro Kunde abgegolten werden.

Dazu werden die dem Investorenschutzfonds BEVA angehörigen Banken und Finanzunternehmen zu weiteren Zwangsanleihen verpflichtet, was nichts anderes bedeutet, als dass die Finanzinstitute, die ordentlich gewirtschaftet haben, für das missglückte Finanzabenteuer des Fidesz-Günstlings Tarsoly bluten müssen. Eine weitere Ausformung der planwirtschaftlichen Tendenzen in Orbánistan. Dass diese Kosten - geschätzte 40-60 Mio. EUR - so oder so auf die Kunden umgelegt werden, versteht sich.

Der Steuerzahler wird aber auch direkt zur Kasse gebeten, denn Teil des Entschädigungsgesetzes ist ein umfangreicher Steuererlass auf fast alle nach dem Bankrott-Datum angefallenen Geschäftsvorgänge und Forderungen, um die Konkursmasse für die Entschädigung nicht zu reduzieren. Dazu gehören auch steuerliche Ansprüche, die sich aus vor dem Termin liegenden Geschäften ergeben, aber erst jetzt entdeckt werden.

Das Quaestor-Entschädigungsgesetz macht keinen Unterschied zwischen "Privatanleger", kommunalem oder sonstigem institutionellen Anleger und unterscheidet auch nicht zwischen Anlagen in durch die Finanzaufsicht (früher PSZÁF, jetzt Nationalbank) genehmigte und nicht genehmigte Anlageausgaben. D.h. der Staat entschädigt für ungesetzliche Finanzspekulation, weil die Regierungspartei ihre Anhängerschaft nicht verärgern will. Die Anspruchsträger müssen lediglich eine Unterschrift leisten, dass sie auf weiterführende Ansprüche verzichten werden.

Die Banken, die den größten Teil der Lasten tragen, wurden wieder nicht gefragt, der Orbán-nahe OTP-Bankchef Csányi grummelte öffentlich, dass er eigentlich nicht mehr als 40% der Ansprüche abgelten wollte und es einigermaßen unbegreiflich sei, warum man das Anlagerisiko so gänzlich auf unbeteiligte Unternehmen abwälze. Die neuerliche Belastung fresse rund die Hälfte der durch die Reduzierung der Bankensondersteuer (im Gegenzug zur Forex-Gesetzgebung) erhofften Einsparungen auf.

Dem Gesetz stimmten auch große Teile der Opposition zu, auch wenn es Anmerkungen dazu gab, dass es wohl offensichtlich ist, dass Fidesz seine Klientel begünstigt, während man alles unternimmt, um die politischen Verantwortlichkeiten für diese inszenierte Pleite zu verschleiern.

Wie berichtet konnten staatliche Behörden und die am engsten mit Fidesz vernetzten "Anleger" ihre bei Quaestor geparkten Gelder aufgrund von Insidertipps aus dem Amt des Ministerpräsidenten noch rechtzeitig vor der Annoncierung der Pleite in Sicherheit bringen.

 

Quaestor finanzierte, überwiegend mit gefakten, also nicht wertgedeckten Anleihen, ökonomisch abenteuerliche Lieblingsprojekte von Fidesz-Günstlingen, darunter Shopping Center, Wohnanlagen, Freizeiteinrichtungen, vor allem aber "teilüberdachte Sportanlagen", das politisch korrekte Codewort für Fußballstadien. Weitere Anleihen wurden - ungenehmigt von der blinden Finanzaufsicht - in Form eines Pyramidensystems vergeben.

Das durch Quaestor finanzierte ETO Fußballstadion und der ETO Sportpark sind ebenfalls bankrott, wurden aber durch die Deklaration zu "Objekten nationaler Wichtigkeit" aus dem Konkursverfahren herausgelöst und werden ebenfalls mit öffentlichen Mitteln "gerettet" werden.

Die ganze Geschichte und die Rolle der Politik, darin auch eine Chronologie der Ereignisse.


red.

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