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(c) Pester Lloyd / 17 - 2015     POLITIK    20.04.2015

 

Armes Ungarn: Gyurcsány als Controller Orbáns?

Mit theatralischem Furor reagiert die Orbán-Regierung auf die Information, dass ein Unternehmen von Ex-Premier Gyurcsány von der EU mit der Erstellung von Studien über künftige EU-Finanzierungen betraut worden ist. Die Konstellation ist in der Tat fatal, doch Orbáns Leute nutzen sie, um mit plumpen Lügen vom eigenen korrupten Sumpf abzulenken. - KOMMENTAR

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Der für die Lügen über den Umgang mit EU-Geldern zuständige Vizestaatssekretär Csepreghy (für die Verteilung ist Kanzler Lázár zuständig) verlangt von der EU-Kommission die Rücknahme einer Vereinbarung mit der Firma Altus, die sich in Besitz des "sozialistischen" Ex-Premier Ferenc Gyurcsány befindet. Wie könne es sein, dass ein Oppositionspolitiker, noch dazu dieser, Einfluss auf die Vergabe von EU-Mitteln für Ungarn nehmen könne, fragt Csepreghy. Es sei "unverantwortlich", einen solchen Auftrag an eine "lokale 4-Mann-Firma" zu geben, anstatt an "erfahrene, internationale Wirtschaftsprüfer". "Niemand in Ungarn glaubt ernsthaft daran, dass der DK-Chef in der Lage oder Willens ist, eine objektive, unvoreingenommene Meinung zu formulieren."

Die Regierung behauptet, Altus-Mitarbeiter seien in den letzten Wochen in verschiedenen Ministerien aufgetaucht, mit einer “EU-Vollmacht” für das  "Monitoring von regionalen Entwicklungsporgrammen". Damit sei die Gyurcsány-Truppe mittelbar auch Schuld an der kürzlichen Suspendierung von rund 450 Mio. EUR (bzw. Projekten im Gesamtwert von über 2 Mrd. EUR). Lies: die linke Opposition als Vaterlandsverräter, die EU als linksliberale Mafia "gegen die ungarischen Familien".

Gyurcsány bestätigte in einem Statement am Sonntag, dass ihm die Altus Kft. gehört und als Führer eines Konsortiums aus elf internationalen Unternehmen eine EU-Ausschreibung gewonnen habe. Diese solle allerdings keine bestehenden EU-Projekte kontrollieren, sondern "in allen 28 Mitgliedsländern Entwicklungsprogramme und dazugehörige Dokumente entwickeln und bewerten", für "Projekte der neuen, nach 2014 gestarteten Finanzierungsperiode".

 

Er finde es "erhellend" wie Fidesz nun versuche, die Verantwortung für deren Korruptionsfälle "auf mich zu schieben". Die aktuelle Suspendierung der EU behandele Fälle seit 2010, also der Orbán-Regierung, behauptet Gyurcsány weiter. Damit hätte der Altus-Auftrag jedoch nichts zu tun.

Die Sache passt Fidesz natürlich prima ins Konzept: Die, sagen wir es vorsichtig, aberwitzige Konstellation, dass eine Gyurcsány-Firma über Perspektiven finanziellen EU-Engagements - auch in Ungarn - befinden darf, sendet natürlich eine verheerende Message an das ungarische Volk. Die lautet: wollt ihr Orbán nicht, bekommt ihr Gyurcsány (oder Ähnliches) wieder. Warum überhaupt Privatunternehmen die künftigen Entwicklungsprogramme der EU evaluieren, ist eine weitere, nicht unwichtige Frage.

Gyurcsány als Orbáns Controller? Armes Ungarn. Dieser "Skandal" (der keiner ist, die Aktivitäten des Unternehmens sind lange bekannt,
hier ein paar Referenzen und Details, engl.) lenkt natürlich prima davon ab, dass die aktuellen Suspendierungen von EU-Mitteln auf strukturierte, legalisierte kriminelle Machenschaften der Orbán-Regierung (hier ein aktueller Fall, darunter weiterführende Links) und ihrer Günstlinge zurückgehen.

 

Machenschaften, die übrigens seit Jahren von der EVP in Ungarn sehenden Auges gedeckt werden, während sie von den gleichen Leuten in Griechenland angeprangert werden. Grundrechts-, Demokratie- und Rechtsstaatsabbau werden hingenommen, das Infragestellen der gläubigerfixierten Umverteilung muss jedoch mit allen Mitteln bekämpft werden. Deshalb darf Orbán überleben, deshalb wird man an Tsipras ein Exempel statuieren. Die Mafia war nie "links" - und sie wusste auch warum.

Die Korruption unter dem "Sozialisten" Gyurcsány war frappant, systematisch und richtete enormen Schaden an, ökonomisch und politisch. Aber: sie war reparabel, korrigierbar, die Institutionen und Gewalten noch in Takt, die Justiz noch unabhängig, wie die vielen Prozesse belegten. Das ist heute anders, gänzlich anders. Und darum muss sich die EU zuerst kümmern, bevor sie überhaupt über künftige Finanzierungen und Entwicklungsprogramme nachdenken lässt.

Der Sumpf musst erst trocken gelegt werden, bevor er bewirtschaftet werden kann. Eine Zukunft hat Ungarn werder mit Orbán, noch mit Gyurcsány.


ms.
 

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